Publiziert am: 19.04.2024

Der Nutri-Score muss weg

REGULIERUNGEN – Das Parlament hat eine Motion angenommen, wonach der Nutri-Score freiwillig bleiben soll. Welche Auswirkungen dieser Entscheid tatsächlich auf dieses unnötige Label hat, bleibt abzuwarten. Der sgv setzt sich weiterhin für den Abbau von Regulierungen ein.

Der Nationalrat hat in der Frühlingssession beschlossen, dass der Nutri-Score weiterhin freiwillig bleiben soll. Und folgte damit dem Ständerat. Das ist erst einmal eine gute Nachricht – zumindest vordergründig. Denn die negativen Seiten dieses Labels sind allseits bekannt. Es liefert eine völlig einseitige Sicht auf die Nährwertqualität von Lebensmitteln.

Der Schweizerische Gewerbeverband sgv hat sich seit Beginn vehement gegen den Nutri-Score ausgesprochen, und zigfach auf dessen zahlreiche Mängel hingewiesen – insbesondere darauf, dass die tatsächlich verzehrten Mengen bei der Produktebewertung überhaupt keine Rolle spielen. Denn der Nutri-Score berechnet die Nährwerte stets auf der Grundlage von 100 Gramm eines Produkts.

Dieser Ansatz führt zu paradoxen Ergebnissen: Ein und dasselbe Produkt kann, unabhängig von der verzehrten Menge, die gleiche Einstufung erhalten. Somit besteht die Gefahr, dass der Nutri-Score eine höhere Kalorienzufuhr begünstigt und damit – falls wörtlich genommen – die Ausgewogenheit der Ernährung gefährdet. Mehr noch: Da die Lebensmittelampel die Portionierung ausser Acht lässt, kann sie gar den Verzehr von negativen Nährstoffen wie gesättigten Fetten und Zucker in grösseren Mengen fördern.

Essgewohnheiten werden ignoriert

Darüber hinaus benachteiligt der Nutri-Score Produkte, die üblicherweise in kleinen Mengen verzehrt werden, wie zum Beispiel Käse. Der Verzehr einer kleineren Menge z. B. von Gruyère kann beispielsweise gesünder sein als der Verzehr einer grösseren Menge eines anderen Produkts. Auch wenn der Nutri-Score Letzteres besser einstuft.

Trotz dieser grundlegenden Kritik wird das Label auf Produkteverpackungen abgedruckt und bietet den Verbrauchern einen vereinfachten – aber trotzdem verfälschten – Hinweis auf die Nährwertqualität von Lebensmitteln. Dieser eindimensionale Ansatz ignoriert die Komplexität der Ernährung, der Lebensweise und berücksichtigt auch die individuellen Essgewohnheiten nicht.

Motion benennt Mängel

Für den sgv bleibt die bewährte Schweizer Lebensmittelpyramide das relevanteste Instrument, um die Konsumenten über eine ausgewogene Ernährung zu informieren. Im Gegensatz zum Nutri-Score berücksichtigt sie verschiedene Parameter wie Nachhaltigkeit, Produktionsmethode und Herkunft der Lebensmittel – und bietet so einen umfassenderen und nuancierteren Überblick über die Ernährungsqualität der Produkte.

Die langjährige Opposition des sgv gegen den Nutri-Score scheint endlich Wirkung zu entfalten. Das Label kommt nun auch seitens Gesetzgeber unter Druck. Nach dem Ständerat hat kürzlich auch der Nationalrat eine Motion angenommen, welche dessen problematischen Verwendung ein Ende setzen soll. Die von der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerats eingebrachte Motion mit dem Titel «Problematischen Einsatz von Nutri-Score unterbinden» weist auf die eklatanten Mängel der Lebensmittelampel hin, fordert die Aufdeckung ihrer schädlichen Auswirkungen auf den Markt und ruft zu rechtlichen Klärungen auf.

Ein Haken

Für die Befürworter der Motion scheint mit dem Ja im Nationalrat die Abschaffung des Nutri-Score nun eingeläutet. Trotz der offensichtlichen Ungereimtheiten und Mängel des Labels hat der sgv diese Motion jedoch nicht unterstützt. Denn das Ganze hat einen Haken: Der Motionstext hatte nämlich den Nachteil, dass er den Bundesrat aufforderte, die gesetzlichen Grundlagen für die Verwendung des Nutri-Score so zu definieren, dass seine problematischen Auswirkungen vermieden werden.

Der sgv wehrt sich jedoch gegen jedwede unnötige Ausweitung von Regulierungen, er setzt sich stattdessen für deren Abbau ein. Es ist schwierig abzuschätzen, wie die Verwaltung mit dieser Motion umgehen wird – insbesondere das regulierungswütige Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), welches in diesem Dossier federführend ist. Der sgv jedenfalls wird den Verlauf der «Motion Nutri-Score» genau beobachten, und fordert weiterhin die Abschaffung des Nutri-Score. Das Beispiel darf ganz einfach keine Schule machen.

Mikael Huber, Ressortleiter sgv

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