Es liest sich auf den ersten Blick harmlos, aber auch nebulös: «Angestellte Schweiz und Siemens Schweiz lancieren eine Ausbildung für betriebliche Nachhaltigkeitsinfluencer*innen.» So kündigten der Arbeitnehmerverband und der Grosskonzern unlängst ein «Pilotprojekt» in einer Mitteilung an.
Konkret soll die Schulung «zum*r Nachhaltigkeitsinfluencer*in» (sic!) «Mitarbeitende befähigen, eine aktive Rolle für mehr Nachhaltigkeit in ihrer Firma einzunehmen». Dies, um die Nachhaltigkeitsstrategien des Unternehmens aktiv zu unterstützen und zu ergänzen.
Druck ausüben
Worum es geht, wird klarer, wenn man einen Artikel aus dem Frühjahr 2023 auf der Internetseite von Angestellte Schweiz liest, der vor Alarmismus nur so strotzt: «Um den drohenden Klimakollaps zu verhindern, sind tiefgreifende Veränderungen nötig. Innovative Lösungen der Unternehmen und die richtigen politischen Rahmenbedingungen reichen nicht. Damit sich Firmen bewegen, braucht es das Engagement und den Druck der Mitarbeiter*innen. Also auch von dir und deinen Kolleg*innen.»
Und weiter: «Werde Nachhaltigkeits-Influencer*in und verankere Umwelt- und Klimaschutz in deinem Unternehmen.» Solche seien auch in der Lage, «ihre Arbeitskolleg*innen von der Bedeutung und den Chancen von Umwelt- und Klimaschutzmassnahmen zu überzeugen».
Um den «Klimakollaps» zu verhindern, sollen diese Influencer also sowohl Druck auf die Firma als auch auf ihre Arbeitskameraden und Bürokolleginnen ausüben. Eine Stufe weniger schrill geht es anscheinend nicht.
Belehrung in der Kaffeepause
Wo der Eifer hierbei aufhört, bleibt unklar. Klar ist nur, dass die Teilnehmer sechs Schulungstage mit den Schwerpunkten Kommunikation, Verhaltenspsychologie und Nachhaltigkeit absolvieren. Hier stellen sich schon erste Fragen. Dürfen beispielsweise die «normalen» Mitarbeiter während dieser Weiterbildungszeit vielleicht die doppelte Arbeit übernehmen? Nur um sich dann später von ihren zurückgekehrten «Influencer-Kollegen» – oder wäre vielleicht die Bezeichnung Klima-Polizisten richtiger? – in der Kaffeepause Klimavorträge anhören zu müssen und belehren zu lassen?
«Auch hier gilt also: Wehret den Anfängen.»
Man weiss es nicht. Dass dies zu einer guten Stimmung beiträgt, darf zumindest angezweifelt werden. Sowieso riecht das alles doch sehr danach, dass der Arbeitsplatz zur neuen Klima-Kampfzone verkommen soll.
Aus dem angelsächsischen Raum
Vorbild für diese «innovative und in der Unternehmenswelt einmalige Initiative» ist – wie so oft – der angelsächsische Raum. Dort finde der wachsende Einfluss unter dem Begriff «employee activism» (Aktivismus von Angestellten) viel Beachtung, heisst es auf der Internetseite von Angestellte Schweiz weiter. Und dieser Ansatz zeige Wirkung: «Grosse Unternehmen wie Google oder Amazon haben sich als Reaktion auf die Kritik ihrer Angestellten ehrgeizigere Klimaziele gesetzt.»
Nun: Das ist die freie Entscheidung dieser Weltkonzerne. Genauso, ob sie «Nachhaltigkeitsinfluencer» anstellen. Wichtiger ist vielmehr, dass solch aktivistische Projekte nicht irgendwann in einem Obligatorium enden. Genau das ist vielfach das Problem bei solch harmlos scheinenden, freiwilligen «Initiativen».
Links-grüne Organisationen holen zu Beginn Grosskonzerne für sogenannte «Pilotprojekte» ins Boot – in diesem Fall für gesellschaftliche Umerziehungsexperimente. Laufen die Projekte aus und bringen bis dahin nichts, werden sie weitergeführt, bis sie scheinbare Effekte erzeugen. Das verkauft man dann als Riesenerfolg. In der Folge werden weitere Grossfirmen an Bord geholt, womit eine breite Abstützung untermauert werden soll. Und bald sind auch die «Kleinen» dran.
Zuhauf regulierungswütige Politiker
Irgendwann kommt die Politik ins Spiel. Denn regulierungswütige Politiker gibt es zuhauf. Parlamentarier von der links-grünen Seite – viele von ihnen sind Berufspolitiker, die massenhaft Zeit haben – werden Vorstösse mit schönfärberischen Titeln einreichen, um solche «Nachhaltigkeitsinfluencer» obligatorisch in den Firmen zu verankern. Manche Medien begleiten sie dabei – schön orchestriert – überaus wohlwollend. Schliesslich geht es um die Rettung der Welt. Wer könnte da dagegen sein?
Irgendwann klappt es vielleicht mit dem Obligatorium, zum Beispiel bei einem Kuhhandel im Rahmen einer Gesetzesrevision. Zuerst gilt dieses «nur» für Grosskonzerne. Doch danach wird systematisch versucht, den Kreis der betroffenen Unternehmen zu vergrössern.
Am Schluss werden auch die KMU erfasst sein. Und so dreht die Regulierungsspirale weiter und weiter – unter gütiger Mithilfe von Grosskonzernen. Ganz zum Schaden der KMU, die das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft bilden, und die sich – im Gegensatz zu Grossfirmen – keine ganzen Stäbe leisten können, um die ins unermesslich ausufernde Nachhaltigkeitsbürokratie zu bewältigen. Auch hier gilt also: Wehret den Anfängen.
Rolf Hug