Man kann es drehen und wenden, wie man will: Unsere AHV ist ein Sanierungsfall. Dank höheren Lohnabzügen und höheren Mehrwertsteuersätzen schreibt die staatliche Altersvorsorge zwar noch Überschüsse. Doch in einigen Jahren werden wieder Defizite eingefahren. Ob das 2028, 2030 oder erst 2032 der Fall sein wird, lässt sich noch nicht exakt voraussagen. Wichtig ist: Die Defizite kommen. Mit Sicherheit. Und sie werden im Zeitverlauf immer grösser werden. Die Reserven werden dann rasch einmal aufgebraucht sein.
Grundsätzlich gibt es drei Wege zur Sanierung der AHV-Finanzen: Leistungen kürzen, Mehreinnahmen generieren oder länger arbeiten. Ersteres ist in der Schweiz undenkbar. Weder das Parlament noch der Souverän werden Rentenkürzungen zustimmen. De facto bleibt damit nichts anderes übrig, als massiv mehr Geld abzuschöpfen – möglich in Form höherer Lohnabzüge, höherer Mehrwertsteuersätze oder sonstiger Steuern – oder eine schrittweise Erhöhung des Rentenalters.
Beides ist nicht schön. Höhere Lohnabzüge und höhere Steuern schmälern unsere Kaufkraft und verringern unseren Wohlstand. Und das schmerzt sehr. Gerade in Zeiten, in denen – schenkt man dem Wehklagen der Linken und der Gewerkschaften Glauben – wir ohnehin alle den Gürtel enger schnallen müssen. Seien wir ehrlich: Länger arbeiten steht nur bei wenigen oben auf der Wunschliste. Und das, obwohl die Generationen 60plus immer fitter und gesünder wird, und – richtige Einstellung vorausgesetzt – problemlos ein oder zwei Jahre anhängen könnte.
Es bleibt uns somit nichts anderes übrig, als eine unliebsame Kröte zu schlucken. Welche ist ver-träglicher? Stützt man sich auf einige Schweizer Tugenden ab, kommt man rasch zu einem klaren Ergebnis. Der Schweizer mag es, wenn es ihm materiell gut geht. Er ist bereit, dafür mehr zu leisten und länger zu arbeiten, als das in meisten anderen westlichen Ländern der Fall ist. Und er hasst es, zulasten künftiger Generationen – sprich auf Kosten seiner Kinder und Grosskinder – Leistungen in Anspruch zu nehmen, die nicht nachhaltig finanziert sind. Das alles spricht für eine höhere Lebensarbeitszeit. Gemildert wird diese nötige Anpassung durch den Umstand, dass die Lebenserwartung weiterhin stärker ansteigt als das Rentenalter.
Häufig wird gegen eine Rentenaltererhöhung eingewendet, dass ältere Arbeitnehmende gar keine Arbeit mehr finden. Das ist grundlegend falsch. Der akute Fachkräftemangel hat zur Folge, dass auch ältere Arbeitnehmende zusehends gefragter sind. Die Arbeitslosenquote der 60- bis 64-Jährigen ist genau so tief wie die der 25- bis 34-Jährigen. Die Erwerbslosenquote ist bei den älteren Arbeitnehmenden gar tiefer als bei den Jungen. Die Schweizer Wirtschaft ist zwingend auf ältere Arbeitnehmende angewiesen. Je länger diese im Erwerbsprozess verbleiben, desto besser.
Und wie sieht es mit jenen Erwerbstätigen aus, die körperlich anstrengende Arbeiten zu verrichten haben? Da gilt es festzustellen, dass deren Zahl sukzessive abnimmt. Der Anteil der Beschäftigten im Dienstleistungssektor hat sich seit Einführung der AHV von 37 auf mittlerweile fast 80 Prozent erhöht. Und diese Verlagerung ist längst nicht zu Ende. Es ist somit nur noch eine Minderheit, die körperlich hart arbeiten muss. Und diese Minderheit profitiert oft von Modellen für einen vorzeitigen Altersrücktritt. Solche Modelle, die etwa im Bau immer mehr an Bedeutung gewinnen, werden bei einer generellen Rentenaltererhöhung keinesfalls ausgehebelt.
Herr und Frau Schweizer sind fleissig. Länger Arbeiten liegt ihnen wesentlich näher als Kaufkraft- und Wohlstandseinbussen. Rentenalter 65 ist ein alter Zopf, den es abzuschneiden gilt. Alles spricht für ein überzeugtes JA zur Renteninitiative der Jungfreisinnigen.