Publiziert am: 20.10.2023

Ein teurer Ladenhüter

PRÄVENTIONSGESETZ – Die Krankenkassenprämien steigen 2024 im Schnitt um 8,7 Prozent. Das sorgt für mächtig Zunder. Und es kursieren allerlei Ideen, um die Kosten zu dämpfen. Besonders ungeeignet ist diejenige nach einem neuen Präventionsgesetz.

SP-Bundesrat Alain Berset verkündete Ende September den grossen Prämienschock. Die Krankenkassenprämien werden nächstes Jahr um durchschnittlich 8,7 Prozent steigen. Der abtretende Gesundheitsminister, der seit mehr als zehn Jahren für dieses Dossier zuständig ist, trägt hierfür die Hauptschuld – auch wenn er dies wie immer und überall wortreich bestreitet.

Es handelt sich um das grösste Ablenkungsmanöver, aber es gibt noch weitere. Jedenfalls ist seit der Bekanntgabe der Prämien für 2024 Feuer im Dach. Und alle versuchen, sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuspielen. Und weil die Gesundheitskosten auch im nächsten und in den darauffolgenden Jahren steigen werden, kursieren allerlei Ideen, wie die aus dem Ruder gelaufenen Kosten gedämpft werden könnten.

Dabei wird gerne auch ein beliebter, aber letztlich kontraproduktiver Ladenhüter wieder aus dem Regal genommen. So fordern verschiedene Politiker und Ärzte die Einführung eines Präventionsgesetzes, um die Kosten im Gesundheitswesen zu senken. Ein solches Gesetz wurde bereits 1984 und dann 2012 diskutiert. Allerdings ohne Erfolg.

Tausendfach wiederholt

Es werden viele Gründe genannt, weshalb die Schweiz ein Präventionsgesetz brauche. Es gäbe eine Intransparenz seitens der – im Übrigen zu zahlreichen – Akteure. Generika seien in der Schweiz zu teuer. Krankenhäuser verursachten überhöhte Kosten. Ärzte verlangten mehr pro Konsultation. Und die Krankenversicherungen würden die steigenden Gesundheitskosten einfach weitergeben, obwohl sich im Juni 2022 herausgestellt hatte, dass sie über überschüssige Reserven verfügten. Es sei schwer zu verstehen, warum man mehr für die Gesundheit bezahlen müsse. Die Lösung für all diese Übel: die Einführung eines Präventionsgesetzes.

Es liegt auf der Hand, dass jemand, der auf seine Gesundheit achtet, von seinem Wohlbefinden profitiert, und damit das Gesundheitswesen nicht übermässig belastet. Dennoch sei die Frage erlaubt: Braucht die Schweiz grossflächige Präventionskampagnen im ganzen Land – bloss um all jenen, die bis heute nicht verstanden haben, dass sie zu ihrer Gesundheit Sorge tragen sollten, die tausendfach wiederholten Botschaften einmal mehr in Erinnerung zu rufen?

Massive Kosten

Die Antwort darauf lautet ganz klar Nein! Ein solches Programm wird zwangsläufig massive Kosten verursachen. Zudem wird es einige Jahrzehnte dauern, bis es – wenn überhaupt – sichtbare Auswirkungen auf die Gesundheitskosten haben wird.

Wer den Entwurf von 2009 anschaut, für den ist auch klar, dass die Kosten für den Staat steigen werden. Letztendlich werden die Steuerzahler nicht nur für die Gesundheit, sondern auch für die Ausgaben des Staates für Gesundheitsförderung und Prävention aufkommen müssen.

Unternehmer werden bestraft

Besonders beunruhigend an diesen Präventionsmassnahmen ist der Druck, der auf die Hersteller der Produkte ausgeübt wird. Der eigen-«verantwortliche» Mensch – also jener, der die Botschaft bis heute nicht verstanden hat – legt ein Konsumverhalten an den Tag, das negative Auswirkungen hat. Und die Lösung besteht darin, nicht bloss alle Steuerzahler dafür bluten zu lassen. Sondern auch die Unternehmen zu bestrafen – durch die Steuerbelastung, die entsteht, um die Prävention zu bezahlen.

Der Schweizerische Gewerbeverband sgv und die Allianz der Wirtschaft für eine massvolle Präventionspolitik (AWMP) kämpfen gegen diese Art von abwertender Prävention. Es gibt sicherlich ein Verhaltensproblem bei einigen Konsumenten, aber die Produzenten und KMU, die in vielen Bereichen bereits Anstrengungen unternehmen, um den Zucker-, Salz- oder Fettgehalt zu reduzieren, sollten verschont werden.

Letztlich kontraproduktiv

Prävention ist viel umfassender und würde verlangen, dass man sich die körperlichen Anstrengungen, das psychologische Gleichgewicht, die Lebensgewohnheiten, den Lebenskontext usw. der Menschen ansieht. Prävention kann nicht daraus bestehen, die seit Jahrzehnten ausgesendeten Botschaften immer und immer zu wiederholen in der naiven Hoffnung, dass auch noch der allerletzte Ignorant zur Einsicht gelangen wird.

Die Schweiz ist dafür bekannt, dass sie dem Einzelnen das Recht auf Selbstbestimmung lässt. Indem die Behörden die Prävention fördern und ausbauen, machen sie jedoch das genaue Gegenteil: Sie nehmen der sehr rasch wachsenden Bevölkerung die Verantwortung zunehmend ab. Und das ist letztlich sowohl für die Gesundheit kontraproduktiv als auch für die Kosten.

Mikael Huber, Geschäftsführer AWMP

www.awmp.ch

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