Schweizerische Gewerbezeitung: Der Bundesrat tut endlich, was Gewerbevertreter lange gefordert hatten: Er verlegt den Start der Sommer-Rekrutenschule (RS) ab 2027 von Anfang Juli auf Mitte August. Sie haben mehrere Jahre für diese Verschiebung nach hinten gekämpft. Was war Ihr erster Gedanke, als Sie vom Entscheid erfahren hatten?
David Zuberbühler: Mein erster Gedanke war, dass sich konsequentes Nachhaken und ein langer Atem ausgezahlt haben. Es ist erfreulich, dass der Bundesrat endlich auf die Anliegen der Wirtschaft eingegangen ist, und er damit den Bedürfnissen der Unternehmen und den jungen Berufsleuten Rechnung trägt.
Sie sind Mitinhaber von Zubi, einem Fachgeschäft für Schuhe, Bekleidung und Sport mit diversen Standorten und einem Onlineshop. Ihr Familien-KMU hat rund 200 Mitarbeiter und bildet mehrere Lehrlinge aus. Weshalb ist das heutige Startdatum der Sommer-RS für Lehrbetriebe und auch für Lehrlinge in der Phase des Lehrabschlusses ein Problem?
Der Start der Sommer-RS beginnt heute an einem Zeitpunkt, an dem die Auszubildenden auf der Zielgeraden ihrer Berufslehre und in der Erfüllung ihres Lehrvertrages stehen.
«Es ist erfreulich, dass der Bundesrat endlich auf die Anliegen der Wirtschaft ein-gegangen ist.»
Für Unternehmen mit Auszubildenden ist die Situation ärgerlich, da diese ihren vollständig ausgebildeten Nachwuchs mehrere Wochen früher abgeben müssen. Für die Lehrlinge selbst stellt der frühe RS-Start eine grosse Belastung dar. Der vorgezogene Dienstbeginn zwingt sie, sich in einer ohnehin stressigen Zeit zusätzlich auf die bevorstehende Rekrutenschule vorzubereiten.
Der Start der Sommer-RS wurde erstmals im Jahr 2018 auf Ende Juni vorverschoben, dies im Rahmen des neuen Armeemodells namens «Weiterentwicklung der Armee». Weshalb gingen damals die Lehrlinge und das Gewerbe vergessen?
Die Armee schien anzunehmen, dass die Anpassung des RS-Starts für junge Berufsleute und Lehrbetriebe keine grosse Rolle spielen würde. Offenbar war die Armee damals auch der Meinung, ihr Kader bestehe alleine aus Hochschülern, denen sich Berufsleute unterzuordnen haben. Das war damals besonders ärgerlich, weil schliesslich rund 80 Prozent der angehenden Rekruten aus der Berufsbildung kommen.
Apropos Studenten: Täuscht der Eindruck, oder absolvieren prozentual weniger von ihnen die RS im Vergleich zu jungen Menschen mit Berufslehre? Und falls ja: Welche Gründe könnte das haben?
Es täuscht tatsächlich nicht. Studien zeigen, dass prozentual weniger Studierende die Rekrutenschule absolvieren im Vergleich zu jungen Menschen mit Berufslehre. Das liegt mitunter auch daran, dass sich Studierende überproportional häufig für den Zivildienst anstelle der RS entscheiden.
Welche Folgen wird diese Verschiebung des RS-Starts haben? Werden so zum Beispiel mehr junge Leute eine RS absolvieren?
Die Verschiebung des RS-Starts auf Mitte August wird dazu führen, dass Lehrbetriebe davon profitieren, dass ihr vollständig ausgebildeter Nachwuchs bis zum Ende des Lehrvertrags im Betrieb arbeiten kann, ohne dass er früher als geplant in die Rekrutenschule einrücken muss.
«Der Zivildienst muss auf ein vertretbares Niveau redimensioniert oder ganz abgeschafft werden.»
Den Lehrbetrieben bleibt so eine wertvoll ausgebildete Arbeitskraft länger erhalten. Für Lehrlinge wird der Übergang in die RS nahtloser und stressfreier, was sowohl für die Lernenden als auch für die Betriebe von Vorteil sein kann.
Die Politik diskutiert derzeit über einen Aufwuchs der Armee. Sie waren Fourier im Militär. Woran fehlt es unserer Armee, und was braucht es, damit die Schweiz wieder verteidigungsfähig wird?
Die Armee braucht dringend mehr Budget und mehr Soldaten. Unsere Armee erhält aktuell nur etwas mehr als 0,7 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Das ist einer der tiefsten Werte weltweit und viel zu wenig, wenn man bedenkt, dass die Zielgrösse der NATO bei zwei Prozent liegt.
«Sicherheit sollte wieder oberste Priorität haben.»
Schrittweise zu erhöhen ist aber auch der Armeebestand, das wichtigste Instrument gegen verschiedenste Bedrohungen. Es ist Krieg in Europa! Die Sicherheit sollte für unser Land wieder oberste Priorität haben, damit wir unsere Unabhängigkeit und Freiheit auch in Zukunft wahren können.
Der Truppenbestand nimmt jedoch laufend ab. Müsste auch da angesetzt werden, und falls ja: Wie?
Auf jeden Fall! Eine ausreichende und nachhaltige Alimentierung der Armee ist unerlässlich. Weil zu viele junge Leute heute zu problemlos in den Zivildienst wechseln, fehlen der Armee Soldaten. Der Zivildienst muss deshalb auf ein vertretbares Niveau redimensioniert, ganz abgeschafft oder im Rahmen der «Sicherheitsdienstpflicht» mit dem Zivilschutz zusammengelegt werden.
Derzeit kursieren diverse Vorschläge, um die Aufrüstung zu finanzieren, zum Beispiel über eine von Unternehmen bezahlte Wehrsteuer oder über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Was halten Sie von diesen Ideen, und wie würden Sie die Aufrüstung finanzieren?
Steuererhöhungen sind der falsche Weg! Sie würden die wirtschaftliche Belastung von Unternehmen und Privaten weiter erhöhen. Stattdessen sollten gezielt Einsparungen in anderen Bereichen wie Asyl, Entwicklungshilfe, EU-Beiträge und der Verwaltung getroffen werden.
Im Spiel von linker Seite ist – wie immer – auch eine Lockerung der Schuldenbremse. Weshalb darf diese nicht gelockert werden?
Die Schuldenbremse ist ein Trumpf der Schweiz. Sie zwingt die Politik zur Ausgabendisziplin und dämmt damit die Staatsverschuldung ein. Das schont die Steuerzahler, insbesondere die KMU.
«Seit 1990 haben sich die Staatsausgaben von rund 32 Milliarden auf bald 90 Milliarden Franken verdreifacht.»
Wer die Schuldenbremse aufgibt, riskiert eine unkontrollierte Ausweitung der Staatsverschuldung. Das ist ein Spiel mit dem Feuer.
Die Bundesfinanzen sind in Schieflage. Der Bund schlittert in ein strukturelles Defizit und hat ein Ausgabenproblem. Wo müsste man Ihrer Meinung nach ansetzen, um die Finanzen wieder in den Griff zu bekommen?
Seit 1990 haben sich die Staatsausgaben von rund 32 Milliarden Franken auf bald 90 Milliarden Franken verdreifacht. Insbesondere im Asylbereich explodieren die Kosten. 2021 gab der Bund dafür noch eine Milliarde Franken aus. 2023 betrugen die Asylkosten bereits 3,5 Milliarden Franken. Einsparungspotenzial gibt es aber auch bei der Entwicklungshilfe. Hierfür gibt unser Land jährlich 3,5 Milliarden Franken aus. 2006 waren es noch 1,5 Milliarden Franken weniger. Auch die Bundesverwaltung ist in den letzten Jahren rasant gewachsen. Während der Personalaufwand im Jahr 2007 noch bei 4,5 Milliarden Franken lag, beträgt er heute bereits über sechs Milliarden Franken. Kurzum: Der Bund hat ein riesiges Ausgabenproblem. Es braucht eine grundlegende Überprüfung seiner Auf- und Ausgaben!
Interview: Rolf Hug
david-zuberbuehler.ch