Publiziert am: 18.02.2022

Das Leben der Untoten

ZOMBIEFIRMEN – Etwa 30 Prozent des unternehmerischen Kapitals Griechenlands ist in Zombiefirmen gebunden, in Italien und Spanien über 20 Prozent, in Deutschland und Österreich 15. Und in der Schweiz?

Auf den ersten Blick sind die Zahlen, die über die Organisation für ökonomische Entwicklung und Zusammenarbeit OECD publiziert wurden, erstaunlich. Bei der Schweiz ortet die Organisation einen Kapitalanteil von etwa 10 Prozent bei Zombiefirmen.

Was ist eine Zombiefirma?

Ein sogenannter Zombie ist ein hoch verschuldetes Unternehmen, das aufgrund seines unprofitablen Geschäftsbetriebs nicht in der Lage ist, die Zinsen von aufgenommenen Krediten zu zahlen. Um das kurzfristige Fortbestehen einer Zombiefirma zu sichern, werden häufig neue Kredite aufgenommen, mit denen die Zinsen und unter Umständen auch Tilgungen von bestehenden Krediten gezahlt werden. Dieser Prozess ist in einem Negativ- oder Niedrigzinsumfeld, wie es seit Längerem besteht, besonders ausgeprägt.

Im Einzelnen kein Problem

Im Prinzip ist die Firma schon tot, weil sie eigentlich insolvent wäre. Die tiefen Zinsen und die Bezahlung fälliger Zinsen mit neuen Krediten erlaubt es den Firmen jedoch, weiterhin Leben vorzutäuschen. Daher der Ausdruck «Zombie». Die meisten Zombies können nicht eigenständig, ohne Kredite, leben. Sie sterben aber auch nicht ganz, d. h. sie werden vom Strukturwandel nicht betroffen, weil sie mit billigen Krediten aufrechterhalten werden.

Warum sind Zombiefirmen ein Problem? Das kommt auf den Blickwinkel an. Für die Firma selbst ist ihr «Zombietum» grundsätzlich kein Problem. Letztlich sind es steigende Risiken der Unternehmerinnen und Unternehmer, und wenn sich diese Risiken materialisieren, verlieren diese ihr Kapital. Für die Geldgeber ist es grundsätzlich auch kein Problem. Denn sie gehen kalkulierte Risiken ein, wenn sie den Zombiefirmen Geld ausleihen. Kann das Geld nicht zurückbezahlt werden, entstehen Verluste. Aber die waren von Anfang an im Kalkül des Geldgebers miteinbezogen.

Volkswirtschaftliches Klumpenrisiko

Trotzdem warnt die OECD vor den volkswirtschaftlichen Risiken, die von Zombieunternehmen ausgehen. Sie verstopfen nämlich den Markt, verlangsamen den Strukturwandel und binden Ressourcen, die andernfalls von produktiven Unternehmen verwendet werden könnten. Also: Alles eingangs erwähnte Kapital, das zum jetzigen Zeitpunkt in unproduktiven Firmen gebunden ist, hätte besser aktives Unternehmertum unterstützt. Und damit Arbeits- und Ausbildungsplätze geschaffen und das Wirtschaftswachstum und die Lebensqualität vorangetrieben.

Die Ressourcen, die Zombieunternehmen binden, sind unter anderem Kapital, Arbeitskräfte und Marktanteile, die bei einem normalen Zinsniveau, also unter fairen Wettbewerbsbedingungen, von produktiveren Konkurrenten verwendet würden.

Zinserhöhung als Sollbruchstelle

Eine Sollbruchstelle gibt es: Mit steigenden Zinsen wird es für die Zombieunternehmen zunehmend schwieriger werden, die Zinslast ihrer Kredite zu tragen. Wenn die Zinsen für die Refinanzierungs-kredite deutlich höher sind als die Zinsen der alten Refinanzierungskredite und die Zombiefirma nicht in der Lage ist, den Unterschied zu tragen und keine neue Geldgeber findet, wird sie insolvent.

Wenn sich das Zinsniveau generell erhöht, sind auf einen Schlag viele Firmen davon betroffen. In diesem Falle kommt es zu einer Pleitewelle. Es droht also eine massenhafte Marktbereinigung bei den betroffenen Firmen. Und das ist dann für die gesamte Volkswirtschaft ein Problem.

«Mit steigenden Zinsen wird es für die Zombieunternehmen zunehmend schwieriger werden, die Zinslast ihrer Kredite zu tragen.»

Gerade deswegen kann sich die Schweiz glücklich schätzen, wenn nur etwa zehn Prozent des unternehmerischen Kapitals auf diese Weise gebunden sind. Und dennoch: Im Januar 2022 verzeichnete das Land so viele Pleiten wie nie zuvor..Sc

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