Publiziert am: 16.02.2024

Den Staat brauchts bloss am Anfang

E-ID – Erneut wird die elektronische Identität Thema im Parlament. Die Lösung kann dabei nicht sein, dass nur der Staat mithilft. Es reicht, wenn er Identitäten feststellt – den Rest können Private tun.

Der Nationalrat wird in der kommenden Frühjahrssession die Botschaft zum Bundesgesetz über die elektronische Identität (E-ID) und andere elektronische Beweismittel diskutieren. Es ist an der Zeit, dass sich die Schweiz eine elektronische Identität zulegt. Nach dem Scheitern in der Volksabstimmung vom 7.  März 2021 haben die Bundesbehörden eine breite partizipative Konsultation entwickelt und ihr Möglichstes getan, um den verschiedenen Erwartungen bestmöglich zu entsprechen.

FrĂĽher reichten zwei Zeugen

Einst geschah der Nachweis der Identität noch ganz direkt. Konkret bedeutete dies, dass man zwei Zeugen brauchte, die eine Identität bezeugten. Historisch gesehen diente der Identitätsnachweis den Staaten ohnehin vor allem für die Besteuerung, die Polizei und die Mobilisierung von Männern für die Armee. Es ging dem Staat schlicht und einfach darum, seine hoheitlichen Befugnisse mittels Kontrolle der Bevölkerung wirksam umzusetzen.

Die besagten Personalausweise wurden übrigens bei der Besetzung Belgiens durch Deutschland 1915 eingeführt, 1938 in Deutschland während Hitlers nationalsozialistischem Regime und in Frankreich während des Vichy-Regimes zur Pflicht gemacht.

Nichts allzu Beruhigendes verbindet uns also mit der Rechtfertigung der Identität. Und für Nostalgiker: Wenn alle Menschen ehrlich wären, bräuchten wir weder einen Personalausweis noch Fahrkarten. Das Wort würde genügen.

Risiken und grosse Chancen

Ist die E-ID letztendlich nur ein weiteres Kontrollmittel, das bald Identität und Gesichtserkennung miteinander verbinden könnte, wie es in China bereits der Fall ist? Das könnte durchaus passieren, vor allem wenn es zu zivilen Unruhen kommen sollte. Aber die E-ID hat auch grosse Vorteile, etwa die Möglichkeit, den Identitätsnachweis elektronisch zu erbringen, um Dokumente zu unterschreiben. Dadurch können alle Kauf- und Verkaufsprozesse, Verpflichtungen und verschiedene Verträge schneller und zuverlässiger validiert werden. Behördengänge würden nicht mehr unbedingt das persönliche Erscheinen an einem Schalter oder das Versenden von unterschriebenen Dokumenten erfordern. Zudem ist die Fälschung einer handschriftlichen Unterschrift viel einfacher als die Fälschung einer E-ID.

Deshalb steht fest: Die Schweizer Wirtschaft braucht zwingend ein solches Beweismittel, um die Prozesse der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz zu beschleunigen und im Wettbewerb mithalten zu können.

Weshalb vom Staat ausgestellt?

Aber wie wird diese Schweizer E-ID aussehen? Zunächst einmal wird sie vom Staat ausgestellt – der Datenschutz soll so hoch wie möglich sein. Was auch immer das bedeuten soll: Der Schweizerische Gewerbeverband sgv ist der Ansicht, dass nur die Privatwirtschaft die maximalen, innovativen und aktuellen Sicherheiten bieten kann. Der Staat selber hat keinen Auftrag, Datenschutz zu produzieren, er profitiert nicht davon und ist auch nicht darauf spezialisiert.

Das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation BIT muss maximalen Schutz gewährleisten, ein böswilliger Mitarbeiter sollte sich keinen Zugang zu persönlichen Daten verschaffen können. Zudem wird der Quellcode veröffentlicht. Dies ermöglicht es, den Code zu testen und eine gewisse Transparenz gegenüber der Bevölkerung zu haben.

Die E-ID wird auch andere elek-tronische Beweismittel aufbewahren können, was private Akteure nicht ausschliesst. In der Tat können auf die «Brieftasche,» die die E-ID begleitet, zusätzliche Beweise und Informationen geladen werden, die insbesondere mit der Familie in Verbindung stehen.

Weshalb das Misstrauen?

Bleibt die Frage: Warum ist das Misstrauen gegenüber der E-ID so gross? Zunächst einmal möchte in Zeiten von Computerlecks und Cyberkriminalität niemand seine eigenen Daten im Netz herumschwirren sehen. Das Vertrauen in die Fähigkeit privater Unternehmen, eine Identität herzustellen, war bisher in der Schweizer Bevölkerung absolut nicht gegeben – eine besorgniserregende Tatsache. Vor allem, wenn man bedenkt, wie wenig Staaten – auch die Schweiz – in der Lage sind, ihre eigenen Geheimnisse zu schützen. Aus diesem Grund sollte der Staat die Identitätsfeststellung übernehmen. Und darüber möglichst viele Kompetenzen der Privatwirtschaft nutzen.

Mikael Huber, Ressortleiter sgv

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