Rückblende: Vor ein paar Jahren reiste ein grüner Kantonsrat und Arzt nach Bern ins Bundeshaus, um für eine Zuckersteuer zu lobbyieren. Dass er dafür keine Mehrheit fand, überraschte niemanden. Eine Zuckersteuer war noch nie mehrheitsfähig. Dennoch: Der journalistische Mainstream witterte eine grosse Verschwörung. So widmete ein Sonntagsmedium der Reise des grünen Politikers nach Bundesbern einen grossen Artikel mit dem reisserischen Titel «Der Zuckerkrieg». In dieser Geschichte trifft der gute, als etwas naiv beschriebene Held auf seinen bösen, mächtigen Gegner. Und wie in einer klassenkämpferischen Kindergeschichte war in der Zeitung zu lesen: «Die Gegner sind Firmen (…). Ihr Einfluss auf die Politik ist riesig. Die Geschichte vom Arzt und seinem Kampf gegen den Zucker ist deshalb auch ein Lehrstück über die Machtverhältnisse und ihre Mechanismen in unserem Land.»
Thesenjournalismuswar einmal verpönt. Heute reden Journalisten stolz über solche «Geschichten». «Guter Idealist gegen mächtige Unternehmen» verkauft sich halt besser als ergebnisoffene Recherche. Deshalb interessierte sich auch niemand für die Fortsetzung der Geschichte: Der grüne Politiker ist heute Kantonsarzt – eine der mächtigsten Funktionen in der Gesundheitspolitik überhaupt.
Gut gegen Böse: Der grüne Politiker war ein Lobbyist. Das ist legitim. Im Zeitungsartikel wurde er aber in keinem Satz als solcher bezeichnet. Einzig die Lebensmittelindustrie wurde als «Lobby» bezeichnet. Nur die Interessenvertreter der Unternehmen als «Lobbyisten» zu bezeichnen, nicht aber ihre Gegenspieler, ist ein bekanntes Muster selbst ernannter Gralshüter der politischen Moral.
Ein weiteres Beispiel ist Lobbywatch, die sich als «unabhängige journalistische Plattform» versteht. Auf der Website veröffentlicht sie Anlässe, die während den Sessionen der Eidg. Räte stattfinden – vor allem Anlässe von Wirtschaftsverbänden. Nicht aufgeführt ist (letztmals abgerufen am 3.6.2024) aber zum Beispiel ein von der «Koalition für Konzernverantwortung» organisierter Anlass vom 13. Juni. Dort tritt ein ausländischer Lobbyist auf, der bei unseren Parlamentariern für ein EU-Regulierungsmonster namens «Corporate Sustainability Due Diligence Directive» (CSDDD) wirbt – eine Regulierung, die KMU massive Bürokratiekosten bringt. Aber offenbar weibelt diese Parlamentarierveranstaltung in den Augen der «Lobbywatcher» für eine gute Sache – deshalb kein Lobbying. Lobbyisten sind nur diejenigen, die sich gegen die grassierende Regulierung wehren. So simpel ist das.
Ausblick: Der Bund hat kürzlich neue Werbeverbote und Regulierungen für Lebensmittel sowie Vorgaben zur Salzreduktion angekündigt. Die Moralhüter unter den Medien bringen sich bereits in Stellung: Wer wird die Frechheit haben, sich mit demokratischen Mitteln dagegen zu wehren? Im oben erwähnten Zeitungsartikel wurden die Gegner der Zuckersteuer aufs Massivste diskreditiert. So hiess es, ihre «Spezialität» sei es, «Zweifel zu säen», und sie würden einen «beliebten Trick» anwenden, indem sie die Gegner «lächerlich» machten.
Tatsächlich sind es aber linkslastige Journalisten, welche problematische Methoden anwenden. Indem sie nämlich jeden Fürsprecher der unternehmerischen Freiheit medial schlecht machen. Wer es in der Politik mit selbstgerechten Moralaposteln aufnimmt, muss sich warm anziehen.