Publiziert am: 19.02.2016

Darf ’s ein bisschen mehr sein?

TribĂĽne

N  ein, die Wirtschaft hat wahrlich kein einfaches Jahr hinter sich. Jobabbau, Umsatzrückgänge, Konkurse – das sind die traurigen Folgen des stark überbewerteten Frankens, mit dem die Wirtschaft und insbesondere die KMU seit über einem Jahr zu kämpfen haben. Gürtel enger schnallen, heisst die Devise.

Blicken die Unternehmerinnen und Unternehmer aber auf den Staat, dann reiben sie sich verwundert die Augen. «Krise? Welche Krise?», scheint man sich dort zu fragen. Während private Unternehmen in schwierigen Zeiten Kurzarbeit einführen müssen und sogar zu Lohnkürzungen sowie Personalabbau gezwungen sind, ist der Staat von solchen wirtschaftlichen Realitäten gänzlich unberührt. Dort herrscht immer Ausbaustimmung.

Wenn ich an die Entwicklung des Staatspersonals denke, kommt mir unweigerlich ein Witz des Aargauer Komikers Peach Weber in den Sinn. Auf sein Gewicht angesprochen, sagte dieser: «Ich halte mich da an den Mond. Wenn dieser zunimmt, nehme ich auch zu. Wenn er abnimmt, dann soll er doch.»

U  nd so werden in den Verwaltungen von Bund, Kantonen und Gemeinden jeden Monat über 500 zusätzliche Stellen geschaffen, wie die «Schweiz am Sonntag» schrieb. Positiv könnte man formulieren: Die Verwaltung ist die gewaltigste Jobmaschine der Schweiz! Da können Novartis, Swisscom, Swatch und Co. einpacken. Bloss, eine gute Nachricht ist das selbstverständlich nicht. Schon gar nicht für die Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land. Erstens zahlen sie mit ihren Steuern die Löhne dieser zusätzlichen Stellen mit. Und zweitens steigt mit der Anzahl der Beamten auch unweigerlich die Reglementierungsflut.

I  ch rufe an dieser Stelle gerne zwei Zahlen in Erinnerung. Der Bund schätzte 2014 die jährlichen Kosten, die den Unternehmen durch staatliche Regulierungen entstehen, auf 10 Milliarden Franken. Und diese Schätzung bezog sich lediglich auf zwölf errechnete Bereiche auf Bundesebene. Die geschätzten Gesamtkosten der Regulierungen für Wirtschaft und Gesellschaft belaufen sich sogar auf 60 Milliarden Franken. 60 Milliarden! Wiederkehrend – Jahr für Jahr. Dies zeigt das schwindelerregende Ausmass, welches der ­Bürokratiewahnsinn bereits angenommen hat. Zusätzliche Belastungen verträgt es nicht. Aber eben: Das Wachstum des Verwaltungsapparats lässt leider Schlimmes vermuten.

I  ch gebe FDP-Präsident Philipp Müller recht, wenn er mit Blick auf das Wachstum des Staatspersonals konstatiert: «Die Zunahme findet leider überdurchschnittlich im unproduktiven Bereich statt.» Im Klartext: Nicht die Zahl der kreativen, innovativen und unternehmerischen nimmt zu, nein: Mon­sieur le Bureau wird fett und fetter. Und da sich Arbeit bekanntlich auf genau das Mass ausdehnt, wie Zeit für deren Erledigung zur Verfügung steht, ist vom weiter aufgeblähten Verwaltungsapparat sicher keine Effizienz­steigerung zu erwarten.

D  abei wäre auch auf Bundesebene dringend Sparen angesagt. Bundesrat Ueli Maurer warnte, dass ab 2019 ein Milliardendefizit drohe. Doch was Sparen für Bundesbern heisst, machte der «Blick» erst kürzlich publik. Trotz Jammern über Spar­pakete, ausbleibender Lohnrunden und angeblich massiver Einschnitte sieht die Realität anders aus: Zwischen Januar und November 2015 ist das Heer der Staatsangestellten um 301 Personen gewachsen. Das heisst: jeden Tag ein zusätzlicher Beamter.

D ies zeigt, dass auch ein bürgerlich ­dominiertes Parlament und ein bürgerlich dominierter Bundesrat noch lange keine Garanten sind für einen schlanken und effizienten Staat. Vielleicht ist nach der Stärkung des bürgerlichen Lagers nach den Wahlen vom letzten Herbst ja mehr Elan da, um Gegensteuer zu geben.

I  mmerhin wurde Ende Jahr schon mal ein wichtiger Pflock eingeschlagen, um diese unheilvolle Entwicklung zu bremsen. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat eine Motion der Finanzkommission gutgeheissen, welche eine «Schmerzgrenze» für den Personaletat festlegt. Konkret: Erreicht der Personalbestand des Bundes 35 000 Vollzeitstellen, wird er eingefroren. Neue Stellen müssten intern kompensiert werden. Die Bundesverwaltung kratzt an dieser «Schmerzgrenze»: Ende November 2015 betrug die Zahl der Vollzeitstellen bereits 34 930, wie der «Blick« berichtete. Derzeit arbeitet der Bundesrat einen Bericht dazu aus. Dieser wird zeigen, wie ernst es ihm mit dem Sparen ist. Ich bin gespannt.

*Marcel Schweizer ist Präsident des Gewerbeverbandes Basel-Stadt und Inhaber eines Gartenbau-Unternehmens.

Die TribĂĽne-Autoren geben ihre eigene Meinung wieder; diese muss sich nicht mit jener des sgv decken.

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