Publiziert am: 03.11.2023

Umsetzen statt lobbyieren

WEKO – Mit der «kleinen» Revision des Kartellgesetzes wird ein Schritt in die richtige Richtung getan. Eigentlich wäre der Schritt gar nicht nötig. Denn die Schweizer Missbrauchsgesetzgebung ist bereits deutlich im Gesetz verankert. Aber es geht darum, die Wettbewerbskommission zurück zum Gesetz zu führen. Deshalb braucht es die Revision.

Das schweizerische Kartellgesetz ist ein durchdachtes und austariertes Werk. Eigentlich geht es darin immer um die Ökonomik der einzelnen Fälle. Von der Wettbewerbsbehörde wird das aber nicht eingehalten.

Kommission soll ihre Arbeit tun

Es fällt schon auf: Mehrere ehemalige Präsidenten und die aktuelle Präsidentin der Wettbewerbskommission (Weko) gehen an die Presse. Sie alle verteufeln die aktuelle Revision des Kartellgesetzes, die im Parlament diskutiert wird. Sie alle erzählen etwas von Kartellen und hohen Preisen.

Die Weko ist eine Kommission. Sie ist nicht mehr als eine Verwaltungsstelle, die mögliche Verstösse gegen das Kartellgesetz untersucht und entscheidet. Von so einer Stelle könnte man erwarten, dass sie ihren Job macht, d. h. das Gesetz umsetzt. Dass sie öffentlich politisch Stellung bezieht und lobbyiert, ist verwunderlich.

Weko gegen Kartellgesetz

Das lässt sich aber erklären: Die Weko hat ein Eigeninteresse an der heutigen Situation. Und sie ist alles andere als gesetzeskonform. Die aktuelle Revision des Kartellgesetzes will nämlich eine Verzerrung des Gesetzes, die sich aus der Praxis der Wettbewerbsbehörde ergibt, korrigieren. Mit anderen Worten: Die Revision will die Behörde wieder auf die gesetzliche Grundlage zurückführen. Doch das will die Weko nicht.

Der Artikel 5 des Kartellgesetzes sanktioniert den Missbrauch von Kooperationen. Wenn Unternehmen sich absprechen und damit volkswirtschaftlichen Schaden verursachen, müssen die Wettbewerbsbehörden handeln. Das ist ein ökonomisch sinnvoller Ansatz. Auf der einen Seite gehören Absprachen zur Realität und sind in vielen Fällen wettbewerblich. Auf der anderen Seite bergen sie Missbrauchspotenzial. Gegen diese Fälle muss die Weko vorgehen.

Das wird aber nicht so gehandhabt. Heute qualifizieren die Wettbewerbsbehörden alles als unzulässige Verhaltensweise und prüfen nicht, ob es in der Realität tatsächliche, schädliche Auswirkungen auf den Wettbewerb hat. Vielmehr wird postuliert, der Wettbewerb sei erheblich beeinträchtigt. Das Unternehmen wird dann basierend auf dieser Argumentationskette gebüsst.

Austariertes Gesetz

Die Botschaft zum Kartellgesetz 1995 führte aus, das KG solle gegen Verhaltensweisen vorgehen, die die Funktionen des Wettbewerbs beeinträchtigen. Es war aber nie die Idee des Gesetzgebers, rein formbasiert gegen kartellrechtlich relevante Tatbestände vorzugehen und dabei in Kauf zu nehmen, dass auch unschädliche Verhaltensweisen verboten und sogar gebüsst werden.

In der Botschaft steht: «Massgebend ist, ob die Auswirkungen einer Wettbewerbsbeschränkung volkswirtschaftlich oder sozial schädlich sind. Nur wenn die Schädlichkeit im Einzelfall festgestellt wurde, ist die Wettbewerbsbeschränkung unzulässig.»

«Die Revision will die Behörde wieder auf die gesetzliche Grundlage zurückführen. Doch das will die Weko nicht.»

Alle Marktaktivitäten, die keine schädlichen Auswirkungen auf den Wettbewerb haben, müssen zulässig bleiben. Das muss die Behörde im Einzelfall prüfen: Sie muss die konkreten und tatsächlichen Umstände berücksichtigen. Zudem ist es die Aufgabe der Behörden, die von ihnen geltend gemachte Schädlichkeit nachzuweisen, wenn sie diese verbieten und die Unternehmen büssen wollen. Auch das ist heute nicht mehr der Fall. Die Unternehmen müssen faktisch ihre Unschuld beweisen.

Korrektur durch das Parlament

Eine rein formalistische Fallbeurteilung, dass von der Verhaltensweise bloss die Gefahr einer Wettbewerbsbeeinträchtigung ausgehen könnte, führt zu unverhältnismässigen Entscheiden. Diese schränken die Handlungsspielräume der Unternehmen ein und schaden damit letztlich dem Wettbewerb.

Mit der «kleinen» Revision des Kartellgesetzes wird ein Schritt in die richtige Richtung getan. Eigentlich wäre der Schritt gar nicht nötig. Denn die Schweizer Missbrauchsgesetzgebung ist bereits deutlich im Gesetz verankert. Aber eben: Es geht darum, die Behörden zurück zum Gesetz zu führen. Deshalb braucht es die Revision.

Henrique Schneider,

Stv. Direktor sgv

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