Publiziert am: 24.05.2024

Die Jungen brauchen eine Wohlstandsperspektive

Ich kann mich gut ans Jahr 1992 erinnern. Lehre fertig, Rekrutenschule gemacht, zu Hause ausgezogen und seit zwei Jahren Vollzeit arbeitstätig als Elektroplaner. Mein Lohn betrug damals 3400 Franken pro Monat.

Meinen Jugendtraum als Profifussballer hatte ich begraben, und auch an der E-Gitarre musste ich feststellen, dass andere besser sind.

Ich war mit 23 durchaus etwas orientierungslos. Was sollte ich machen? Reisen? Eine Weiterbildung? Eine Familie gründen? Ein Eigenheim kaufen? Ich entschied mich nach Jahren des Sparens zunächst mal fürs Reisen, ein Eigenheim schien bei damals sieben Prozent Hypozins sowieso niemals finanzierbar.

Als ich dann 1994 von meiner sechsmonatigen Reise heimkehrte, kam mein Chef und Lehrmeister nur Tage vorher bei einem tragischen Helikopterabsturz ums Leben. Ein Ereignis, das mich geprägt hat. Bis heute.

Ich übernahm auf Anfrage der Erben zusammen mit einem Kollegen das Elektroplanungsbüro. Es waren harte Zeiten und ein riesiger Bruch mit meinem jugendlichen Leben davor: Wir mussten viel investieren und hatten wenig Aufträge.Die Folge waren Schulden und Personalabbau. Zeitweise waren nur noch mein Geschäftspartner, ein Lernender und ich im Team. Und ich konnte mir einen Lohn von 3500 Franken pro Monat auszahlen – mit Teuerung nicht mehr, als ich als Lehrabgänger vor meiner Weltreise hatte. Jetzt aber mit viel mehr Verantwortung und Risiko.

30 Jahre später bin ich an einem ganz anderen Ort. Unsere Firma hat 45 Angestellte und hat sich im Markt eta-bliert. Wir haben treue Kunden und zwei Tochterfirmen, alles gemeinsam im Team aufgebaut. Mit meiner Familie wohne ich in einer eigenen Wohnung.

Dass das so gekommen ist, hat sicher auch mit Zufall und Glück zu tun. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz und die hohe politische Stabilität waren sicherlich mitentscheidend. Ganz ohne Anstrengung war das aber nicht möglich. Bewusst oder unbewusst habe ich immer an das liberale Erfolgsmodell Schweiz geglaubt und es gelebt: In unserem Staat zahlt sich Leistung aus. Oder anders gesagt, es gibt eine Art «Wohlstandsversprechen», welches funktioniert. Gilt das heute auch noch?

Welche Perspektiven hat die Generation Z?

Meine drei inzwischen erwachsenen Kinder gehören zur viel diskutierten Generation Z. Und ja, ich habe mich immer wieder mal aufgeregt um die ständige Diskussion über die Work-Life-Balance – wobei es oft vor allem um das Life geht. Ich kann nicht immer alles nachvollziehen. Ich muss aber auch eingestehen, dass ich dem Möchtegern-Fussballprofi auf Weltreise, der ich in dem Alter war, wohl auch etwas ins Gewissen geredet hätte.

Statt zu poltern will ich mich als Unternehmer und Politiker deshalb selbst in die Pflicht nehmen. Es ist unsere Aufgabe, das liberale Erfolgsmodell Schweiz zu bewahren und wieder ein glaubwürdiges Wohlstandsversprechen für unsere Kinder und Grosskinder zu ermöglichen. Es soll sich lohnen, sich zu engagieren und auch schwierige oder herausfordernde Situationen eigenständig zu meistern, ohne gleich nach dem Staat zu rufen. Moderne Technologien und gesellschaftliche Entwicklungen sind die Treiber von Fortschritt. Die Politik muss diese als Chance erkennen und in der Schweiz die bestmöglichen Rahmenbedingungen für Innovation schaffen. Damit schaffen wir auch für die künftigen Generationen ein Wohlstandsversprechen. Ein Eigenheim zum Beispiel muss für eine Familie auch ohne Erbschaft durch eigene Leistung erschwinglich sein.

Wenn uns all das gelingt, wird sich auch die junge Generation hinter den liberalen Schweizer Weg stellen. Wenn uns das jedoch nicht gelingt, wird ihre Antwort die Zustimmung zu immer mehr Umverteilung und Regulierung sein.

Eine pfannenfertige Lösung zum Erhalt des Erfolgsmodells Schweiz gibt es nicht. Viel mehr müssen wir jedes politische Geschäft an diesen Grundsätzen messen – und sie auch in der Wirtschaft aktiv leben. Gerade Gewerbe und KMU haben hier eine Schlüsselrolle.

*Unternehmer und Nationalrat Jürg Grossen ist Präsident der GLP Schweiz, Präsident Swissolar und Swiss eMobility

www.grunliberale.ch

www.juerg-grossen.ch

Meist Gelesen