Publiziert am: 06.10.2023

«Keinerlei Effizienzgewinn»

PETER SCHILLIGER – Die Schulden­bremse sei eine Erfolgsgeschichte und dürfe nicht aufgeweicht werden, sagt der Luzerner FDP-Nationalrat und KMU-Inhaber. Er erklärt, wieso Unter­nehmen von Regulierungen entlastet werden müssen. Und fragt, wo beim Bund der Nutzen der Digitalisierung bleibe.

Schweizerische Gewerbezeitung: Sie sind Nationalrat und Mitinhaber mehrerer KMU, unter anderem der Herzog Haustechnik AG Luzern, die über 100 Mitarbeiter – davon rund ¼ Lernende – beschäftigt, und der Sie als Verwaltungsratspräsident vorstehen. Wie hilft Ihnen Ihre berufliche Erfahrung in der Politik?

Peter Schilliger: Es ist die Mischung aus Lebens- und Führungserfahrung. Mein berufliches Wissen als Gebäudetechniker hilft mir im Verständnis der Energie- und Klimapolitik. Da-rüber hinaus bin ich mit den Herausforderungen der Berufsbildung vertraut. Dies dank meinen Erfahrungen in verschiedenen Tätigkeitsbereichen. Sei dies als Lehrmeister, als ehemaliger Zentralpräsident des Berufsverbandes oder als Präsident der kantonalen Kommission für das Qualifikationsverfahren (LAP).

Weshalb ist es wichtig, dass am 22. Oktober mehr Unternehmer wie Sie nach Bern gewählt werden?

Unternehmer müssen im Tagesgeschäft laufend nach pragmatischen Lösungen suchen. Dieser Fokus auf das Wesentliche und die Grundhaltung, dass nur jenes Geld ausgegeben werden kann, das eingenommen wurde, ist auch für politische Entscheide wichtig und anwendbar. Zudem sind Unternehmer per se nachhaltig. Sie müssen effizient und ökonomisch mit den Ressourcen umgehen und tragen durch ihr Engagement in der Berufsbildung zu einer hohen sozialen Verantwortung bei, indem sie den eigenen Nachwuchs der künftigen Mitarbeiter sichern.

«Beim Bund wird sehr viel in die digitale Struktur investiert. Von einem Effizienz-gewinn ist jedoch weit und breit nichts zu sehen!»

Als Mitglied der nationalrätlichen Finanzkommission haben Sie einen vertieften Einblick in die Bundesfinanzen. Als Normalbürger hat man den Eindruck, dass in Bern das Geld nicht erst seit Corona mit ziemlich lockerer Hand ausgegeben wird. Stimmt dieser Eindruck?

Ja, dem stimme ich zu. Es ist schon unglaublich, wie sich der Umgang in der Finanzpolitik auf den drei Staatsstufen verändert. Als Gemeindepräsident musste ich an der Gemeindeversammlung die Ausgaben für eine neue Website verteidigen. Im Kanton versucht man in verschiedenen Bereichen zu sparen. Ganz anders im Eidgenössischen Parlament, da drehen sich zwei Drittel aller Geschäfte ums Geldausgeben. Auch in der kommenden Budget-Debatte werden wir unzählige Anträge für eine Budget-Ausweitung abwehren müssen, damit der grundsätzlich stimmige Voranschlag des Bundesrates nicht aus dem Ufer läuft.

Der Staatsapparat wächst unaufhörlich. Seit etwa 1990 haben sich allein die Ausgaben des Bundes knapp verdreifacht. Im nächsten Jahr steigen diese auf fast 90 Milliarden Franken an. Was halten Sie von dieser Tendenz, und welche Folgen hat sie?

Solange die Einnahmen dies zuliessen, war es ein akzeptierbares Problem. Nun scheinen sich das wirtschaftliche Wachstum und damit die Einnahmen langsamer zu entwickeln. Im Gegensatz dazu wachsen leider die grossen verpflichteten Ausgabenblöcke überproportional. Ich denke dabei an Ausgaben wie den Bundesbeitrag an die AHV-Rente, die Gesundheitskosten oder die Tatsache, dass unser Budget für die Armee, für die Sicherheit generell aktuell zu klein ist. Gemäss Verfassung darf ein Budget nur genehmigt werden, wenn Einnahmen und Ausgaben im Gleichgewicht stehen. Also erfordern steigende Ausgaben im gebundenen Bereich Reduktionen in schwach gebundenen Bereichen. Darunter leidet schliesslich unsere Möglichkeit für Investitionen und somit unsere Innovationskraft.

Wie liesse sich diese Entwicklung eindämmen, und bei welchen Ausgabenposten sollte der Rotstift in erster Linie angesetzt werden?

Ich wäre bereits zufrieden, wenn es uns gelingt, das Budget in den derzeitigen Strukturen stabil zu halten, ohne neue Ausgabeposten zu beschliessen. Als aktuelles Beispiel nenne ich den Gesetzesentwurf, mit welchem der Bund die Kosten der Kinderbetreuung mitfinanzieren soll. Meine ablehnende Haltung betrifft die Zuständigkeit und nicht die Frage und das Anliegen, dass die Kita-Plätze günstiger werden sollen. Unsere Bundesverfassung basiert auf dem Grundsatz der föderalen Aufgabenzuteilung. Die Volksschule und die Kinderbetreuung sind dabei klar den Kantonen und Gemeinden zugeordnet. Wird diese Aufgabe teilweise an den Bund verschoben, ist dies im Grundsatz falsch und muss anderweitig von den Kantonen gegenfinanziert werden.

Der öffentliche Sektor ist mittlerweile der grösste Arbeitgeber im Land. Dieser bietet zudem höchst spendable Anstellungsbedingungen, mit denen ein normales KMU im Wettbewerb um Fachkräfte nicht mithalten kann. Wie kann man diesem staatlichen Arbeitsparadies Einhalt gebieten?

Der Kampf um Mitarbeiter ist gross, und er wird in den nächsten zehn Jahren kaum kleiner, wenn auf jeder Stufe mit neuen Anreizen abgeworben wird. Wir haben die Pflicht, auch mit unseren «menschlichen» Ressourcen effizient umzugehen. Beim Bund wird sehr viel in die digitale Struktur investiert. Von einem Effizienzgewinn ist jedoch weit und breit nichts zu sehen! Müsste nicht eine Stagnation, oder noch besser ein Abbau von Stellen in den verschiedenen Tätigkeitsbereichen die Folge davon sein?

Treiber dieses Staatswachstums sind Regulierungen, welche die KMU stark belasten, viel von ihrer Zeit in Anspruch nehmen, und vielfach mehr Gebühren, Abgaben und Steuern zur Folge haben. Weshalb braucht es dringend eine Entlastung der Unternehmen von Regulierungen?

Ganz einfach, weil viele Deklarationen und Regulierungen ausser Rauch keinen Nutzen generieren. Denken wir nur an die unsägliche Deklarationspflicht bezüglich Lohngleichheit. Unterdessen ist bekannt und bewiesen, dass gerade im KMU-Bereich die Lohnstruktur stimmt. Statt die Übung nun abzubrechen, versucht man den Grenzwert zu halbieren. Die entsprechenden öffentlichen Institutionen tun alles, um ihre Daseinsberechtigung zu festigen. Nach meiner Bewertung müsste in diesem Bereich nicht nur die Wirtschaft entlastet, sondern auch die Verwaltung, welche das Ganze überprüft, reduziert werden.

Ein wichtiges finanzpolitisches Instrument ist die Schuldenbremse, welche vor 20 Jahren eingeführt wurde. Welche Bedeutung hat sie für die Schweiz?

Unsere Schuldenbremse ist eine Erfolgsgeschichte. Im Gegensatz zum Grossteil der restlichen Staaten konnten wir in den letzten 20 Jahren die Schulden um über 30 Milliarden Franken senken bzw. um rund einen Viertel verkleinern. Dies macht die Bundesfinanzen und damit unseren Staat resistent. Wir konnten Krisen wie die Corona-Pandemie, die Energiebeschaffung oder die Ukraine-Hilfsaktionen bisher gut stemmen, ohne in ein Verschuldungsdesaster zu schlittern. Nach diesen drei schwierigen Jahren gilt es nun, Stabilität zu finden und so unser Land wieder fit zu trimmen.

SP und Grünen ist die Schuldenbremse ein Dorn im Auge. Sie sprechen zwar ständig und überall von Nachhaltigkeit, doch deren ökonomische Dimension scheint ihnen unwichtig zu sein. Weshalb ist es wichtig, an der Schuldenbremse festzuhalten, und diese auch nicht aufzuweichen?

Die links/grüne Politik orientiert sich nicht an ökonomischen Grundsätzen, sondern am Irrglauben, dass sich mit stark vergrösserten staatlichen Strukturen und Ausgaben die Welt verbessert. Ein verlässlicher Staat hat seine Ausgaben und Schulden im Griff. Nur so kann er seine Versprechen gegenüber den Bürgern auch erfüllen. Aktuell versucht man alles, um über die Deklaration einer «ausserordentlichen» Ausgabe zusätzliche Gelder zu verteilen. Aus meiner Sicht muss man alles tun, um die Versuche einer Regelaufweichung oder sogar Abschaffung der Schuldenbremse abzuwehren.

«Unternehmer sind per se nachhaltig. Sie müssen effizient und ökonomisch mit den Ressourcen umgehen.»

Noch etwas anderes: Sie waren in der Frühjahressession einer der wenigen FDPler, der einem SVP-Antrag zugestimmt hat, das Neubauverbot von Kernkraftwerken aufzuheben. Zwar scheiterte dieser Antrag: Doch weshalb bleibt das Hinwirken auf eine Aufhebung des KKW-Bauverbots, wie ihn auch Ihr Parteipräsident Thierry Burkart fordert, weiterhin richtig und wichtig?

Vorab ist es wichtig, dass wir unsere heutigen Kernkraftwerke möglichst lange und mit einer hohen Betriebssicherheit am Netz halten können. Diese leisten für die Netz-Stabilität einen sehr wichtigen und grossen Beitrag. Ich bin mir bewusst, dass es mindestens 20 Jahre dauert, bis neue KKW mit neuen Technologien in Betrieb genommen werden könnten. Trotzdem, wir müssen uns wissenschaftlich befähigen, um überhaupt eine eigene Kompetenz sicherzustellen. Dazu braucht es neue Lehrgänge an den Hochschulen. Das Interesse an diesem Fachgebiet wird jedoch nur steigen, wenn die politischen Zeichen klar sind. Deshalb unterstütze ich eine aktive gesetzliche Positionierung.Interview: Rolf Hug

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