Publiziert am: 19.04.2024

Ja zur Armee – aber nicht so

«WEHRSTEUER» – Die Schweiz lebt über ihre Verhältnisse. Der desolate Zustand der Armee ist bloss ein wei­te­res Anzeichen für diese unhaltbaren Zustände. Doch neue Steuern sind mit Sicherheit das falsche Mittel, dies zu ändern.

Die «Produktion» von Sicherheit – und dazu gehört eine glaubwürdige Verteidigung – ist neben der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung die wichtigste Aufgabe eines Staates. Die Landesverteidigung ist unverzichtbar. Dies gilt auch für die Schweiz – und insbesondere für ihre Wirtschaft. Entsprechend ist es zu begrüssen, dass sich die Politik endlich ernsthaft mit diesem Thema befasst. Dennoch ist die vom Solothurner FDP-Nationalrat Simon Michel in die Diskussion gebrachte Idee einer «Wehrsteuer», die auf den 8,5 bis 9,5 Prozent der Unternehmensgewinne gezahlt werden soll, aus Sicht der KMU inakzeptabel.

FĂĽr einmal von rechts

Eine neue Steueridee, die ausnahmsweise von rechts kommt, will also einen Fonds zur Finanzierung der – tatsächlich dringend nötigen – Stärkung der Schweizer Landesverteidigung schaffen. Nicht, dass es etwas Neues wäre, neue Steuern zu fordern. Dass neue Steuern «nur» Unternehmen betreffen sollen, ist auch nicht neu. Und schon gar nicht neu ist, dass eine solche «befristete» Steuer vorläufig nur für ein Jahrzehnt gelten soll. Selig wird, wer solches glaubt ...

Was aus dem Üblichen heraussticht, ist der Urheber dieses Vorschlags: Michels Unternehmen ist eine der weltweit führenden Firmen in der Entwicklung und Herstellung von Insulininjektions- und Infusionssystemen zur Bewältigung des Diabetesproblems. Das Geschäft läuft sehr gut; mit der Alterung der Bevölkerung und dem zunehmenden Analphabetismus in Sachen Ernährung ist nicht nur Diabetes auf dem Vormarsch. Ypsomed auch.

Simon Michel ist Mitglied des Verwaltungsrats und CEO von Ypsomed, dazu ist er Mitglied im Vorstandsausschuss von Economiesuisse. Verdankenswerterweise engagiert er sich als Major in der Armee fĂĽr die Schweiz. Er wird also wissen, in welch desolatem Zustand sich die AusrĂĽstung unserer Armee befindet.

Ein chancenloser Vorschlag

Michels Vorschlag ist dennoch abzulehnen. Es geht nicht an, dass Unternehmen allein die Sicherheit der Schweiz finanzieren sollen. So viel ist klar.

Interessanter ist es zu analysieren, warum ein derartiger Vorschlag überhaupt eingebracht wird. Abgesehen von der im Vergleich zu seinem Unternehmen völlig unterschiedlichen finanziellen Lage der Armee stellte Michel lediglich fest, dass es ein Problem der Quadratur des Kreises gibt. Auf der einen Seite muss die veraltete Ausrüstung der Armee erneuert werden. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine findet nicht am anderen Ende der Welt statt. Es ist ein brutaler Konflikt mitten in Europa.

Auf der anderen Seite ist es offensichtlich, dass eine Steuererhöhung keine Chance hat, die Mehrheit des Volkes und der Kantone zu überzeugen. Hinzu kommt, dass das Parlament bekanntlich nicht wirklich sparen will, sondern es immer wieder bloss bei kleinen «Massnahmen» für die Galerie bleibt.

Kommt dazu: Zwei Drittel der Ausgaben sind ohnehin gebunden, d. h. sie sind gesetzlich verankert, was bedeutet, dass jede Änderung eine Volksabstimmung erfordert. Doch angesichts der Dringlichkeit der Situation – und der Annahme, dass grosse Unternehmen seit der Steuerreform 2019 über geldwerte Vorteile verfügen –, sind solche Überlegungen nicht wirklich überraschend.

Mehr finanzielle ZurĂĽckhaltung

Der Schweizerische Gewerbeverband sgv unterstützt eine Stärkung der Verteidigungsfähigkeit der Schweiz voll und ganz. Aber laut der sgv-Strategie – die Richtschnur allen Handelns des grössten Wirtschaftsdachverbands der Schweiz überhaupt – dürfen den KMU nicht noch mehr Steuern aufgebürdet werden. Hier gibt es keinen Spielraum.

Der sgv kritisiert seit Langem die dilettantische Ressourcenallokation des Bundes. Die Verschuldung wächst immer weiter, und es werden immer mehr Kosten verursacht, insbesondere auch durch den Schuldendienst. Eine strenge Kontrolle der Ausgabenpolitik muss im Bundesrat und vor allem im Parlament deshalb zwingend an erster Stelle stehen.

Der sgv fordert zusammen mit den anderen grossen Wirtschaftsverbänden, die Schuldenbremse beizubehalten, die Delegation von Aufgaben an die Kantone und Gemeinden zu respektieren, bei den nicht-essenziellen Ausgaben zu sparen und sich endlich an die Aufgabe zu machen, die gebundenen Ausgaben anzupassen, um dort Obergrenzen im Verhältnis zum Budget zu verankern.

Die Zukunft wird zeigen, ob die politischen Entscheidungsträger Ohren haben, um zu hören: Die Schweiz lebt über ihre Verhältnisse! Der desolate Zustand der Armee ist bloss ein weiteres Anzeichen für diese unhaltbaren Zustände – die zu lösen neue Steuern mit Sicherheit das falsche Mittel sind.

Mikael Huber, Ressortleiter sgv

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