Publiziert am: 24.05.2024

Die Meinung

Wo bleibt der finanzpolitische Kompass?

400 Milliarden statt 120 Milliarden Franken – so hoch wäre der Schuldenberg der Schweiz ohne Schuldenbremse. Statt dieses bewährte Instrument über Bord zu werfen, muss die Schweiz wieder lernen zu sparen. Sonst zahlen die nächsten Generationen die Zeche.

Eine Mitte-Links-Allianz in der sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats will zehn Milliarden Franken für die Armee und fünf Milliarden Franken für die Ukraine-Hilfe ausgeben. Beides soll zu einem Paket geschnürt und an der Schuldenbremse vorbeigeschleust werden. Dieses Vorgehen würde aber die demokratischpolitisch wichtige Einheit der Materie verletzen, und mit der Schuldenbremse ein Erfolgsrezept der Schweizer Finanzpolitik unterminieren. Dieser unheilige Kuhhandel rüttelt an zentralen Errungenschaften der Schweiz und gefährdet letztlich das Vertrauen in die Politik.

In der Sache ist es klar: Ausnahmen von der Schuldenbremse sind nur in ausserordentlichen Fällen möglich, nicht aber bei einer Intensivierung der Erfüllung staatlicher Aufgaben. Vorausgesetzt werden aussergewöhnliche und vom Bund nicht steuerbare Entwicklungen. Diese Anforderungen an ausserordentliche Ausgaben sind weder für ein stärkeres Wachstum der Armeeausgaben noch für einen Bundesbeitrag an den Wiederaufbau der Ukraine erfüllt. Der Mitte-Links-Vorschlag dürfte im Parlament denn auch kaum mehrheitsfähig sein.

Statt die Schuldenbremse zu lösen, sollte das Parlament wieder lernen zu sparen und Prioritäten im Budget zu setzen. Wer mehr Geld für humanitäre Hilfe in einem bestimmten Land ausgeben will, muss eben auch aufzeigen, wo er dieses Geld an anderer Stelle hereinholen resp. einsparen will. Das heisst: Die Politik muss ihre Arbeit machen und die richtigen Schwerpunkte setzen. Der Umstand, dass die Armee heute zu wenig Geld hat, ist das Resultat von fehlenden oder zumindest falschen politischen Priorisierungen der Ausgaben. In den vergangenen Jahren sind die öffentlichen Ausgaben in der Schweiz stark gestiegen. Aber die Politik hat es vernachlässigt, die Ausgaben so zu lenken, dass für eine der wichtigsten Aufgaben eines Staats überhaupt – für die Landesverteidigung – genügend Geld vorhanden ist.

Das Parlament muss jetzt das bislang Versäumte an die Hand nehmen. Geld auszugeben, das man nicht hat, wäre hingegen unehrlich – vor allem gegenüber den künftigen Generationen. Denn die Schulden von heute sind die Steuern von morgen.

Der renommierte Luzerner Ökonom Prof. Dr. Christoph Schaltegger plädiert unter Verweis auf Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung dafür, zur Stabilisierung der Finanzen nicht bei den Einnahmen, sondern bei den Ausgaben anzusetzen. Denn wenn der Staat über Steuererhöhungen zu mehr Geld kommt, wird die Spirale von immer neuen Ansprüchen nur weiterdrehen. Eine Politik der Ausgabenkürzungen wird demgegenüber als ambitioniert wahrgenommen. Damit steigt das Vertrauen, das nötig ist, um den Konsum und private Investitionen zu fördern. Für die bürgerlichen Kräfte im Parlament bedeutet dies: Nicht den Weg des geringsten Widerstands gehen, sondern den finanzpolitischen Kompass in die Hand nehmen, voranschreiten und die Arbeit erledigen, die nötig ist, um die finanzpolitischen Weichen richtig zu stellen.

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