Publiziert am: 24.01.2020

Die Meinung

BVG-Apokalypse?

Die Message ist bei einer breiten Öffentlichkeit angekommen: Die berufliche Vorsorge, das BVG, ist in Schieflage und muss reformiert werden. Der Bundesrat hat eine Vernehmlassung zur Rentenreform eröffnet. Allerdings hat er dafür wenig Hirnschmalz verwendet. Er übernahm einfach das Gewerkschaftsmodell, das vom Arbeitgeberverband vehement unterstützt wird. Aus dieser Quelle war am letzten Wochenende zu vernehmen, dass bei einer Ablehnung dieses Vorschlags dem BVG-System der Kollaps drohe. Ist es wirklich angesagt, die BVG-Apokalypse an die Wand zu malen?

Blenden wir zurück. Im September 2018 haben die Stimmberechtigten die «Altersvorsorge 2020» abgelehnt. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv hat an vorderster Front mit einer schlagkräftigen Kampagne zu diesem Erfolg beigetragen. Videos auf den Social-Media-Kanälen, ein starker Auftritt auf dem Bundesplatz sowie unzählige Podiumsdiskussionen fanden in der Öffentlichkeit starke Beachtung und führten schlussendlich zum Volks-Nein.

Dabei liess es der sgv nicht bewenden. Er zeigte schon damals einen gangbaren Lösungsweg auf. Konkret forderte er eine separate Sanierung von AHV und BVG. Zumindest dieser Punkt wurde vom Bundesrat aufgenommen. Daran hat der sgv in den Gesprächen mit den Sozialpartnern angeknüpft und an seinem damaligen BVG-Modell festgehalten.

Das vom Arbeitgeberverband unterstützte Gewerkschafsmodell will Rentenzuschläge einführen, mit denen nach dem Giesskannenprinzip alle Neurentner beglückt werden. Eine solch systematische Umverteilung hat im BVG nichts verloren. Die berufliche Vorsorge darf nicht zu einer Mini-AHV verkommen.

Noch im letzten Sommer stand der sgv mit dieser Position allein auf weiter Flur. Der Schreibende wurde sogar mit einem Kaktus aus dem Hause Ringier bedacht… Das Blatt wendet sich. Der Widerstand gegen diese enorm teure Finanzierung wird immer stärker. Der Präsident der CVP stellte vor wenigen Wochen fest, dass der bundesrätliche Vorschlag im Parlament chancenlos sei. Die bürgerlichen Parteien zeigen sich skeptisch bis ablehnend.

In der Zwischenzeit wurden neue Modelle vorgeschlagen. Der Pensionskassenverband glänzt mit einem guten Lösungsvorschlag. Letzte Woche hat sich der Baumeisterverband zusammen mit den Banken und der Detailhandelsbranche mit einem Modell in die Diskussion eingebracht (vgl. Seite 1). Sie stellen sich explizit gegen die Neueinführung von Rentenzuschüssen. Alle Vorschläge sind deutlich billiger. Und alle Varianten zeigen Lösungswege zu einer nachhaltigen Reform auf. Zu Recht hat die NZZ letzte Woche in einem Kommentar getitelt: «Der Widerstand lässt hoffen». Was aber noch wichtiger ist: Aufgrund dieser Varianten lässt sich ein mehrheitsfähiger Kompromiss ohne neue Rentenzuschüsse finden – der Schweizerische Gewerbeverband wird dazu aktiv Hand bieten.

Von einer BVG-Apokalypse sind wir damit weit entfernt, Schreckensszenarien sind verfehlt. Sie zeigen höchstens auf, wie die NZZ zu Recht feststellt, dass es sich beim bundesrätlichen Vorschlag um einen «brüchigen Sozialpartner-Kompromiss» handelt. Ebenso auf den Punkt brachte das Blatt die Kritik der Gewerkschaften: «Plump hielt der Gewerkschaftsbund fest, der Widerstand komme von den Banken und ihren Gehilfen.» Die Angstmacherei und die Kritik zeigen schliesslich nur eines: die schlagkräftigen Argumente sind auf Seiten derjenigen, die einen vernünftigen Kompromiss ohne neue Rentenzuschüsse anstreben.

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