Weder Bund noch Gewerbe
KITA-FINANZIERUNG – Für die Familienpolitik sind Kantone und Gemeinden zuständig. So will es die Bundesverfassung. Den Arbeitgebern diese Bürde anzuhängen, ist nicht akzeptabel.
MODEWORT NACHHALTIGKEIT – Aus einer eindimensionalen Sicht auf den Begriff der Nachhaltigkeit leiten NGOs extreme Forderungen in Sachen Regulierung ab. Die Politik tut gut daran, sich von diesem Aktivismus nicht anstecken zu lassen, zumal die anrollende Regulierungswelle vor allem kleineren Akteuren im Wirtschaftssystem massiven Schaden zufügen kann.
Kreativität kennt keine Grenzen. Was im gewerblichen Umfeld zu neuen Lösungen und Mehrwert führt, ist im politischen Prozess oft anders. So scheint man sich gegenseitig übertrumpfen zu wollen mit der Frage, wer mit was und vor allem wie noch stärker reguliert werden könnte. Im Fokus dabei die Anforderungen an die Nachhaltigkeit unseres Wirtschaftens.
Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, solange Nachhaltigkeit als Gleichgewicht zwischen umweltbezogenen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekten verstanden wird. Doch dies ist meist nicht der Fall: Die Umwelt steht im Zentrum, soziale und wirtschaftliche Interessen sind untergeordnet.
Beispiele gefällig? Bunt treibt es die Umweltverantwortungsinitiative, die, aus der linken Ecke kommend, extreme Forderungen aufstellt. Sie will den Umweltschutz mit der Brechstange stärken, indem unser Wirtschaftssystem innert zehn Jahren ganz auf Öko getrimmt wird. Es ist irritierend, dass staatlich finanzierte Hochschulprofessoren öffentlich mit dem Ansinnen sympathisieren. Gerade sie sollten wissen, dass sich Nachhaltigkeit nicht nur über die Dimension Umwelt definiert.
Aus der linksten Ecke kommt ein weiteres Volksbegehren mit dem verfänglichen Titel «Initiative für eine Zukunft». Hier wird unser Wirtschaftssystem unverblümt als «Ursache der Klimakrise» genannt, folglich muss es überwunden werden. Was bei der Umweltverantwortungsinitiative noch versteckt wird, ist hier wenigstens offen angesprochen: Nachhaltigkeit dient als politischer Hebel, um alte und gefährliche Sozialismusträume auferstehen zu lassen. Vergessen geht dabei, dass es der Umwelt und den Menschen in der Planwirtschaft nachweislich schlechter ging als im Westen.
Doch nicht nur ein Teil des Volkes ist aktiv, auch das Parlament zeigt sich kreativ. Allein seit Beginn des Jahres wurden über ein Dutzend Vorstösse zum Thema Nachhaltigkeit eingereicht. Dabei geht es über neue Umwelterfordernisse in Handelsabkommen bis zu Nachhaltigkeitsaspekten bei Ernährungsempfehlungen. Vieles davon wird nicht nur das Parlament beschäftigen, sondern dürfte via neue Gesetze und Verordnungen in den unternehmerischen Alltag der Unternehmen einfliessen.
So läuft aktuell eine Vernehmlassung mit dem Titel «Transparenz über Nachhaltigkeitsaspekte: Änderung des Obligationenrechts (OR), des Revisionsaufsichtsgesetzes (RAG) und des Strafgesetzbuchs (StGB)». Die Schweizer Rechtstexte sollen in Bezug auf die nachhaltige Unternehmensführung international abgestimmt bleiben. Das Ganze ist das Resultat der internationalen Koordination von knapp 500 NGOs in Europa, die jahrelang und mit teilweise hohen finanziellen Mitteln die Politik mobilisierten.
Durch die neue oder ausgeweitete Berichtspflicht entstehen den betroffenen Unternehmen zusätzliche Regulierungskosten. So müssen die Firmen Systeme zur Erhebung sowie Analyse von Daten einrichten, und Mitarbeitende müssen die Berichte erstellen. Während grössere Unternehmen bereits über eigene Abteilungen dafür verfügen, sind KMU oft auf eine externe Beratung angewiesen, was die Kosten weiter erhöht. Kommt hinzu, dass eine Pflicht besteht, die Nachhaltigkeitsberichte von einem unabhängigen Prüfunternehmen begutachten zu lassen. Der Bundesrat schätzt die Umsetzungskosten auf rund 620 Millionen Franken pro Jahr, die öffentliche Verwaltung wird weiter aufgebläht.
Der Schweizerische Gewerbeverband sgv wird im Interesse des Wirtschaftsstandorts Schweiz weiter gegen die Regulierungsauswüchse ankämpfen. Die Flut an neuen Vorlagen führt zu einem hektischen Gesetzgebungsprozess. Dabei muss auf die Bremse getreten werden. Überstürzte Entscheide schaden mehr als sie nützen. Die Anpassungen an internationales Recht sollen nur punktuell erfolgen, auf den berühmten «Swiss-Finish» ist sowieso zu verzichten. Nutzlose und problematische Konstrukte wie die «Einführung eines freiwilligen Rechtsstatus ‹Nachhaltiges Unternehmen› für Schweizer KMU» sind abzulehnen, um eine weitere, unnötige Belastung zu verhindern.
Das Finden pragmatischer Lösungen und die dafür nötige Flexibilität müssen gewahrt bleiben. Die Kernkompetenz der KMU ist das Machen und nicht das Berichten. KMU leben Nachhaltigkeit bereits heute im umfassenden Sinn – und ziehen dafür alle drei Dimensionen in ihre Überlegungen mit ein.
Patrick DĂĽmmler, Ressortleiter sgv
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