Publiziert am: 02.02.2024

Private Lösungen haben stets Vorrang

UNTERNEHMENSERBRECHT – Die Vorlage zum Unternehmenserbrecht durchläuft eine wahre Odyssee. Der Nationalrat hat in der Herbstsession den Gesetzesentwurf des Bundesrates mit Änderungen verabschiedet. Jetzt will die Rechtskommission des Ständerates am Nichteintreten festhalten. Warum die vorgebrachten Gründe gegen die Vorlage nicht stichhaltig sind.

Die allermeisten der rund 600 000 Unternehmen sind Inhaber fokussiert. 2022 waren über 90 000 auf der Suche nach einer Nachfolgelösung. Für Unternehmen, deren Nachfolgeregelung geplant und erfolgreich verlaufen, braucht es keine Spezialregelung.

«mit der Vorlage werden die übrigen Erben grundsätzlich besser geschützt als heute.»

Ist die Nachfolgeregelung aus irgendwelchen Gründen aber nicht oder nur ungenügend geregelt, kann beim Ableben des Inhabers oder der Inhaberin das Unternehmen vor grosse Herausforderungen gestellt werden und sogar in Existenznöte geraten, vor allem wenn ein Streit über die Weiterführung entsteht. Der Bundesrat geht von rund 3400 Unternehmen pro Jahr aus, bei welchen aufgrund erbrechtlicher Regelungen potenziell Probleme auftreten können.

Nationalrat plädiert für stärkere Position der übrigen Erben

Das Unternehmenserbrecht soll genau solche Fälle abfangen. Dabei handelt es sich um eine Vorlage mit reiner Auffangfunktion für jene Fälle, in denen keine Nachfolgeregelungen getroffen worden sind und die zum Beispiel infolge Erbstreitigkeiten in ihrer Existenz bedroht werden könnten. Die Vorlage ermöglicht die Integralzuweisung eines Unternehmens durch einen Richter an einen Erben beziehungsweise eine Erbin, der oder die willens und in der Lage ist, dieses erfolgreich weiterzuführen.

Der Ständerat hat in der Sommersession 2023 Nichteintreten beschlossen. Der Nationalrat ist in der Herbstsession auf die Vorlage eingetreten und schlägt Änderungen am Entwurf des Bundesrates vor, die die Position der übrigen Erbinnen und Erben stärken.

Unbegründete Vorbehalte

Die während den Beratungen geäusserten Vorbehalte sind gross. Einer lautet, dass es in der Praxis gar nicht so viele Fälle gebe. Allerdings finden jährlich 16 000 bis 20 000 Nachfolgeprozesse statt. Ein Drittel davon scheitert – nicht nur, aber auch wegen rechtlichen Stolpersteinen im Erbrecht.

Die Vorlage gibt privaten Lösungen stets den Vorrang. Wenn aber ein Familienunternehmen bei einer Erbengemeinschaft, die sich nicht einig ist, an eine Erbin oder einen Erben nicht übertragen werden kann, kann das zu einem grossen Problem für den Betrieb werden. Mehr als 700 Nachfolgeregelungen pro Jahr sind allein auf unerwartete Schicksalsschläge zurückzuführen, die einen Unternehmer oder eine Unternehmerin treffen. Zudem gibt es Familien, die zerstritten sind und sich nicht auf eine vertragliche Regelung einigen können. Nur in diesen Fällen, wo keine Lösung getroffen wurde oder ein Missbrauch vorliegt, greift das neue Gesetz.

Ein weiterer Vorbehalt ist, dass die Vorlage ein zu starker Eingriff in die Rechte der «übrigen Erben» ist, die nicht Nachfolger werden können. Es sei besser, das Unternehmen zu verkaufen. Doch hierzu ist zu sagen, dass die übrigen Erben mit der Vorlage grundsätzlich besser als heute geschützt werden. Denn die Vorlage orientiert sich am Verkehrswertprinzip, stellt die wertmässige Gleichbehandlung aller Erben sicher und verhindert vor allem, dass ein «Mehrheitserbe» die anderen Erben – die nur «wertlose» Minderheitsanteile erhalten sollen – dominieren kann.

Die Rechtskommission des Ständerates will am Nichteintreten festhalten. Es ist jedoch zu hoffen, dass der Ständerat der Vorlage in der Frühjahressession eine neue Chance gibt.

Dieter Kläy, Ressortleiter sgv

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