Publiziert am: 24.05.2024

«Bürokratie bändigen!»

THOMAS BURGHERR – Der Aargauer SVP-Nationalrat will mit einer Motion die Zahl der ausserparlamentarischen Verwaltungskommissionen reduzieren. Es brauche eine Entschlackung und Klärung der Rollen.

Schweizerische Gewerbezeitung: Sie fordern mit einer Motion eine deutliche Reduktion der ausserparlamentarischen Verwaltungskommissionen. Kürzlich hat der Nationalrat dieser zugestimmt. Hat Sie die Annahme überrascht?

Thomas Burgherr: Tatsächlich wurden frühere Vorstösse in diese Richtung abgelehnt. Es hat sich jedoch in den letzten Jahren unterschiedliche Kritik kumuliert, was nun zu diesem Resultat geführt hat. Nutzen und Zusammensetzung unterschiedlicher Kommissionen stehen zur Debatte.

«Das direkte Einsparpotenzial liegt im einstelligen bis niedrigen zweistelligen Millionenbereich.»

Welche dieser Kommissionen sind unverzichtbar?

Das soll genau der Bundesrat entscheiden. Jene Kommissionen, die gemäss dem Milizprinzip einen Nutzen bringen für den Bundesrat und die Verwaltung sowie einen klaren rechtlichen Auftrag haben, können weiter bestehen.

Und welche sollten in Ihren Augen ganz abgeschafft oder zumindest reduziert werden?

Es gibt solche Kommissionen, die nie, nur selten oder nur deshalb tagen, weil es sie gibt. Zudem soll es Kommissionen geben, die keine Leistungen zuhanden des Bundesrates und der Bundesverwaltung erbringen oder sogar solche, die zwar Leistungen erbringen, für die jedoch kein Bedürfnis in der Bundesverwaltung besteht. Das ist unnötige Bürokratie.

Von einigen Kommissionen hört man kaum je etwas. Andere gebärden sich wie Lobbyorganisationen, zum Beispiel die Eidgenössische Kommission für Familienfragen (EKFF). Diese trommelt laut und öffentlichkeitswirksam unter anderem für eine Elternzeit von 38 Wochen. Gehört das tatsächlich zu deren Auftrag?

Das war eine Kritik von vielen, die sich in den letzten Jahren gemehrt haben. Teilweise sind Aufträge und rechtliche Grundlagen nicht klar, und es gibt eine Verselbstständigung der Aktivitäten. Da müssen wir jetzt aufräumen.

Bringen diese Kommissionen überhaupt etwas, oder führen sie vor allem zu mehr Aufwand – und im schlimmsten Fall zu vielen neuen Regulierungen, insbesondere für KMU?

Die Grundidee ist gut. Es wären Milizorgane, die dem Bundesrat in Bereichen, in denen der Verwaltung die Expertise oder das Praxiswissen fehlt, strategisch zur Seite stehen sollten, damit die Verwaltung nicht wächst und der Bundesrat noch ein konstruktives Korrektiv hat. Da diese Funktion teilweise ins Gegenteil verkehrt wurde, braucht es jetzt eine Entschlackung und Klärung der Rollen.

«es gibt eine Verselbstständigung der Aktivitäten. Da müssen wir jetzt aufräumen.»

Diese Kommissionen kosten den Bund, also den Steuerzahler, auch viel Geld. 2016 und 2017 lagen die jährlichen Ausgaben allein für die Eidgenössische Medienkommission (EMEK) bei durchschnittlich über 330 000 Franken. Das zeigte eine Interpellation von sgv-Präsident Fabio Regazzi im Parlament. Wie hoch schätzen Sie das Einsparpotenzial bei einer Umsetzung Ihres Vorstosses?

Die Finanzen waren kein Hauptgrund für meinen Vorstoss. Das direkte Einsparpotenzial liegt im einstelligen bis niedrigen zweistelligen Millionenbereich. Das ist auf das gesamte Bundesbudget nicht viel, aber dennoch ein Schritt in Richtung Verschlankung und Vereinfachung. Mein Ziel ist es, dass wir Missstände aufdecken und verhindern können. Wir müssen die Bürokratie bändigen.

«Der Bund hat Primär beim Asylwesen und der Entwicklungshilfe Sparpotenzial.»

Immerhin 71 Nationalräte stimmten gegen Ihre Motion. Welche Chancen räumen Sie Ihrem Anliegen im Ständerat ein?

Im Ständerat erwarte ich eine sachliche Debatte, die die verschiedenen Aspekte wie Einsparpotenzial, Vereinfachung und Entschlackung von Bürokratie sowie Missstände im Bereich der Rekrutierung von Kommissionsmitgliedern berücksichtigt. Es ist aber auch denkbar, dass das Lobbying der unterschiedlichen gefährdeten Kommissionen hineinspielt und somit alles beim Alten bleiben könnte. Ich hoffe aber auf einen bürgerlichen Schulterschluss wie im Nationalrat.

Diese ausserparlamentarischen Kommissionen passen ins Bild von Bundesbern. Die Verwaltung bezahlt überdurchschnittliche Löhne, und sie wächst überproportional. Welche konkreten Massnahmen oder Vorstösse braucht es, damit dieser Teufelskreis durchbrochen werden kann?

Da braucht es einen Strauss an Massnahmen: Bremsmechanismen beim Personal und Budget, Lohnanpassungen nach unten an die Privatwirtschaft, Vereinfachung von Gesetzen und Regulierungen sowie auch mehr personeller Austausch zwischen Verwaltung und Wirtschaft. Letztendlich braucht es aber Mehrheiten im Parlament, weil dort der Riegel geschoben werden muss. Somit braucht es eine starke bürgerliche Allianz.

«Die FinanZierung der 13. AHV-Rente über Lohnprozente macht unseren Unternehmensstandort Schweiz unattraktiv.»

Der Bund hat ein Ausgabenproblem, und sein Haushalt ist massiv in Schieflage. Wo kann er – realistischerweise – am ehesten sparen?

Primär beim Asylwesen und der Entwicklungshilfe. Ich sehe auch Sparpotenzial bei den Hochschulen, wenn diese ihre sehr tiefen Studiengebühren nach oben anpassen würden, insbesondere auch für ausländische Studenten. Auch eine höhere Kostendeckung im öffentlichen Verkehr wäre eine wirksame Massnahme, um den Bundeshaushalt zu entlasten. Im Bereich Kultur und Standortförderung gibt es ebenfalls Sparpotenzial.

Hohe Mehrkosten generiert die 13. AHV-Rente. Sie sind Unternehmer: Weshalb ist deren Finanzierung über Lohnprozente eine schlechte Idee?

Das trifft Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermassen. Es verhindert Investitionen und Innovation, wenn immer mehr Lohnnebenkosten unseren Wohlstand belasten. Es macht unseren Unternehmensstandort Schweiz unattraktiv.

Zum Schluss: Die Schuldenbremse ist einmal mehr unter massivem Beschuss – Stichwort Armee-Ukraine-Deal. Eine Mitte-Links-Allianz will hierfür 15 Milliarden Franken an ihr vorbeischmuggeln. Weshalb ist die Aushebelung der Schuldenbremse eine schlechte Idee?

Die Aushebelung der Schuldenbremse wäre ein Sündenfall und ein Präjudiz für allerhand andere Begehrlichkeiten. Die Schuldenbremse gewährleistet zudem finanzpolitischen Handlungsspielraum für Krisenzeiten. Das Geld für die Verteidigung müssen wir durch Sparmassnahmen in Bereichen freimachen, die in den letzten Jahrzehnten wegen der Friedensdividende überproportional wachsen konnten. Da gibt es viel Potenzial!

Interview: Rolf Hug

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