Publiziert am: 15.09.2023

«Es zählt der 22. Oktober»

PHILIPP MATTTHIAS BREGY – Eine Pflicht zu Sonnenkollektoren ist ein unerträglicher Angriff auf die Haus­besitzer, sagt der Walliser Nationalrat und Fraktionschef der «Mitte». Am Lötschberg brauche es – wie am Gott­hard – eine zweite Röhre, sonst bleibe es bei für die Wirtschaft inakzeptablen Problemen.

Schweizerische Gewerbezeitung: Was halten Sie von der Idee der Jungsozialisten, einen Mindestlohn für Lehrlinge festzulegen?

Philipp Matthias Bregy: Das ist offensichtlich eine falsche «gute» Idee! Für die KMU ist die Situation bereits heute sehr herausfordernd. Lernende fehlen oft im Betrieb und brauchen richtigerweise eine intensive Betreuung. Sie sind zum Lernen da, und das kostet die Unternehmen Zeit und Geld.

Was sagt die Forderung der Jungsozialisten über ihre Einstellung zur Berufsbildung aus?

Die Linke vergisst, dass wir es in erster Linie mit einer Grundausbildung zu tun haben – und nicht mit einem normalen Job. Wenn man sich auf die Löhne konzentriert, vergisst man, dass es bei einer Lehre darum geht, einen Beruf zu erlernen. Wir dürfen nicht stehen bleiben, sondern müssen die duale Ausbildung weiter aufwerten. Eine sehr grosse Anstrengung ist in diesem Bereich mehr denn je erforderlich.

Wie kann der Trend zur Akademisierung der Ausbildung gestoppt werden?

Die Akademisierung der Ausbildungen kann nur bekämpft werden, wenn am Image der Berufe gearbeitet wird. Nehmen Sie zum Beispiel die Krankenpflege. Warum brauchen so viele in diesem Bereich einen Bachelor? Dasselbe gilt für Primarschullehrer und die Matura.

Der Weg dorthin besteht darin, die Sensibilisierungskampagnen in den Schulen zu verstärken und dabei den tatsächlichen Bedarf der Wirtschaft zu analysieren. Und auch, indem man die Lehrerschaft stärker schult und einbezieht. Es stimmt, dass derzeit alles in Richtung der Hochschulen und Universitäten drängt. Wir müssen das Ruder herumreissen, indem wir Kooperationen zwischen Berufsverbänden und Schulen entwickeln und die gesamte Bildungslandschaft einbeziehen.

Was ist von der Idee der Grünen zu halten, dass alle Dächer mit Sonnenkollektoren ausgestattet werden müssen?

Ganz klar: Das ist ein unerträglicher Angriff auf Hausbesitzer. Ich verstehe die Sorge um das Klima. Eine Verpflichtung, überall Sonnenkollektoren anzubringen, wäre jedoch von Anfang an kontraproduktiv. Die gewünschte Frist von 15 Jahren erscheint mir höchst unrealistisch, da es sowohl an Material als auch an Fachkräften mangelt. Das Aufstellen von Sonnenkollektoren in den Bergen aufzuwerten, scheint mir hingegen eine gute Idee zu sein, die leicht umsetzbar ist – und das sage ich als Oberwalliser. Im Flachland hingegen erweisen sich die Möglichkeiten bei bereits errichteten Gebäuden, bei welchen die Sonneneinstrahlung offensichtlich nicht genügend ist, als geringer. Ein Zwang kostet viel Zeit und vor allem Energie – etwas, an dem es uns ja gerade fehlt.

Was läuft derzeit rund um das Projekt «Grengiols» für eine hochalpine Solaranlage im Oberwalliser Saflischtal?

Wir befinden uns mitten in der Testphase. Die ersten Ergebnisse sind positiv, denn wie in Gondo oder im Vispertal ist die Effizienz optimal, und die Planung schreitet voran. Ursprünglich war eine noch grössere Anlage in Grengiols geplant; aber wir müssen hier schrittweise vorgehen. Die Gemeinden sind dabei, die Elektrounternehmen haben sich an die Arbeit gemacht. Bleibt noch die Frist bis 2025, die schwieriger einzuhalten sein wird. Aber ich hoffe, dass die Legislative prüfen wird, ob die Fristen nicht zu kurz sind.

Was zählt, ist der schnelle Zubau erneuerbarer Energien. Fragen zu den neuen Übertragungsleitungen hindern oft die Diskussion und müssen im Vorfeld gelöst werden. Das ist manchmal schwierig. Es ist wie bei anderen Energieprojekten auch: Man müsste die Hürden und Verfahren drastisch senken können. In dieser Hinsicht stellt das Klagerecht von Umweltverbänden eine unerträgliche Bremse für Wasserkraft- und andere Energieprojekte dar, deren Entwicklung wir so dringend beschleunigen müssten.

Wie wollen Sie – als Fraktionschef der «Mitte» – Mehrheiten für eine nachhaltige Energieversorgung finden?

Indem man gut argumentiert! Meiner Meinung nach ist es wichtig, die Botschaft zu vermitteln, dass es in der Schweizer Politik bereits eine solche Mehrheit gibt, und dass sie grosse Fortschritte für die Umwelt und das Klima gemacht hat. Heute ist es wirklich notwendig, unsere Kapazitäten für nachhaltige Energien zu erhöhen. Das Bewusstsein ist vorhanden, und sowohl die Rechte als auch die Linke können und müssen sich damit abfinden. Und Lösungen finden. Sie werden heute weder eine Mehrheit für den Bau neuer Kernkraftwerke noch für die Verpflichtung finden, auf jedem Dach Sonnenkollektoren zu installieren.

Also keine Rückkehr zur Kernkraft?

Ich sehe bei diesem Thema mehrere Probleme. Zunächst einmal hat das Schweizer Volk entschieden, keine neuen KKW zu bauen. Um diese Entscheidung umzukehren, müsste eine neue Volksabstimmung in Betracht gezogen werden. Zweitens ist die Frage des Atommülls immer noch nicht geklärt. Das dritte Problem ist finanzieller Natur. Es müssten Investoren gefunden werden, die in der Lage sind, diese Projekte zum Erfolg zu führen. Mein Austausch mit Energiefachleuten auf europäischer Ebene, insbesondere in Deutschland, hat mir jedoch gezeigt, dass es solche Investoren in die Kernenergie derzeit nicht gibt. All das hilft uns nicht weiter; und wenn wir die Bevölkerung erneut abstimmen lassen müssten, würden zwischen der ersten Entscheidung und dem Beginn der Inbetriebnahme neuer Kraftwerke 25 bis 35 Jahre vergehen.

Dürre und Lebensmittelsicherheit: Sie haben dem Parlament Lösungen vorgeschlagen, worum geht es dabei?

Mein Punkt ist folgender. Es ist richtig, dass sich die Schweiz im Kampf gegen den Klimawandel engagiert. Es ist aber auch klar, dass der Klimawandel nicht vollständig aufgehalten werden kann. Deshalb muss die Politik einen Rahmen schaffen, der es der Wirtschaft und der Landwirtschaft ermöglicht, sich an den Klimawandel anzupassen. Und für die Landwirtschaft ist die Frage der Dürre sehr real. Und die Mittel zur Bekämpfung dieser Geissel liegen in einem richtigen Management der verfügbaren Ressourcen, also des Wassers.

Apropos Landwirtschaft: Was halten Sie von der Kampagne Perspektive Schweiz, wo diese mit den Dachverbänden der Wirtschaft zusammenspannt?

Die Perspektiven für KMU und die Landwirtschaft sind je nach Standpunkt sehr ähnlich. Vertreter beider Lager müssen gegen Verbote und schleichende Bürokratie kämpfen. Die politische Fähigkeit, Situationen zu deblockieren, wird von beiden Seiten gewünscht. Also schätze ich diesen übergreifenden Handlungsansatz sehr, der es ermöglicht, die Gesellschaft als Ganzes zu verbessern.

Die Verkehrsachsen sind überlastet, und die Staus machen den KMU das Leben schwer. Welche Lösungen schlagen Sie hier vor?

Wir brauchen gute Verkehrswege und eine verkehrspolitische Strategie, die sowohl den öffentlichen Verkehr als auch die Strasse einbezieht. Wir sind aufgefordert, die Interessen der gesamten Bevölkerung nicht aus den Augen zu verlieren. Die zweite Röhre am Lötschberg ist ebenfalls Teil dieser Vision. Was die derzeitigen Probleme auf der Gotthard-Achse der Bahn betrifft, so zeigt sie, dass zwei Röhren zwingend sind. Ansonsten kommt es schnell – wie in diesem Sommer geschehen – zu Problemen, die sowohl für den Tourismus als auch für den Verkehr und insbesondere die Wirtschaft inakzeptabel sind.

Was kann «Bern» tun, um das Unternehmertum in der Schweiz zu fördern?

Ich bin mir nicht sicher, ob Unternehmer gefördert werden wollen. Irgendwie stehen Unternehmertum und Förderung in Widerspruch. Die Politik kann aber Rahmenbedingen setzen, welche es den KMU ermöglichen, erfolgreich tätig zu sein. Zudem sollten sowohl Bund, Kantone und Kommunen sich auf dem Arbeitsmarkt nicht als Mitbewerber der Unternehmen sehen, sondern sich zurückhalten. Heute haben wir einem regelrechten «Drain» von Arbeitskräften aus der Privatwirtschaft in die öffentliche Verwaltung.

Gretchenfrage: Ist «Die Mitte» jetzt eigentlich eher eine bürgerliche oder doch tendenziell eher eine linke Partei?

«Die Mitte» ist bürgerlich. Punkt. Aber eben nicht rechts oder links, sondern in der Mitte. Unsere sozialpolitischen Elemente unterscheiden uns von der FDP und der SVP, das ist seit jeher Teil unserer politischen DNA. Nehmen Sie das Thema AHV: Es ist der Mitte zu verdanken, dass soziale Elemente, die die zukünftigen Generationen betreffen, integriert werden konnten. Ohne dieses soziale Element hätte die AHV-Reform keine Chance gehabt, durchzukommen.

Was sind Ihre Erwartungen für die Wahlen am 22. Oktober?

Nach der Fusion mit der BDP denke ich, dass wir in der Lage sind, von den Auswirkungen dieser neuen Kraft zu profitieren und vielleicht sogar über den Fusionsgewinn zu wachsen. Aber schon die Beibehaltung des Fusionsgewinns wäre ein Erfolg. Das wird gerne vergessen. Abgesehen davon ist es etwas schwierig, eine Einschätzung über die Gesamtsituation abzugeben, die davon abhängt, was in den einzelnen Kantonen passiert. Die einzige Umfrage, die zählt, erfolgt am 22. Oktober 2023, und zwar in 26 verschiedenen Wahlkreisen. Aber wir sind motiviert.

Interview: François Othenin-Girard

www.die-mitte.ch

www.pm-bregy.ch

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