Publiziert am: 03.11.2023

Die Nummer 2 greift nach der Krone

Neue Strategie – Der Stellantis-Konzern bündelt im Nutzfahrzeugbereich noch stärker seine Kräfte und gründet dazu die neue Division Pro One. Bei den Lieferwagen setzt der Autoriese vermehrt auf den Elektroantrieb.

Der amerikanisch-europäische Stellantis-Konzern mit seinen 13 Automarken ist auch im Nutzfahrzeugbereich eine Macht. Mit den Marken Peugeot, Citroën, Opel, Fiat Professional, Vauxhall und Ram bietet der Autoriese leichte Nutzfahrzeuge an, in erster Linie Transporter und Pickups.

Damit hat sich Stellantis hinter Ford als weltweite Nummer 2 im Nutzfahrzeugmarkt etabliert: Der Konzern verkaufte im vergangenen Jahr 1,6 Millionen Lieferwagen, Fahrgestelle und Transporter. Die Nutzfahrzeugsparte trägt somit gut einen Drittel zum Gesamtumsatz von knapp 180 Milliarden Euro bei.

«der Anteil an rein elektrisch angetriebenen Fahrzeugen soll bis 2030 auf 40 Prozent klettern.»

Dabei soll es aber nicht bleiben: Stellantis will sich nicht mit dem zweiten Platz zufriedengeben und startet nun eine Offensive, um Ford von der Spitze des Marktes verdrängen zu können. Das ist die klare Marschrichtung, die Jean-Philippe Imparato, Leiter der Nutzfahrzeugsparte von Stellantis, nun vorgibt: Bis Ende des Jahrzehnts soll der Konzern die Umsätze im Nutzfahrzeugbereich im Vergleich zu 2021 verdoppeln. Die Einnahmen aus Serviceaktivitäten und digitalen Diensten sollen auf fünf Milliarden Euro ansteigen. Ausserdem soll der Anteil an rein elektrisch angetriebenen Fahrzeugen bis 2030 auf 40 Prozent klettern.

Gleichteilestrategie weiter ausreizen

Um diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen, bündelt Stellantis sämtliche Nutzfahrzeugaktivitäten in der neuen Einheit Pro One. Darin werden künftig die strategischen Entscheidungen für die Marken Citroën, Opel/Vauxhall, Peugeot, Fiat Professional und Ram vorgegeben, die anschliessend von den einzelnen Unternehmen umgesetzt werden. Denn wie bei den Personenwagen will der Konzern künftig auch bei den Nutzfahrzeugen die Plattform- und Gleichteilestrategie noch weiter ausreizen.

Die einzelnen Marken sollen aber weiterhin die Verantwortung für die Produkte tragen. Haben sich die Transporter der einzelnen Marken bisher optisch kaum unterschieden, sollen sie künftig zwar die gleiche Technik verwenden, aber die eigene Marken-DNA ausspielen können. Citroën setzt beispielsweise auf einen hohen Komfort, Peugeot bringt das von den Pw bekannte i-Cockpit in die Nutzfahrzeuge, Fiat setzt auf praktische Lösungen und Opel auf technische Details wie das Matrix-LED-Licht.

Zudem überarbeitet Stellantis das aktuelle Nutzfahrzeug-Portfolio. Fiat führt bereits nächstes Jahr eine Version des Ducato mit Brennstoffzellenantrieb ein. Ausserdem erhält der Transporter in der 3,5-Tonnen-Klasse ein Facelift und wird technisch aufgewertet. Vor allem aber bekommt die Elektro-Variante mehr Power und mehr Reichweite: Die Batterie wird auf 110 kWh vergrössert, die mit bis zu 150 kW geladen werden kann – damit soll der E-Ducato bis 420 Kilometer weit kommen. Den Antrieb übernimmt neu ein 200 kW/270 PS starker E-Motor.

Auch die elektrischen Nutzfahrzeuge von Peugeot werden aufgepeppt. E-Partner, E-Expert und E-Boxer erhalten eine neugestaltete Frontpartie, eine neue Ausstattungsstruktur und ein optimierter Antrieb. E-Partner und E-Expert werden zwar weiterhin vom 100 kW/136 PS starken E-Motor angetrieben, sollen aber neu mit einer Batterieladung bis zu 330 Kilometer respektive bis 350 Kilometer weit kommen. Der grosse Transporter E-Boxer erhält wie das Schwestermodell Fiat Ducato deutlich mehr Power: Die Leistung des E-Antriebs verdoppelt sich auf 200 kW/270 PS. Und dank einer auf 110 kWh vergrösserten Batteriekapazität soll das Modell neu ebenfalls bis 420 Kilometer weit kommen.

«Für die Kunden ändert sich nichts»

Ein weiterer Kernpunkt im neuen Strategieplan von Stellantis ist es, ab sofort nur noch komplett vernetzte Fahrzeuge auszuliefern. Dazu wurden markenübergreifend neue digitale Servicepakete aufgelegt, etwa «Vorbeugende Wartung» zur Sicherstellung der Geschäftskontinuität, «Aufgabenmanagement» oder «Eco-Drive-Coaching». Im Gegensatz zu Hauptkonkurrent Ford, der mit seiner Sparte Ford Pro auch nach aussen auftritt, will Stellantis mit der neuen Geschäftseinheit nur die interne Strategie neu bündeln. «Pro One ist ein internes Projekt, mit dem wir die Aktivitäten bei den Transportern verstärken wollen», erklärt Xavier Peugeot, der im Konzern für die leichten Nutzfahrzeuge verantwortlich ist. «Der Kunde wird auch in Zukunft zu seinem Markenhändler gehen, wo es keine Pro-One-Abteilung geben wird. Für die Kunden ändert sich nichts.»

Das bekräftigt auch Nutzfahrzeug-Chef Jean-Philippe Imperato: «Mit Pro One stärken wir unser Konzept: sechs starke Marken, eine gemeinsame Kraft. Doch angesichts der immer komplexer werdenden Kundenerwartungen bieten wir für jeden spezifischen Bedarf eine massgeschneiderte Lösung an.» Daher sollen auch die 400 weltweiten Partner für Nach- und Umrüstungen in Pro One eingebunden werden, denn fast jeder zweite Transporter wird nach dem Kauf umgerüstet. Mit dem Einbezug der Umrüstpartner kann Stellantis künftig rund 800 000 Fahrzeugkombinationen anbieten.

Dave Schneider

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