Eines der Kernanliegen des Schweizerischen Gewerbeverbands ist der Abbau der Bürokratie für Unternehmen. Wobei, Abbau trifft es nur unvollständig: Noch besser ist es, zusätzliche, unnötige bürokratische Monster erst gar nicht entstehen zu lassen. Aktuelles Beispiel ist das Investitionsprüfgesetz (IPG, 23.086), das im Schweizer Parlament diskutiert wird. Es sieht vor, dass Unternehmen, darunter auch viele KMU, in Zukunft ein umfangreiches staatliches Prüfverfahren durchlaufen müssen, bevor Investitionen ausländischer Akteure erfolgen können. So soll ausländischer Einfluss blockiert werden, wenn er die öffentliche Ordnung, die Sicherheit der Schweiz oder die Versorgung mit essenziellen Gütern und Dienstleistungen gefährdet oder bedroht.
Viele GrĂĽnde fĂĽr ein Nein
Das IPG ist aus mehreren Gründen unnötig, ja gar schädlich für unser Land. Erstens bedeutet das IPG für Unternehmen zusätzlichen administrativen Aufwand. Seitens der Verwaltung müssten Stellen aufgebaut werden, um die Prüfverfahren durchführen zu können. Dies leistet somit nicht nur der Bürokratisierung, sondern auch dem Staatswachstum Vorschub.
Zweitens ist unklar, welche Bedrohungen – die weit gefasst werden können – durch das Gesetz überhaupt verhindert werden sollen. Dies schafft Rechtsunsicherheit und bietet Raum für willkürliche Entscheidungen seitens der Behörden. Rechtsunsicherheit ist jedoch Gift für ein stabiles Wirtschaftsumfeld und schadet der langfristigen Planung von Unternehmen. Kommt hinzu, dass der Bundesrat in seiner Botschaft zum IPG feststellt, dass bis heute keine Übernahmen bekannt sind, die in der Vergangenheit die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Schweiz gefährdet hätten.
Bereits früher lehnte der Bundesrat deshalb die Motion Rieder «Schutz der Schweizer Wirtschaft durch Investitionskontrollen» (18.3021) ab. Das Parlament war anderer Ansicht und beauftragte den Bundesrat mit der Ausarbeitung einer Vorlage, die sich aktuell in Form des IPG in der parlamentarischen Diskussion befindet.
Drittens ist für den Erhalt und die Durchsetzung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit das bestehende Regelwerk ausreichend. Gemäss Einschätzung des Bundesrates ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis des IPG im Vergleich zu bestehenden Gesetzen «ungünstig». Es bedarf keiner weiteren regulatorischen Ergänzung. Kommt hinzu, dass die Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern schon heute gemäss dem relevanten OECD-Index überdurchschnittlich hohe Investitionshürden für ausländische Akteure aufweist.
Viertens schiesst das IPG mit Kanonen auf Spatzen. Aufgrund der parlamentarischen Diskussion kann gefolgert werden, dass es sich beim IPG eigentlich um eine Lex China handelt. Das Gesetz soll Investitionen chinesischer Akteure in der Schweiz einschränken. Doch der Erlass eines Investitionsgesetzes, das sich nur gegen ein Land richtet, ist völkerrechtlich nicht haltbar. Kommt hinzu, dass die Schweiz wohl eine massive Reaktion Chinas zu gewärtigen hätte. Dies bedeutet aber nicht, dass sich unser Land damit gegenüber chinesischen Akteuren nicht vorsichtig verhalten sollte. Nur ist das IPG dafür das falsche Instrument. Es reicht das bestehend Regelwerk, wie oben ausgeführt.
Ein Problem, das keines ist
Das IPG adressiert ein Problem, das keines ist. Zieht man die offiziellen Schweizer Statistiken zu Rate, liegt der Bestand an chinesisch kontrollierten Investitionen in unserem Land bei gerade einmal 1,9 Prozent. Die grosse Mehrheit der ausländischen Investitionen – konkret 83,7 Prozent – befindet sich in den Händen von Akteuren aus Nordamerika und Europa. 12,9 Prozent entfallen auf die übrige Welt, v. a. Japan und Australien, der Rest auf China und Russland. Das IPG schiesst somit über das Ziel hinaus – die Verhältnismässigkeit ist nicht gegeben.
Fünftens sind die vom IPG adressierte kritische Infrastruktur und viele Unternehmen strategisch wichtiger Branchen weitgehend im Staatsbesitz. Man denke an die Energieinfrastrukturen und -versorger, die zu beinahe 90 Prozent, oder die Wasserversorgung, die wohl beinahe vollständig im Besitz der Kantone oder Gemeinden sind. Auch im Bereich der Rüstung spielt der Staat durch den Bund eine wichtige Rolle. Ein Verkauf – an welchen Investor auch immer – würde also sowieso politisch entschieden, ohne dass es dafür ein IPG bräuchte.
Erfolgsmodell infrage gestellt
Sechstens schwächt das IPG die Schweizer Standortattraktivität. Traditionell zeichnet sich unser Land durch eine offene und liberale Wirtschaftspolitik aus, die auf dem Prinzip der freien Marktwirtschaft basiert. Dieses Wirtschaftsmodell hat wesentlich zum Wohlstand und zur Innovationskraft des Landes beigetragen. Das IPG stellt dieses Erfolgsmodell infrage. Denn in einem dynamischen wirtschaftlichen Umfeld könnten sich Investoren verstärkt für Standorte entscheiden, die weniger reguliert sind und einen einfacheren Marktzugang bieten. Auf Staatsebene müsste die Schweiz Reziprozität gewärtigen, d. h. bei Einführung des IPG würden andere Staaten wohl ein ähnliches Gesetz einführen und Schweizer Investitionen genauer prüfen wollen. Schon heute ist der Bestand schweizerischer Investitionen im Ausland bedeutend grösser als Investitionen ausländischer Investoren in der Schweiz. Wir würden uns also selber schaden.
Siebtens besteht nicht zuletzt die Gefahr, dass das IPG politisch zu einem protektionistischen Instrument umgemünzt wird. Obwohl das Gesetz offiziell dem Schutz nationaler Interessen dienen soll, könnte es in der Praxis dazu genutzt werden, unliebsame ausländische Konkurrenz vom Markt fernzuhalten. Dies widerspricht den Grundprinzipien des freien Handels und könnte zu Handelskonflikten mit anderen Ländern führen. Gerade für ein exportorientiertes Land wie die Schweiz wäre dies kontraproduktiv.
Attraktivität nicht gefährden
Zusammenfassend ist das IPG ein überzogener Eingriff in die wirtschaftliche Freiheit und stellt eine Gefahr für die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz dar. Es schafft Rechtsunsicherheit, behindert Investitionen und birgt das Risiko von Protektionismus. Der sgv setzte sich deshalb kürzlich bei der Anhörung in der WAK‑S für ein Nichteintreten auf die Vorlage ein – und konnte die Kommissionsmitglieder überzeugen. Nun ist im Frühling erneut der Nationalrat am Zug – wir bleiben dran. Eine Ablehnung des Gesetzes durch das Parlament wäre ein Beleg dafür, dass es die Volksvertreter ernst meinen: gegen Bürokratie – für KMU.
Patrick DĂĽmmler, Ressortleiter sgv
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