Schweizerische Gewerbezeitung: Sie sind Präsident von KS/CS Kommunikation Schweiz, dem Dachverband der Schweizer Werbung. Kürzlich hat der Berner Stadtrat beschlossen, Aussenwerbung zu verbieten. Machen Sie sich Sorgen um die Werbung?
Jürg Bachmann: Wir sehen vermehrt, dass gewisse politische Kreise die vielfältigen Werbeinstrumente einschränken oder gar ganz verbieten wollen. Das ist für mich unverständlich und auch nicht akzeptabel. Denn Anbieter von Produkten und Dienstleistungen sollen die Wahl behalten, um auf ihr Zielpublikum abgestimmte Werbung schalten zu können. So erreichen beispielsweise lokale Kleinbetriebe ihre Kundschaft effektiv, wenn sie in der gleichen Stadt Werbung schalten können.
«Die Kritik an Werbung entspringt der ideologischen Einstellung, dass Wettbewerb und Konsum grundsätzlich etwas Schlechtes seien.»
Werden aber einzelne Werbekanäle verboten, sind gerade KMU gezwungen, ins Internet auszuweichen. Damit wandert die Werbung und deren Wertschöpfung einfach auf ausländische Onlineplattformen ab. Diesen Abfluss von Schweizer Werbegeldern gilt es zu verhindern, indem die Rahmenbedingungen für alle Werbemöglichkeiten aufrechterhalten und wo nötig sogar verbessert werden.
Das Verbot in der Stadt Bern soll für «kommerzielle» Werbung gelten. Kulturelle und politische Plakate dürften bleiben. Wie erklären Sie sich diese Doppel-moral?
Die Debatte ist sehr ideologisch aufgeladen und verzerrt. So fokussieren die Werbegegner ihre Argumente beispielsweise auf Grosskonzerne, statt den Werbemarkt genauer zu analysieren. Dass grosse Detailhändler logischerweise finanziell die grössten Werbeschaltungen tätigen, ist nachvollziehbar. Dass aber Schweizer KMU 63 Prozent des Kundenstamms der Aussenwerbung ausmachen, wird bequemerweise nicht erwähnt.
Das Argument zeigt auch, dass die Plakatfirmen bereits heute Dienstleistungen erbringen, indem sie kulturelle und politische Werbung oft kostenlos bereitstellen. Werbung soll aber nicht diskriminieren, sondern soll im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten fĂĽr alle Auftraggeberinnen und -geber zur VerfĂĽgung stehen.
Links-grüne Kreise kritisieren Werbung – vor allem, wenn sie in ihren Augen «kommerziell» ist. Weshalb ist diese Verteufelung falsch?
Die Kritik entspringt der ideologischen Einstellung, dass Wettbewerb und Konsum grundsätzlich etwas Schlechtes seien. Die Möglichkeit, Kundinnen und Kunden über neue Produkte oder Dienstleistungen zu informieren und sie in ihrer Kaufentscheidung zu unterstützen, sehe ich aber wirklich nicht negativ. Im Gegenteil: Damit trägt Werbung massgeblich zur Transparenz bei.
Das Stimmvolk hat vor etwa zwei Jahren die Initiative für ein Tabakwerbeverbot für Jugendliche angenommen. Das Parlament ringt seither mit der Umsetzung. Der Nationalrat hat unlängst eine entsprechende Vorlage für neue Tabakwerberegeln abgelehnt. Wie war Ihre Reaktion?
Die Initiative wurde vom Volk vor zwei Jahren angenommen und muss nun selbstverständlich so umgesetzt werden, wie es das Volk verlangt hat. Dass die Vorlage zum Jugendschutz nun aber zu einem kompletten Werbeverbot entgleist und Forderungen miteinbezieht, welche nichts mit der Werbung zu tun haben, ist bedenklich und nach meinem demokratischen und staatspolitischen Verständnis auch inakzeptabel.
Welche konkreten Punkte stören Sie an der derzeitigen Umsetzung der Initiative – und warum?
Die Initianten haben darauf bestanden, dass bei einer Annahme Werbung in Zeitungen, die mehrheitlich von Erwachsenen gelesen wird, weiterhin möglich bleibe. Nach den parlamentarischen Beratungen gab es da aber nun einen Richtungswechsel, wonach die Werbung plötzlich gänzlich verboten werden soll.
Die Verwaltung und das Parlament nahmen zudem weitere Punkte auf, die überhaupt nichts mit der Werbung zu tun haben. So beispielsweise das Verbot von Filtern oder die Forderung nach einer Deklarationspflicht von Umsätzen der Tabakunternehmen. Das war nicht Teil der Initiative und soll auch nicht Teil der Diskussion werden. Es geht nicht, dass ein Volksentscheid einfach nach persönlichem Belieben verändert und ergänzt wird. Das passt nicht zu unserem Staatssystem.
Wie mĂĽssten entsprechende Punkte der Vorlage verbessert werden?
Der Gesetzestext muss zurĂĽck auf die Forderungen des Volksentscheids fokussiert werden. Dieser ist zu respektieren. Tabakwerbung soll Kinder und Jugendliche nicht erreichen. Mit strikten Massnahmen fĂĽr den Jugendschutz kann es trotzdem noch erlaubt sein, Werbung zu schalten.
Wäre es von den Initianten des Volksbegehrens nicht ehrlicher gewesen, ein generelles Werbeverbot für Tabak zu fordern?
Es ist nicht nur mit dem Tabak so, sondern mit allen anderen Werbeverboten genau gleich. Das Produkt, das legal zu erwerben ist, kann nicht verboten werden, weil ein Verbot niemals akzeptiert würde. Also verbietet man die Werbung und nimmt den Konsumentinnen und Konsumenten die legitime Möglichkeit, sich vor dem Kauf angemessen über Produkte und Dienstleistungen zu informieren und auf Neuheiten aufmerksam gemacht zu werden. Diese Haltung, die ich als ideologisch bezeichne, finde ich falsch und inkorrekt.
Wie geht es mit der Umsetzung nun weiter?
Das Geschäft geht nun zurück in die vorberatende Kommission des Ständerats. Mit frühzeitiger Meinungsbildung werden wir uns dafür einsetzen, dass der Volkswille – und nur der Volkswille – umgesetzt wird.
Nicht nur die Werbung fĂĽr Tabakprodukte ist unter Druck. Der Bundesrat will das Lebensmittelgesetz revidieren. Was sind Ihre BefĂĽrchtungen im Rahmen dieser Revision mit Blick auf die Werbung?
Wir befürchten, dass Werbung zum Sündenbock für gesellschaftliche Herausforderungen gemacht wird. Und zwar ohne nachweisbare und wirkungsvolle Evidenz, dass Werbeverbote die Probleme lösen würden. Die Behörden verlieren das Vertrauen in die mündige Gesellschaft, die scheinbar eigene Entscheide nicht mehr treffen kann und Bevormundung braucht. Ich halte das für eine gefährliche und undemokratische Entwicklung, der wir, so gut es geht, einen Riegel schieben wollen. Wir hoffen da auf die Unterstützung möglichst vieler Parlamentarierinnen und Parlamentarier.
In einem Artikel in der «Bilanz» von Ende Januar hiess es, dass in Grossbritannien bereits heute gesetzlich geregelt ist, wo Supermärkte stark salz- oder zuckerhaltige Produkte platzieren «dürfen». In den Niederlanden wird gar ein Mindestalter von 18 Jahren für den Verkauf von Fast Food diskutiert. Halten Sie solche Produktverbote – im Zuge von Werbeverboten – auch in der Schweiz für realistisch?
Ich hoffe wirklich nicht, dass es auch bei uns in der Schweiz solche Zustände geben wird. Wer die Konsumentinnen und Konsumenten entmündigt, und darauf laufen alle diese Regulierungen hinaus, nimmt sie einfach nicht ernst. Ich möchte beim Einkaufen die Wahlfreiheit behalten und wünsche dieses Privileg auch allen anderen in unserem Land.
Wie wirken sich all diese Werbeeinschränkungen auf das Marketing von Firmen aus, insbesondere bei KMU?
Werbung verhält sich bekanntlich wie Wasser. Wird es hier gestaut, findet es einen anderen Weg. Werbeverbote werden Werbung nicht verhindern. In Zeiten internationaler Kommunikation gibt es genügend ausländische Plattformen, die solche Werbung noch so gern annehmen, ohne dann einen publizistischen Mehrwert zurückzugeben. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass gerade auch KMU bezahlbare Werbeplätze im Inland behalten können. Die KMU sind das Rückgrat der Schweizerischen Volkswirtschaft, und sie sollen weiterhin in der Schweiz werben dürfen und nicht auf ausländische Plattformen ausweichen müssen.
«Dass Schweizer KMU 63 Prozent des Kundenstamms der Aussenwerbung ausmachen, wird nicht erwähnt.»
Und welche finanziellen Auswirkungen haben solche Werbeverbote fĂĽr KMU?
Der Schaden ist schon heute enorm. Bereits mehr als die Hälfte des Werbegelds aus der Schweiz fliesst auf ausländische Plattformen – ohne Mehrwert in der Schweiz. Es ist dringend Zeit, dass wir diesen Abfluss stoppen und den schweizerischen Werbemarkt wieder stärken, seien dies die Agenturen, die Vermarkter und auch die Auftraggeber. Aus Gründen der Wirtschaftsfreiheit kämpfen wir von KS/CS gegen alle Werbeverbote, die nichts nützen und nur Schaden anrichten.
Interview: Rolf Hug
www.ks-cs.ch