Publiziert am: 01.05.2020

Corona verseucht auch Altersvorsorge

SOZIALVERSICHERUNGEN – Der Schaden, den das Corona-Virus allenthalben anrichtet, ist gewaltig. Auch unsere Altersvorsorge wird zu leiden haben. Jeder weitere Leistungsausbauist auf lange Zeit hinaus kategorisch abzulehnen.

Bei einer stetigen Zunahme von Neurentnern ist die im Umlageverfahren finanzierte AHV dringend auf verlässliche, kontinuierlich wachsende Einnahmen angewiesen. Doch das wird in absehbarer Zukunft nicht mehr der Fall sein. Die aktuellsten Prognosen des SECO gehen von einem BIP-Einbruch von -6,7 Prozent aus (vgl. S. 2). Die Lohnsumme dürfte sinken und damit auch die Beitragseinnahmen der AHV, der Konsum dürfte einbrechen und damit auch die Mehrwertsteuereinnahmen der AHV. Selbst unter optimistischen Annahmen steuerte die AHV schon bisher auf rote Zahlen zu. Diese Zahlen werden nun tiefrot.

«Schon nur die Finanzierung der heutigen Sozialversicherungsleistungen wird zu einer Herkules-Aufgabe. JEGLICHER Ausbau liegt schlicht nicht drin.»

Luftschloss Nationalbankgewinne

Die im Kapitaldeckungsverfahren finanzierte 2. Säule trifft es noch härter. Gemäss Swisscanto haben sich die Deckungsgrade der privatrechtlichen Vorsorgeeinrichtungen im 1. Quartal 2020 um rund 10 Prozentpunkte verringert. Es wurden somit Buchverluste von rund hundert Milliarden Franken eingefahren. Über den Daumen gepeilt hat die ­2. Säule in einem einzigen Quartal in etwa das Geld verloren, das sie in zwei Jahren über Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge einkassiert. Wie rasch diese Einbussen kompensiert werden können, ist fraglich.

Die Renten sind nach wie vor sicher. Sicher ist aber auch, dass harte Zeiten auf die 2. Säule zukommen und Sanierungsmassnahmen wieder zu einem Thema werden.

Bis vor kurzem kursierte von links bis rechts das Hirngespinst, die sich öffnenden Löcher unserer Altersvorsorge mit Nationalbankgewinnen zu stopfen. Diese Luftblase ist gründlich geplatzt, hat doch die Nationalbank im ersten Quartal 2020 einen satten Verlust von 38 Milliarden Franken eingefahren. In Anbetracht dieses enormen Wertverlusts ist hoffentlich allen Hasardeuren klar geworden, dass es verantwortungslos wäre, AHV- und BVG-Renten mit fiktiven, höchst unsicheren Nationalbankgewinnen finanzieren zu wollen.

Kein weiterer Ausbau des Sozialstaats

Welche Schlussfolgerungen gilt es aus der höchst unerfreulichen Situation zu ziehen?

Erstens: Bei der anstehenden AHV-Revision muss der angespannten Finanzlage der Betriebe und der Versicherten hohe Beachtung geschenkt werden. Die Zusatzbelastung muss minimiert werden, sprich: Es dürften maximal zusätzliche 0,3 Mehrwertsteuerprozente eingefordert werden. Auf kostspielige Abfederungsmassnahmen ist zu verzichten. Zur Entlastung der AHV-Finanzen ist das Referenzalter einheitlich bei 65 Jahren festzulegen, und es ist rasch eine nachfolgende Revision in die Wege zu leiten, welche eine generelle Er­höhung des Rentenalters zum Ziel hat.

Zweites: Ende diesen Jahres werden sich deutlich mehr Vorsorgeeinrichtungen in einer Unterdeckung befinden. Es drohen schmerzhafte Sanierungsmassnahmen. Um die aktiven Versicherten und die Vorsorgeeinrichtungen zu entlasten, muss der BVG-Mindestumwandlungssatz dringend gesenkt werden.

Drittens: Die Renteneinbussen, die mit einer Senkung des BVG-Mindestumwandlungssatzes verbunden sind, gilt es abzufedern. Die Zusatzbelastung für Betriebe und Versicherte ist jedoch zu minimieren. Die unsäglichen Zusatzrenten, die die Gewerkschaften mit fragwürdigster Unterstützung des Arbeitgeberverbandes einfordern und die mittels höherer Lohnprozente finanziert werden müssten, gilt es ein für allemal bachab zu schicken.

Viertens: Betriebe und Versicherte werden noch während Jahren unter den Auswirkungen der Corona-Krise leiden. Das gleiche gilt für die öffentliche Hand, die sich noch nie in so kurzer Zeit derart stark neu verschuldet hat.

Allein die Finanzierung der heutigen Sozialversicherungsleistungen wird zu einer Herkulesaufgabe. Soviel ist schon heute klar: Jeder weitere Leistungsausbau ist auf lange Zeit hinaus kategorisch abzulehnen.

Kurt Gfeller, Vizedirektor sgv

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