Publiziert am: 05.04.2024

«Wir entwickeln uns zur Biernation»

SCHWEIZER BRAUEREI-VERBAND – Die Braubranche hat sich nach Covid wieder erholt. Doch die aktuelle finanzielle Lage und eine veränderte Stammtischkultur haben einen Einfluss auf den Bierkonsum. Der Verband begegnet diesen Herausforderungen mit einer starken Berufsausbildung, einer gelebten Bierkultur, Events und einer aussergewöhnlichen Biervielfalt.

Herr und Frau Schweizer trinken rund 54 Liter pro Kopf und Jahr. «Der langjährige Trend zeigt leider nach unten», konstatiert Marcel Kreber, Direktor des Schweizer Brauerei-Verbandes SBV. Rund 50 bis 60 Brauereien in der Schweiz brauen über 1000 Hektoliter Bier pro Jahr. Diese Brauereien stehen für rund 98 Prozent der Schweizer Bierproduktion. Ein Prozent der inländischen Bierproduktion wird exportiert, der Import liegt bei 21 Prozent.

«Wir entdecken das Bier nicht nur als Durstlöscher, sondern auch als Essensbegleiter und Kulturgut.»

Mit dem Ende des Bierkartells 1991 folgte eine Zeit der Neuorientierung. Ab 2008 setzte dann eine Dynamik ein: Neue (alte) Biere wie India Pale Ale (IPA), Porter, Stout, Geuze etc. wurden wiederentdeckt. Brauereigründungen erlebten einen Boom. Verzeichnete die Schweiz 1990 noch 32 Brauereien, sind es heute rund 1200. «Allerdings hat der Boom in den letzten vier Jahren etwas nachgelassen. Gestiegene Energie- und Rohstoffpreise, Fachkräftemangel sowie eine schwächelnde Gastronomie als wichtiger Absatzkanal belasten die Brauereien», stellt Kreber fest.

Ein wichtiger Grund für den Brauereigründungsboom der letzten Jahre ist die liberale Gesetzgebung. «Wer in der Schweiz Bier braut, ist grundsätzlich steuerpflichtig. Eine Ausnahme bildet das Brauen für den Eigenkonsum, welcher auf 400 Liter (4 Hektoliter) pro Jahr begrenzt ist», so Kreber. Wird mehr gebraut oder das Bier verkauft, setzt automatisch die Steuerpflicht ein, mit der Konsequenz, dass die Brauerei – und mag sie noch so klein sein – im Verzeichnis der steuerpflichtigen Inlandbrauereien geführt wird. Somit finden sich auf der Liste der registrierten Brauereien auf der einen Seite die grossen Namen der Braubranche und auf der anderen Seite die Kleinstbrauereien aus dem Nachbardorf.

Gelebte und innovative Bierkultur

«Die Schweiz entwickelt sich zu einer Biernation. Die letzten 20 Jahre haben wir alle eine riesige Entwicklung durchgemacht. Wir entdecken das Bier nicht nur als Durstlöscher, sondern auch als Essensbegleiter und Kulturgut», sagt Kreber. Die Bierkultur wird gelebt. Der Tag des Schweizer Bieres – dieses Jahr am 26. April –, der Swiss Beer Award (vgl. Kasten), der Bierorden «ad gloriam cerevisae», das Ausbildungsangebot zum Schweizer Bier-Sommelier, etc. sind alles Initiativen des Schweizer Brauerei-Verbandes, um das Image des Bieres in der Bevölkerung zu fördern und das Bierbrauen als jahrtausendealtes Kulturgut zu verankern. «Die Brauereien sind sehr innovativ unterwegs, wie beispielsweise die Rekordteilnahme am Swiss Beer Award 2024 zeigt, wo 550 Biere der Jury zur Beurteilung eingereicht wurden – und dies in über 40 Kategorien. Grundsätzlich gehen wir von gesamthaft rund 140 bis 150 verschiedenen Biersorten aus», sagt Kreber. In aller Munde ist in den vergangenen Jahren das India Pale Ale (IPA). Aber auch Sauerbiere werden immer wieder als Geheimtipp gehandelt. Fakt ist aber, dass das Lagerbier oder das Schweizer Spezialbier nach wie vor die beliebtesten Biersorten sind. Sie stehen für rund 80 Prozent des in der Schweiz genossenen Bieres. Auch international ist momentan das Helle wieder stark gefragt. Einen grossen Stellenwert hat alkoholfreies Bier: «Der Anteil am Gesamtmarkt wächst seit einiger Zeit kontinuierlich. Aktuell sind es gegen sieben Prozent.»

Innovative Förderung des Nachwuchses

Die Ausbildung zum/zur Bierbrauer/-in und die Förderung des Nachwuchses ist ein Schwerpunkt des Verbandes. Der Beruf des/der Lebensmitteltechnologen/-in Schwerpunkt Bier EFZ – ab 2025 lautet die Berufsbezeichnung Brau- und Getränke-technologe/-in EFZ – ist gefragt. Gemäss Kreber ist allerdings die Herausforderung, die Lehre den Schülern und deren Eltern auch bekannt zu machen. «Vielfach wissen noch viel zu wenige Lehrpersonen, Jugendliche, aber auch Eltern um die Möglichkeit der Brauerlehre. Hier müssen wir ansetzen.» Der Verband ist indessen sehr aktiv in der Aus- und Weiterbildung. So koordiniert er im Rahmen der Ausbildung die Lernorte, informiert Schüler in Schulmagazinen über die Brauerlehre und setzt bei der Nachwuchsre-krutierung auch auf Social-Media-Aktivitäten. «Wir fordern unsere Lernenden heraus, in dem die Klasse des dritten Lehrjahrs die Aufgabe erhält, ein Bier zum Tag des Schweizer Bieres zu brauen. Das heisst, die Rezeptur entwirft, das Bier braut und abfüllt», so Kreber. Und er ergänzt: «Die angehenden Bierbrauer/-innen sind die Zukunft unserer Branche. An ihnen ist es auch, das Wissen über das Brauhandwerk weiterzugeben.» Jedes Jahr bietet der SBV zudem den ausgebildeten Bierbrauern/-innen der Mitgliedsbrauereien Weiterbildungskurse an, sei es in der Automation, Arbeitssicherheit etc.

«Wir lehnen jegliche Eingriffe in die Wirtschafts-freiheit ab.»

Aber auch den Bier-Sommeliers und -Sommelièren kommt eine grosse Bedeutung zu. «Sie sind unsere Bierbotschafter. Wir starteten die Ausbildung zusammen mit GastroSuisse 2011.» Seither wurden über 800 Bier-Sommeliers/-ièren berufsbegleitend ausgebildet. Mit ihren Kenntnissen über das Brauen, die Bierkultur, Sensorik und Marketing beraten sie nicht nur Gäste, sondern auch Gastronomen, wenn es um die Zusammenstellung einer Bierkarte oder das Kombinieren von Speisen mit ausgewählten Bieren geht.

Der bald 150-jährige Verband ist auch auf politischer Ebene aktiv. Dabei geht es, sich für die unternehmerische Freiheit einzusetzen. Alkoholhaltiges Bier ist ein Genussmittel, welches bewusst und verantwortungsvoll konsumiert werden soll. Immer wieder werden aber Töne laut, welche die Werbemöglichkeiten beschränken wollen. Daneben wird bisweilen auch ein Mindestpreis für alkoholhaltige Getränke gefordert. «Wir lehnen solche Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit klar ab», bringt es der SBV-Direktor auf den Punkt. Mit den gestiegenen Energie-, Rohstoff- und Beschaffungspreisen sowie dem Fachkräftemangel weht ein bissiger Wind in der Branche. Die getrübte Konsumentenstimmung, das veränderte Konsum- und Ausgangsverhalten und das Verschwinden der Stammtischkultur sind weitere Herausforderungen. Doch die Zukunftsaussichten der Branche sind trotz einiger Hürden gross. «Vor allem im Bereich der alkoholfreien Biere liegt noch viel Potenzial.»

Corinne Remund

www.bier.swiss

DAS MACHT DER SBV

Die schweizerischen Bierbrauer erkannten in den 1870er-Jahren die Zunahme der Bierimporte als Bedrohung für die Weiterentwicklung ihrer Branche. Deshalb gründeten sie 1877 den Schweizer Brauerei-Verband SBV und legten statutarisch die gemeinschaftliche Wahrung der gewerblichen Interessen, den Erfahrungsaustausch sowie die Organisation und Weiterverbreitung wissenschaftlicher Vorträge fest. Hauptaufgabe des SBV ist die Förderung der beruflichen und wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder, aber auch die Rationalisierung im Braugewerbe durch Normierungen, Forschungen und Erfahrungsaustausch. Der Verband hat 38 Mitglieder mit je einer Mindestproduktionsmenge von je 1000 Hektoliter. In der Branche arbeiten rund 3000 Beschäftigte direkt und circa 50 000 indirekt. Sie generiert rund eine Milliarde Franken.

CR

SWISS BEER AWARD 2024

An der Award-Night vom 18. April 2024 im Trafo in Baden werden die Gold-, Silber- und Bronze-Labels den erfolgreichen Brauereien überreicht. Insgesamt wurden 550 verschiedene Biere der Jury zur Beurteilung eingereicht. Dazu Marcel Kreber, SBV-Direktor: «Beim Swiss Beer Award handelt es sich um eine nationale Prämierung von Bieren verschiedenster Stile, welche von Brauereien in der Schweiz oder Liechtenstein gebraut werden.» Der Swiss Beer Award hat zum Ziel, die schweizerische Braulandschaft mit ihrer immensen Biervielfalt und Qualität der breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. «Mit knapp 1200 offiziellen Braustätten kann die Schweiz zu Recht als Brau- und Bierparadies bezeichnet werden», freut sich Kreber. In Zusammenarbeit mit der Labor Veritas AG und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) sowie ausgewiesenen Bier-Sommeliers und -Sensorikern werden die Biere nach strengen Beurteilungskriterien labortechnisch untersucht und sensorisch bewertet.

Der Swiss Beer Award ist breit abgestĂĽtzt. Im Steuerungsausschuss sind folgende Organisationen vertreten:

• Schweizer Brauerei-Verband, www.bier.swiss

• Die freien Schweizer Brauereien, www.schweizer-brauereien.ch

• Schweizerische Braumeistervereinigung, www.braumeistervereinigung.ch

• Gesellschaft zur Förderung der Bierkultur, www.bierkultur.org

• Bio Suisse, www.bio-suisse.ch

• Labor Veritas AG, www.laborveritas.ch

• Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, www.zhaw.ch

www.swissbeeraward.ch

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