Publiziert am: 04.10.2024

«Strasse und Schiene – ein System»

BUNDESRAT ALBERT RÖSTI – «Der Stellenwert der Nationalstrassen ist enorm», sagt der Verkehrsminister. Deshalb braucht es am 24. November ein JA zur Eng­pass­beseitigung im Autobahnnetz. Zusammen mit der Schiene sind die Nationalstrassen die Hauptschlagader für die Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft. Wer Schiene und Strasse gegeneinander ausspielt, verkennt die Realität.

Das Nationalstrassennetz der Schweiz ist teils über 60 Jahre alt. Die Nachfrage nach Mobilität nimmt jedoch laufend zu. Mit welchen Folgen?

Bundesrat Albert Rösti: Die Strassen sind überlastet, der Verkehr kommt zum Erliegen. Stau und Kolonnenverkehr sind die Folge. Dieser Verkehr sucht sich andere Wege. Im häufigsten und schlimmsten Fall fährt er als sogenannter Ausweichverkehr durch Dörfer, Agglomerationen und Wohnquartiere.

Welcher Stellenwert kommt den Nationalstrassen im Schweizer Verkehrssystem im Jahr 2024 zu?

Der Stellenwert der Nationalstrassen ist enorm! Allein seit 1990 hat sich der Verkehr auf den Nationalstrassen mehr als verdoppelt. Und er wächst weiter. Nationalstrassen sind darum gemeinsam mit der Schiene die Hauptschlagader der Schweiz. Ein Beispiel zur Bedeutung der Nationalstrassen: Auf diesen drei Prozent des Strassennetzes werden über 40 Prozent des Verkehrs abgewickelt. Noch intensiver nutzt der Güterverkehr die Nationalstrassen, da sind es gar 70 Prozent.

Die Staustunden auf den Autobahnen nehmen jährlich zu. Wie hoch beziffern Sie deren Kosten für die Schweizer Volkswirtschaft?

Die Anzahl der Staustunden liegt konservativ geschätzt bei über 48 000. Damit werden Kosten von über drei Milliarden Franken verursacht. Das ist enorm, denn diese Kosten steigen Jahr für Jahr. Hinter dem neutralen und gesichtslosen Begriff «Schweizer Volkswirtschaft» stehen letztlich wir alle – Sie, ich, alle Menschen, die in diesem Land leben, bezahlen diese Kosten, für die wir letztlich nicht den geringsten Gegenwert erhalten.

Eines der Ziele der STEP-Vorlage ist die Erhöhung der Verkehrssicherheit – gerade auch in den Ortschaften nahe an den Nationalstrassen. Wer profitiert besonders von diesem Mehr an Sicherheit?

Es sind dies die Menschen, die in Dörfern oder Quartieren leben und vom Ausweichverkehr betroffen sind. Somit Schülerinnen und Schüler, Velofahrende oder einfach Menschen, die rasch über die Strasse wollen, um sich Gemüse oder Brot zu kaufen. Ein wesentlicher Sicherheitsgewinn besteht aber beispielsweise auch dort, wo wir Tunnel bauen oder erweitern. Ich erinnere an den Fäsenstaubtunnel in der Stadt Schaffhausen. Dort wird heute der ganze Durchgangsverkehr mit entgegenkommendem Verkehr geführt. Mit dem Bau einer zweiten Röhre gewinnen die Menschen unter anderem ein klares Plus an Sicherheit.

Können Sie ein Beispiel nennen, wie die Sicherheitsrisiken durch die Beseitigung eines Engpasses abgenommen haben?

Das beste Beispiel hierzu ist sicherlich der Gubrist. Diese dritte Röhre war überfällig. Dass dadurch die Stauneigung deutlich abnehmen würde, haben wir schon vor dem Bau gewusst. Aber dass gleichzeitig auch die Zahl der Verkehrsunfälle signifikant gesunken ist, hätte auch ich so nicht erwartet.

Was antworten Sie all jenen Kreisen, die lieber in die Schiene als in die Strasse investieren möchten?

Das eine System bedingt das andere. Die Schiene kann den Verkehr der Strasse schlicht nicht absorbieren. Und das gilt auch umgekehrt. Will man das eine System gegen das andere ausspielen, dann hat das mit der Verkehrsrealität in der Schweiz überhaupt nichts zu tun.

Strassen brauchen Platz; das ist auch bei den sechs Projekten zur Engpassbeseitigung nicht anders. Wie viel Kulturland geht hier im Ganzen verloren, und wie soll dieser Verlust kompensiert werden?

Ja, diese Engpassbeseitigung erfordert Platz. In Zahlen sind das rund 0,53 Quadratkilometer. Bildlich kann man sich ungefähr die Hälfte eines durchschnittlichen Schweizer Bauernhofs vorstellen – das ist nicht nichts, aber deutlich weniger, als man denken würde.

«STAU VERURSACHT KOSTEN – OHNE DEN GERINGSTEN GEGENWERT.»

Dahinter liegt unsere Auffassung, dass wir keine Strassen auf Vorrat bauen, sondern nur dort, wo es tatsächlich Sinn ergibt. Wir kennen den Wert von Kulturland. Daher werden die betroffenen Landbesitzer im Umfang von 1:1 mit Land von gleicher Güte entschädigt. Übrigens sind drei der sechs zur Abstimmung stehenden Projekte Tunnels. Und dort wird so gut wie gar kein Land verbaut.

Die Finanzierung der insgesamt sechs Projekte zur Engpassbeseitigung ist bereits gesichert. Weshalb stimmen wir denn eigentlich noch darĂĽber ab?

Weil wir in der Schweiz ein grossartiges politisches System haben! Dieser Ausbauschritt wurde von Parlament und Bundesrat beschlossen. Weil wir in der Schweiz das Referendumsrecht kennen, soll sich hier das Volk abschliessend auch äussern dürfen. Und am 24. November kann es das nun tun.

Ganz kurz zusammengefasst: Wieso braucht es am 24. November ein JA zu STEP?

Wir sind aus dem Nationalstrassensystem der 60er-Jahre herausgewachsen: Die Bevölkerung der Schweiz ist um über ein Drittel gewachsen, das erklärt schon fast alles. Unsere Nationalstrassen stellen die Grundversorgung des Landes sicher. Sie sind zudem Arbeits- und Transportweg, oder sie tragen Menschen in die Freizeit und in die Ferien. Ein Nein an der Urne lässt diesen Verkehr nicht einfach so verschwinden, er wird bestehen bleiben und anwachsen. Die Folge wäre noch stärkerer Ausweichverkehr und noch mehr Umweltbelastung am Wohnort der Menschen in Dörfern, Agglomerationen und Quartieren. Ein Stillstand auch an diesen Orten ist nicht ausgeschlossen. Darum muss der Verkehr wieder fliessen und somit dorthin zurück, wo er hingehört: auf die Nationalstrasse.

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