Publiziert am: 22.01.2021

Der Bundesrat wird zum Härtefall

Die Infektionsrate, die Positivitätsrate, die Hospitalisierungen und die Belegungen auf den Intensivstationen sind seit Wochen rückläufig. Dennoch hat der Bundesrat die Covid-19-Massnahmen nicht nur verlängert, sondern nochmals massiv verschärft. Er zeigt nicht auf, wie wir die Risikogruppen von 6 Prozent unserer Bevölkerung durch geeignete Konzepte schützen können, nein, er befiehlt einen grossen Teil der übrigen 94 Prozent in den Lockdown. Der Bundesrat zerstört so längerfristig Gewerbebetriebe, Arbeitsplätze, Lehrstellen, Wohlstand und unzählige selbstständige mittelständische Existenzen. Der Bundesrat wird zur Zumutung für die Schweiz. Der Bundesrat wird zum Härtefall für die Schweiz.

Doch immer mehr Menschen sind zu Recht nicht mehr bereit, diese Corona-Massnahmen mitzutragen. Das hat ganz entscheidend mit dem Auftritt der Bundesräte an der Medienkonferenz vom 13. Januar zu tun. Die Bundesräte präsentierten sich in einer Art Plexiglasaquarien, und sie trugen neuerdings Gesichtsmasken sogar beim Sprechen, um der Bevölkerung die ernste, ja lebensgefährliche Dringlichkeit der Situation möglichst handfest vor Augen zu führen – übrigens die gleichen Masken, die für denselben Bundesrat vor einigen Monaten noch unnütz, ja schädlich waren. Wir würden ja dem Bundesrat bereitwilliger vertrauen, wenn er seine Massnahmen präzise begründen könnte. Mit nachvollziehbaren Zahlen, Fakten und Details. Doch die Ausführungen von Gesundheitsminister Alain Berset waren total oberflächlich. Zuvor hat er in den Medien seine geplanten Massnahmen ganz gezielt gestreut, um den von ihm erwünschten öffentlichen Druck für einen harten Lockdown herzustellen. Dieser Bruch des Kollegialitätsprinzips hat wiederum dazu geführt, dass der Bundesrat seinen Entscheid nicht mehr im freien Austausch der Argumente beschliessen konnte. Die Instrumentalisierung der Journalisten für die eigene Position ist der nicht akzeptable Versuch, die eigene Position im Gremium durchzusetzen.

Personen aus Bersets Umfeld bestätigen, dass er am liebsten einen Total-Lockdown verfügt hätte und wenig Verständnis aufbringt für die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kollateralschäden seiner Politik. Man spürte an der Medienkonferenz, dass die Stimmung im Bundesrat nicht gut ist. Wenn an einem solchen Ereignis mit Bundespräsident Guy Parmelin, Finanzminister Ueli Maurer und dem Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker gleich drei SVP-Vertreter auftreten müssen, sind ganz schlimme Nachrichten zu erwarten. Denn die guten Nachrichten verkünden die Politiker der Linken und der Mitte sehr gerne selber. Ueli Maurer waren die Verschärfungen und die damit verbundenen neuerlichen Milliardenkosten sichtlich unangenehm. Das ist durchgebrochen, als er irgendwann sagte, er müsse jetzt seinen Frust loswerden: Was hier mit grosser Leichtfertigkeit entschieden wurde, habe finanzielle Auswirkungen für die nächsten fünfzehn bis zwanzig Jahre.

Als gefragt wurde, warum die Blumenläden im Gegensatz etwa zu den Buchgeschäften offenbleiben dürften, erreichte die Absurdität ihren Höhepunkt. Der zuständige Beamte antwortete, die Blumenläden blieben geöffnet, weil der Bundesrat dies so entschieden habe. Ein Roman von Franz Kafka könnte die aktuell herrschende Willkür nicht besser beschreiben.

Nachvollziehbare Entscheidungsgrundlagen, Daten, Fakten oder Varianten zum verfügten Lockdown waren nicht zu erhalten. Irgendwann versprach sich Alain Berset, indem er auf die Massnahmen des Auslandes verwies. Und hier liegt der Hund tatsächlich begraben: Der Bundesrat will unter keinen Umständen einen anderen Weg gegenüber den Nachbarländern, gegenüber der Europäischen Union beschreiten. Der jetzt verfügte Lockdown hängt in erster Linie mit der EU zusammen, viel weniger mit dem Covid-19-Virus oder seiner Mutation. Die Ladenschliessungen sind nichts anderes als ein vorgezogenes institutionelles Abkommen.

* Der Zürcher SVP-Nationalrat Roger Köppel ist Chefredaktor und Verleger des Wochenmagazins «Die Weltwoche».

www.weltwoche.ch

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