Publiziert am: 14.03.2025

«Mittelstand zahlt die Zeche»

MATTHIAS MÜLLER – «Das Begehren ist ein Frontal­angriff auf Unternehmer­familien, Arbeits­plätze und den Wirt­schafts­standort», sagt der Rechts­an­walt und Vize­präsident der FDP Kanton Zürich über die Juso-Ent­eig­nungs­initiative. Und ein klassisches Eigentor, weil massive Steuerausfälle die Folge wären.

Schweizerische Gewerbezeitung: Die Jungsozialisten fordern mit einer Initiative die Einführung einer Erbschaftssteuer von 50 Prozent auf Erbschaften und Schenkungen über 50 Millionen Franken. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie das erste Mal von dieser Forderung hörten?

Matthias Müller: Dass die Juso nichts aus der Vergangenheit gelernt hat. Die Schweiz hat die Erbschaftssteuer bereits vor zehn Jahren deutlich abgelehnt – und das aus gutem Grund. Die Initiative ist ein Frontalangriff auf Unternehmerfamilien, Arbeitsplätze und den Wirtschaftsstandort. Die Juso will mit ihrer Umverteilungsfantasie ein System bestrafen, das auf Leistung und Innovation basiert. Doch wer in diesem Land etwas aufbaut, soll am Ende nicht enteignet werden.

«In der Realität trifft es Familienunternehmen, die über Generationen gewachsen sind und zehntausende Arbeitsplätze bieten.»

Die Juso hat es – laut ihrer Internetseite – auf «die Superreichen» abgesehen. Doch trifft dieses Anliegen tatsächlich «nur» diese?

Das ist eine gefährliche Mär. In der Realität trifft es Familienunternehmen, die über Generationen gewachsen sind und Zehntausende Arbeitsplätze bieten. Zudem ist es naiv zu glauben, dass Wohlhabende einfach stillhalten werden. Die Vermögen werden ins Ausland verlagert, und am Ende hat der Staat nicht mehr, sondern weniger Steuereinnahmen.

Vor zehn Jahren ist die Einführung einer Erbschaftssteuer an der Urne krachend gescheitert. Räumen Sie der aktuellen Initiative mehr Chancen ein?

Nein, die Juso-Initiative ist genauso chancenlos wie ihr Vorgänger. Die Schweizerinnen und Schweizer wissen, dass unser Land bereits eine der höchsten Vermögenssteuern kennt. Eine zusätzliche Erbschaftssteuer wäre nichts anderes als eine Doppelbesteuerung – und das lehnen die Stimmbürger zu Recht ab.

Was wären die Auswirkungen insbesondere auf Erbschaften innerhalb von Familienunternehmen, deren Wert die 50 Millionen Franken überschreiten?

Dramatisch. Unternehmen würden entweder in Schulden getrieben oder müssten gar verkauft werden, nur um die Steuer zu bezahlen. Das ist Gift für Familienbetriebe und deren Arbeitsplätze. Die Juso blendet völlig aus, dass Unternehmenswerte nicht einfach auf einem Bankkonto herumliegen. Diese Initiative würde das Lebenswerk von Unternehmerfamilien zerstören und Schweizer Traditionsfirmen in ausländische Hände treiben.

Unternehmer könnten ja einen Bankkredit aufnehmen, um ihre Steuerschuld zu finanzieren, behaupten die Befürworter. Sie sind Rechtsanwalt in einer Wirtschaftskanzlei, die eine rechtliche Einschätzung zur Fremdfinanzierung der Erbschaftssteuer verfasst hat. Was sagen Sie zu dieser Idee?

Diese Behauptung zeigt, wie realitätsfremd die Initianten sind. Wir reden von Milliardenbeiträgen, die als Kredit aufgenommen werden müssten. Wir haben fünf grosse Banken angefragt, ob sie Kredite in dieser Grössenordnung vergeben würden. Das Ergebnis ist klar: Die Banken würden vor solchen Krediten zurückschrecken. Würden solche Kredite dennoch gewährt, dann nur zu sehr harten Bedingungen: Man müsste das Unternehmen praktisch gesamthaft an die Bank verpfänden und allenfalls weitere Sicherheiten bieten. Das ist Irrsinn.

Eine Studie von Swiss Family Business zeigt, dass bei einer Annahme der Initiative jährlich Steuerausfälle von über zwei Milliarden Franken für Bund, Kantone und Gemeinden resultieren dürften, unter anderem weil Betroffene ins Ausland ausweichen würden. Welche Folgen hätte das für den Sozialstaat, den die Initianten ja eigentlich immer stärker ausbauen möchten?

Es wäre ein klassisches Eigentor. Die Reichen packen ihre Koffer, und die Zeche zahlen am Ende der Mittelstand und die KMU. Nur ein Beispiel: Die Top 1 Prozent hierzulande zahlen rund 25 Prozent der gesamten Einkommenssteuern und sind verantwortlich für rund 50 Prozent der Vermögenssteuereinnahmen. Das ist ein übergrosser Beitrag an das Gemeinwohl. Mit dem Geld finanziert der Staat Leistungen, die allen zugutekommen: Schulen, Strassen, Spitäler, den öffentlichen Verkehr, die Sozialwerke. Hinzu kommt: Diese Personen schaffen gut bezahlte Arbeitsplätze, investieren in neue Technologien, vergeben Aufträge an KMU etcetera.

«Die Schweiz darf nicht zum Experimentierfeld linker Ideologen werden.»

Unser Land kennt als einer der wenigen OECD-Staaten eine Vermögenssteuer. Nun käme zusätzlich eine Erbschaftssteuer dazu. Was würde das für den Innovationsstandort Schweiz bedeuten?

Es wäre ein massiver Standortnachteil. Die Schweiz profitiert heute von einem stabilen und attraktiven Steuersystem, das Innovation und Investitionen begünstigt. Mit einer zusätzlichen Erbschaftssteuer würde man genau das Gegenteil erreichen – Kapital würde abfliessen, Unternehmer würden das Land meiden, und wir würden uns im internationalen Wettbewerb selbst schwächen.

Die Einnahmen aus dieser Erbschaftssteuer sollen zweckgebunden für das Klima ausgegeben werden. Auf der Juso-Website ist zudem zu lesen, die Initiative werde «das Fundament für den sozialgerechten und ökologischen Umbau der Gesamtwirtschaft» legen. Worum geht es den Initianten wirklich?

Es geht um einen ideologischen Systemumbau. Die Juso will eine zentrale Umverteilungsmaschinerie schaffen, bei der der Staat immer mehr Geld abschöpft und verteilt. Dafür will sie die Leute auch enteignen. Das ist eine sehr gefährliche Entwicklung.

Generell: Welches Menschen- und Gesellschaftsbild liegt einer Politik zugrunde, die einer bestimmten Gruppe von Personen 50 Prozent ihres Vermögens wegnehmen will?

Es ist ein zutiefst sozialistisches Gesellschaftsbild, das Leistung bestrafen will. Die Juso verkauft Neid als Gerechtigkeit, doch in Wahrheit trifft es uns alle: weniger Arbeitsplätze, weniger Investitionen, weniger Wohlstand.

«Die Verunsicherung ist bereits jetzt spürbar. Je schneller diese Initiative versenkt wird, desto besser.»

Die Initiative fordert gar eine Rückwirkung, um Steuervermeidung ab Tag 1 nach der Annahme zu verhindern. Der Bundesrat hat jedoch klargestellt, dass die Ausführungsbestimmungen erst ab deren Erlass – und damit nicht rückwirkend – angewendet werden. Trotzdem: Was sagt das über das Rechtsverständnis der Initianten aus?

Es zeigt eine bedenkliche Geringschätzung rechtsstaatlicher Prinzipien. Die Juso will das Vertrauen in den Staat zerstören, indem sie rückwirkend Vermögen besteuert. Das ist ein Tabubruch und würde zu einem massiven Exodus von Kapital und Unternehmen führen.

Die Juso-Initiative, so utopisch und realitätsfern sie wirken mag, sorgt in Wirtschaftskreisen schon heute für eine massive Verunsicherung. Warum ist es wichtig, dass sie möglichst rasch an die Urne kommt?

Je schneller diese Initiative versenkt wird, desto besser. Die Verunsicherung ist bereits jetzt spürbar – Investitionen werden hinausgezögert, Unternehmer sind ausgewandert oder denken über Wegzug nach. Die Schweiz darf nicht zum Experimentierfeld linker Ideologen werden. Wir brauchen ein überwältigendes Nein, um den Wirtschaftsstandort zu schützen.

Interview: Rolf Hug

www.juso-enteignungsinitiative.ch

Zur Person

Matthias Müller ist Vizepräsident der FDP Kanton Zürich. Der 32‑Jährige ist promovierter Rechtsanwalt bei einer grossen Zürcher Wirtschaftskanzlei. Er lebt in Zürich-Oerlikon.

www.mattmueller.ch

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