Publiziert am: 05.07.2024

Zum Sparen der falsche Ort

ALV-KASSE – Der Bund gibt mehr aus, als er einnimmt, und muss deshalb sparen. Das ist richtig. Nicht richtig ist, dies bei seinen Beiträgen an die Arbeitslosenkasse zu tun.

Eine Massnahme ist eine Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG), die den Bundeshaushalt in den kommenden Jahren um insgesamt 1,25 Milliarden entlasten soll. Der Bundesrat argumentiert, dass diese Kürzung ohne leistungsseitige Anpassungen umsetzbar sei, weil die Arbeitslosenversicherung (ALV) über genügend Eigenkapital verfüge. Die gesamte Kürzung von 1,25 Milliarden Franken soll frei auf die Jahre 2025–2029 verteilt werden können – eine Variante, die flexibler ist als der Antrag, den der Bundesrat seinerzeit in die Vernehmlassung geschickt hat.

Für den Voranschlag 2025 sieht der Bundesrat eine vollständige Kürzung des Bundesbeitrags an die ALV und damit eine Entlastung um knapp 600 Millionen vor. Der Nationalrat hat dieser Kürzung in der Sommersession zugestimmt. Jetzt ist der Ständerat am Zug.

Keine Entlastung der Arbeitgeber

Streng genommen gehören die Reserven der ALV den Versicherten. Zudem wird mit der Vorlage eine Reduktion der Beiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber verzögert. Vor allem die Reduktion der Beiträge für Arbeitgeber war eines der Argumente, weshalb der Schweizerische Gewerbeverband sgv sich in der Vernehmlassung gegen die Sparmassnahme ausgesprochen hat.

Wie schnell sich die finanzielle Situation der ALV verändern kann, zeigte sich in der Finanzkrise 2007/08. 2004 verabschiedete der Bundesrat analog zur aktuellen Vorlage ein Entlastungspaket, wodurch der Bundesbeitrag an die ALV für die Jahre 2006, 2007 und 2008 um 67, 70 und 75 Millionen Franken Kürzung (insgesamt 212 Millionen) gekürzt wurde. Da sich die finanzielle Situation der ALV im konjunkturellen Aufschwung nach der Dot-Com-Krise und durch die 3. AVIG-Revision rasch verbessert hatte, schien die Kürzung des Bundesbeitrags zum damaligen Zeitpunkt ein wenig riskantes Mittel zu sein.

«Wie schnell sich die finanzielle Situation der ALV verändern kann, zeigte sich in der Finanzkrise.»

Diese Einschätzung erwies sich aber mit Ausbruch der Finanzkrise als falsch. Durch den raschen Anstieg der Anzahl Stellensuchenden von 143 000 auf 236 000 zwischen August 2008 und Januar 2010 verschlechterte sich die finanzielle Lage der ALV rasch. 2010 wies der ALV-Fonds über sieben Milliarden Franken Schulden auf. In der Folge resultierten in der 4. AVIG-Revision (2011) eine Anhebung der Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmenden sowie Leistungskürzungen bei jüngeren Stellensuchenden. Die 2006–2008 vollzogenen Kürzungen des Bundesbeitrags mussten durch eine Erhöhung der Beiträge an den Fonds der ALV nachfinanziert werden.

Situation kann schnell ändern

Die heute in Diskussion befindliche Kürzung des Bundesbeitrags von insgesamt 1,25 Milliarden Franken fällt im Vergleich zur damaligen Reduktion, welche insgesamt 212 Millionen Franken betrug, noch viel höher aus. Aufgrund der Erfahrungen ist der sgv der Auffassung, dass die aktuell sich in Beratung befindliche Reduktion des Bundesbeitrags zu keinen Leistungskürzungen auf Kosten der vorherrschenden Strukturen führen soll.

Dieter Kläy, Ressortleiter sgv und Mitglied der Aufsichtskommission für den Ausgleichsfonds der Arbeitslosenversicherung

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