Publiziert am: 01.09.2023

«Tourismus lebt von intakter Natur»

HOTELLERIE – Die Schweizer Wirtschaft handelt nachhaltig. Exemplarisch zeigt sich das am Beispiel der Hotellerie. Die Vermeidung von Food Waste oder die Umsetzung von Energiesparmassnahmen sind nur zwei Beispiele, die zeigen, dass KMU in dieser Branche Vorreiter sind.

Kennen Sie es auch? Sie lesen Zeitung, hören Radio oder schalten den Fernseher ein, und Sie werden den Eindruck nicht los, dass vieles, was die Wirtschaft – und insbesondere die KMU – leisten, entweder nicht anerkannt oder gar eher schlecht gemacht wird.

Das zeigt sich etwa in der – zum Teil alarmistisch geführten – Debatte rund um den Umwelt- respektive Klimaschutz und das Thema Nachhaltigkeit. Hört man dabei Vertretern von Rot-Grün zu, wird einem Angst und Bange. Man erhält den Eindruck, dass Unternehmen aufgrund von «Profitgier» beispielsweise Umweltverschmutzung nonchalant in Kauf nähmen, ja gar ein Interesse an dieser hätten. Oder dass Bauern daran seien, ihr Land mit Pestiziden zu vergiften. Verbunden wird dies immer mit kaum enden wollenden Forderungen, dass noch sehr, sehr viel getan werden müsse, um bessere Zustände zu erreichen. Und dass es auf diesem Weg selbstverständlich (noch) mehr Gesetze brauche.

Macher, nicht Schwätzer!

Doch während Politiker aus dem linken Spektrum vor allem reden und anprangern, hat die Wirtschaft in diesem Bereich schon sehr viel unternommen. Fest steht: Die Wirtschaft ist längst grün und nachhaltig. Dies gilt insbesondere für die meisten KMU: Ihre Chefs sind Macher, nicht Schwätzer! (siehe Artikel «Präzision und Effizienz»). Das belegen auch die Zahlen. Nur eine davon: Gemäss der Weltbank ist die Schweiz mit 0,06 Kilogramm CO2 pro Franken Wertschöpfung eine der am wenigsten CO2-intensiven Wirtschaften der Welt (siehe Artikel «Grün - und das schon lange»).

Wie engagiert die Schweizer Wirtschaft Nachhaltigkeit lebt, zeigt sich exemplarisch in der Hotellerie. Ob die Vermeidung von Food Waste, das Umsetzen von Energiesparmassnahmen, oder die Kreislauffähigkeit und Ressourceneffizienz von Produkten: All das gehört in der Beherbergungsbranche schon längst zum Alltag.

Digitales Kartendeck mit Energiespartipps

Nehmen wir zum Beispiel den Bereich Energie: Da hat HotellerieSuisse gemeinsam mit Experten der Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) im Rahmen der Strommangellage Tipps erarbeitet, die den spezifischen Eigenheiten von Beherbergungsbetrieben Rechnung tragen und auf verschiedene Bereiche in den Hotels anwendbar sind. So erhalten die Hotelbetreiber für die Mangellage eine einfache Hilfestellung, um ihren Stromverbrauch senken zu können.

Weiter hat der Branchenverband mit Beratungsagenturen sogenannte «Quick Wins Energie» entwickelt. Dabei handelt es sich um Tipps für Massnahmen in den Bereichen Lüftung, Heizung und Beleuchtung, die mit geringem Aufwand und ohne viel Beratung umsetzbar sind und einen schnellen Ertrag generieren.

«Herkömmliche Beratungen sind für unsere Branche zeitintensiv, da diese vor Ort stattfinden. Deshalb wurde mittels wissenschaftlicher Erhebungen ermittelt, mit welchen Quick-Wins – die keine individuelle Beratung benötigen – der grösste Einfluss erreicht werden kann», erklärt Andrea Grossenbacher, Fachexpertin Nachhaltigkeit bei HotellerieSuisse.

Diese Erkenntnisse wurden in ein digitales Kartendeck – also online abrufbare Karten mit den Tipps drauf – überführt und den Betrieben zur Verfügung gestellt. «Diese stiessen auf grossen Anklang und werden von den Mitgliedern aufgrund einer drohenden Energiemangellage enorm geschätzt», resümiert Grossenbacher.

Roadmap Elektromobilität

Ein wichtiges Thema, bei dem die Hotellerie ebenfalls schon lange vorwärts macht, ist die Elektromobilität. Im Rahmen des Programms «Roadmap Elektromobilität 2025» des Bundesamts für Energie hat der Branchenverband Massnahmen eingereicht, welche bis 2025 verlängert und verstärkt wurden. In diesem Rahmen fördert HotellerieSuisse den Ausbau von Ladeinfrastruktur für Steckerfahrzeuge bei seinen Mitgliedern durch Sensibilisierung, Information und konkrete Unterstützung, zum Beispiel indem der Verband Leitfäden erstellt, Webinare durchführt und beratend zur Seite steht. Das Ziel der Massnahme ist, die Beherbergungsbranche bei der Entwicklung der Elektromobilität zu begleiten und den Ausbau der Ladeinfrastruktur voranzutreiben.

Das sei wichtig, weil der Aufbau, die Bewirtschaftung und Verwaltung von Ladeinfrastruktur von E-Fahrzeugen komplex und die Einarbeitung in das Fachgebiet für einen Hotelier zeit- und kostenintensiv seien, erklärt Grossenbacher. Diese Initialaufwände stellten für den Aufbau eines E-Ladenetzes in der Branche oftmals eine grosse Hürde dar.

«Gleichzeitig bieten sich für die Hoteliers durch die Zunahme der E-Mobilität auch neue Chancen, zusätzliche Kundengruppen anzusprechen und sich als fortschrittlicher und nachhaltiger Betrieb zu positionieren.» Mittlerweile gibt es in der Schweiz insgesamt 569 Beherbergungsbetriebe mit Ladestationen für Elektroautos.

Kleinere Portionen zum Probieren

Auch im Bereich Food Waste geht der Verband mit gutem Beispiel voran. So hat HotellerieSuisse zusammen mit dem Hotelier-Verein Berner Oberland und «United Against Waste» das gemeinsame Projekt «Food Save Berner Oberland» lanciert. Insgesamt haben 23 Betriebe daran teilgenommen und während einem Jahr ihren Food Waste gemessen, analysiert und reduziert.

«Die teilnehmenden Betriebe stellten bei den Buffets – insbesondere beim Frühstücksbuffet – die grösste Menge an Lebensmittelverschwendung fest», fasst Grossenbacher die Resultate zusammen. Spezifische Kundengruppen wie Kinder, Jugendliche oder Senioren seien ausserdem für einen überdurchschnittlich hohen Anteil des Tellerrücklaufs verantwortlich gewesen. Auch die Herkunft der Gäste beeinflusste den Food Waste.

Daraus wurden wichtige Tipps abgeleitet. Zum Beispiel, dass bei internationalen Gästen kleine Portionen zum Probieren Abhilfe bei Lebensmittelverschwendung schaffen könnten. Oder dass das Hotelmanagement eine entscheidende Rolle spielt, und dieses bei seinen Mitarbeitern durch die Kommunikation der ökologischen und ökonomischen Folgen vermehrt ein Bewusstsein für Food Waste schaffen soll.

Mit künstlicher Intelligenz Food Waste vermeiden

Einen Schritt weiter geht das Pilotprojekt «Hotel Food Waste Benchmark». Es handelt sich dabei um ein funktionales und kostenloses Online-Benchmarking-Tool, mit dem Hotels ihre Food-Waste-Aufkommen mit anderen Beherbergungsbetrieben vergleichen können.

Der Verband hat das Tool zusammen mit Kitro erarbeitet, einem Schweizer Unternehmen, welches ein Gerät entwickelt hat, das den «Waste» mittels künstlicher Intelligenz erkennt, die Menge mit einer integrierten Waage misst und danach die Daten und Erkenntnisse in einem Dashboard zusammenführt, wo die Vergleiche mit anderen Betrieben abgerufen werden können. Hoteliers erhalten so eine rasche Einschätzung zum Ausmass der Lebensmittelverschwendung in ihrem Betrieb. «Die Erkenntnisse erlauben es ihnen, Angebote und Prozesse anzupassen», erklärt Fachexpertin Grossenbacher.

Ökonomische und soziale Dimension essenziell

Es könnten noch viele weitere Beispiele aufgezählt werden, was die Hotellerie im Bereich Nachhaltigkeit alles macht. Zum Beispiel den Leitfaden «Kreislaufwirtschaft in der Beherbergung», welcher die Branche dabei unterstützt, nachhaltige, umwelt- und klimaschonende Produkte zu beschaffen.

Die Fachexpertin betont ausserdem, dass die soziale und ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit ebenso essenziell für die Beherbergungsbranche sei. «Unsere Branche lebt von den Menschen und der Gastfreundschaft. Deshalb sind unsere Mitarbeitenden auch die wichtigste Ressource.» Zudem sei die Berücksichtigung sowie der Miteinbezug der lokalen Bevölkerung im nachhaltigen Tourismus ein wichtiger Faktor.

Klar ist für Grossenbacher, dass die Betriebe von einem nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen und Menschen profitierten, und dies auch zu Kosteneinsparungen und/oder einer Produktivitätssteigerung führen kann. Ebenso habe bei den Gästen und Kunden das Bewusstsein für Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahren stark zugenommen.

Grosse Herausforderungen

Mit dem gesamten Themenkomplex Nachhaltigkeit sind aber auch grosse Herausforderungen verbunden, zum Beispiel der hohe Investitionsbedarf. «Bei den Immobilien führen Renovationen im Bereich Energie zu grossen Kosten. Und bei nachhaltig produzierten Lebensmitteln sind die Warenkosten entsprechend höher», erklärt die Expertin. Der aktuelle Fachkräftemangel und die nach wie vor spürbaren Folgen der Pandemie führten zu einer Fokussierung auf das Wesentliche, wodurch Aspekte wie Nachhaltigkeit oftmals in den Hintergrund rückten.

Letztlich führt aber in keiner Branche der Weg an Nachhaltigkeit vorbei – auch nicht in der Hotellerie, die bereits sehr viel in diesem Bereich unternimmt. Und Grossenbacher bringt es mit einem Satz auf den Punkt: «Der Schweizer Tourismus lebt von einer intakten Natur.»

Rolf Hug

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