Publiziert am: 06.12.2024

«Wie Eritrea oder Angola»

CHRISTIAN WASSERFALLEN – Die Um­welt­­ver­­ant­wortungs­initiative würde die Schweiz innerhalb von zehn Jahren zu einem Entwicklungsland degradieren, sagt der Berner FDP-Nationalrat. «Es stehen nicht nur unser Wohlstand, sondern auch die sozialen Er­rungen­schaften auf dem Spiel.»

Schweizerische Gewerbezeitung: Am 9. Februar 2025 kommt die sogenannte Umweltverantwortungsinitiative von den Jungen Grünen an die Urne. Was ist ihr Ziel?

Christian Wasserfallen: Die Initiative sieht die Einführung eines neuen Artikels 94a der Bundesverfassung vor. Dieser verlangt, dass sich die schweizerische Gesamtwirtschaft im Rahmen bewegt, der durch die Natur und ihre Erneuerungsfähigkeit vorgegeben ist. Wirtschaftliche Tätigkeiten dürften demnach nur so viele Ressourcen verbrauchen und Schadstoffe freisetzen, dass die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten bleiben. Bund und Kantone müssten zudem insbesondere die Sozialverträglichkeit im In- und Ausland der von ihnen getroffenen Massnahmen einhalten.

Oder mit einem Wort: Es geht um die Einführung einer Art von Öko-Sozialismus.

«wir müssten innerhalb von zehn Jahren unseren Wohlstand um mehr als 70 Prozent zurückfahren.»

Die Initiative müsste innerhalb von zehn Jahren umgesetzt werden. Welche Folgen hätte dies für unser Land, den Alltag der Menschen in der Schweiz – und insbesondere für die KMU?

Ich nenne diese Initiative bewusst Entwicklungsland-Initiative. Das erklärte Ziel dieser Initiative ist es, in zehn Jahren den ökologischen Fussabdruck auf eine Erde zu reduzieren. Das heisst, wir müssten den Ressourcenverbrauch innerhalb von zehn Jahren auf einen Drittel – einen Drittel! – reduzieren. Das würde, gemessen an der Bevölkerung, einen ökologischen Fussabdruck wie derjenige von Ländern wie Eritrea, Ruanda oder Angola bedeuten. Diese Länder sind allesamt Entwicklungsländer. Die Schweiz würde auch darauf reduziert.

Wie würden sich Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz gegenüber jenen Ländern entwickeln, die keine solch extremen Vorschriften kennen?

Die Schweiz würde gemäss den Träumen der links-grünen Initianten innerhalb von zehn Jahren zu einem ressourcenschwachen Land, das keinerlei Industrieproduktion mehr aufrechterhalten dürfte. Nur noch jene Wirtschaftszweige, die mit diesen Prinzipien vereinbar wären, dürften weiterexistieren. Konkret gäbe es noch einige Dienstleistungsgeschäfte, aber sicher keine produzierende Industrie mehr.

Gibt es heute überhaupt Länder, welche die Vorgaben der Initiative einhalten? Und falls ja, welche sind das?

Ja, zum Beispiel Gambia, Bhutan oder Bangladesch bewegen sich mit ihrem Fussabdruck innerhalb der sogenannt biophysikalischen Grenzen. Es sind jedoch auch jene Länder, welche die niedrigsten Sozialstandards weltweit aufweisen. Ich bin entsetzt, dass es politische Gruppierungen gibt, die uns dorthin zurückführen möchten.

Ein Problem ist, dass der Initiativtext – wohl bewusst – sehr unklar gehalten ist. Es dürfte sehr unterschiedliche Meinungen und Berechnungen darüber geben, wo die Schwelle der «planetaren Grenzen» liegt und wann diese überschritten ist. Was bedeuten diese Unsicherheiten für die Abstimmung vom 9. Februar?

Auch wenn die genauen Berechnungen oft unterschiedlich sind, die Fakten sind dramatisch: Fakt ist, dass wir innerhalb von zehn Jahren unseren Wohlstand um mehr als 70 Prozent zurückfahren müssten. Das will doch niemand! Das ist eine Initiative mit dem Holzhammer und man kann diese nicht schönreden. Selbst grüne Parlamentarierinnen zweifeln an der Umsetzbarkeit.

«Konkret gäbe es noch einige Dienstleistungsgeschäfte, aber sicher keine produzierende Industrie mehr.»

Als Blaupause für die Initiative dürfte ein Positionspapier der Jungen Grünen von 2023 dienen. Der Titel: «Für eine postkapitalistische Wirtschaft». Das Ziel: «Die kapitalistische Phase überwinden». Darin ist von Rückbau schädlicher Wirtschaftsbereiche die Rede, von der Vergemeinschaftung des Bodens und von Unternehmen, und von einer allgemeinen Arbeitszeitreduktion (24-Stunden-Woche). Was sagen Sie zu solchen Forderungen?

Die Jungen Grünen und JUSO dürfen ihre öko-sozialistischen Utopien gerne persönlich im privaten Umfeld ausleben. Aber bitte lasst die anderen Leute in Frieden leben und wirtschaften.

In den Überlegungen der Initianten scheint der technologische Fortschritt keine Rolle zu spielen. Welche Funktion kommt diesem für die Zukunft von Wirtschaft und Gesellschaft zu?

Die Schweiz beweist seit Jahrzehnten, dass ein Wirtschaftswachstum mit abnehmendem Energiekonsum und CO2-Ausstoss möglich ist. Neue Verfahren und Technologien spielen hier die zentrale Rolle. Ganz wichtig ist, dass in diese auch investiert werden kann. Dazu braucht es gewinnbringende Geschäftstätigkeit, ansonsten kann man nicht investieren. Dieses Einmaleins der Wirtschaft verstehen die weltfremden Initianten allerdings nicht.

Die gleichen Kreise, die mit dieser Initiative ein «Gesundschrumpfen» erzwingen wollen, fordern im Gegenzug unter anderem höhere Renten und immer noch mehr Staatsausgaben. Wie geht das zusammen?

Diese extrem links-grünen Kreise verlangen immer nach Schrumpfung und gleichzeitig nach einem Ausbau des Sozialstaates. Doch wie soll dieser finanzierbar sein, wenn die Einnahmen und Steuererträge fehlen? Das konnte mir noch niemand erklären. Ich erachte es als Grundaufgabe gerade der öffentlichen Schule, diese Zusammenhänge vermehrt den jungen Menschen klarzumachen.

Das Begehren wird von einer «Allianz für Umweltverantwortung» getragen. Teil dieser Allianz ist auch die SP. Was sagt das über den momentanen Zustand dieser Bundesratspartei aus?

Es ist erstaunlich, dass gebildete Leute eine solch radikale Initiative ohne grundlegende Skepsis unterstützen. Dieses Volksbegehren fordert einen radikalen Abbau der Wirtschaftsleistung und damit erfolgt in der Konsequenz ein dramatischer Abbau von sozialen Errungenschaften. Wie ein durchschnittlich intelligenter Sozialdemokrat das blind unterstützen kann, ist für mich absolut unverständlich und erschreckend zugleich.

Die rot-grünen Forderungen werden immer schriller. Ein aktuelles Beispiel ist die Erbschaftssteuer-Initiative der JUSO. Welche Chancen räumen Sie ihr ein – in einer Schweiz, wo linke Anliegen momentan viel Aufwind verspüren und der Wohlstand gottgegeben scheint?

Diese JUSO-Initiative fordert einen extremen Erbschaftssteuersatz von 50 Prozent! Das würde vor allem nachhaltig wirtschaftende Familienunternehmen und KMU betreffen. Das wird an der Urne keine Mehrheit haben, zumal sich immer mehr SP-Repräsentanten von diesem Unsinn distanzieren.

«Es ist erstaunlich, dass gebildete Leute eine solch radikale Initiative ohne grundlegende Skepsis unterstützen.»

Stichwort Wohlstand: Eine kostengünstige und verlässliche Energieversorgung ist in diesem Zusammenhang essenziell. Weshalb ist Technologieoffenheit mit dem Blick auf die Kernkraft wichtig?

Heute produziert die Schweiz etwas über 60 TWh Strom und konsumiert im ähnlichen Umfang. Es fallen aber mittelfristig mehr als 20 TWh durch die Abschaltung der bestehenden AKW weg. Gleichzeitig steigt der Verbrauch bis im Jahr 2050 auf circa 85 TWh. Das heisst, es fehlen rund 45 TWh an einheimischer Stromproduktion vor allem im Winter. Und wir wollen bis 2050 noch die CO2-Ziele nach dem Pariser Klimaabkommen erreichen. Es ist klar, dass es nur mit neuen AKW erreichbar ist, eine sichere Stromversorgung zu gewährleisten. Das sollte die Politik einmal akzeptieren.

Zum Schluss: Wenn Sie mit drei Sätzen beschreiben müssten, weshalb die Umweltverantwortungsinitiative keine gute Idee ist: Welche wären das?

Die Schweiz darf nicht innerhalb von zehn Jahren zum Entwicklungsland degradiert werden. Es stehen nicht nur unser Wohlstand, sondern auch die sozialen Errungenschaften auf dem Spiel. Bewahre die Schweizer Bevölkerung vor diesem tief eingreifenden Öko-Sozialismus.

Interview: Rolf Hug

www.wasserfallen.news

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