Publiziert am: 09.04.2021

Der Fisch stinkt vom Kopf

CORONA-KRISE – Das Bundesamt für Gesundheit unterläuft die bundes­rätliche Teststrategie, indem es inno­vativen Unternehmern Knüppel zwischen die Beine wirft. Der Gewer­be­verband findet das inakzeptabel – und wirft dem BAG Arroganz vor.

«Das Land braucht dringend Perspektiven», stellte die Gewerbezeitung in ihrer letzten Ausgabe fest. Gleichentags enttäuschte der Bundesrat all jene, die sich ein weniger zögerliches Vorgehen erhofft und auf ein baldiges Ende des seit Dezember geltenden Lockdowns gedrängt hatten. Dreieinhalb Monate später sind immerhin die Läden wieder offen, ansonsten herrscht dasselbe triste Bild: Beizen geschlossen, Kultur weggesperrt – das öffentliche Leben eingefroren. Derweil wächst der Unmut – nicht nur bei Jugendlichen, die sich in wüsten Krawallen Luft machen, sondern auch bei manch kleinen und mittleren Unternehmern. Die KMU leiden nach wie vor am stärksten unter der Krise, während sich Multis wie die Credit Suisse mit sich selber beschäftigen.

Phantasie- und perspektivlos

Mit dem für Wirtschaft und Gesellschaft katastrophalen, phantasie- und perspektivlosen Vorgehen des Bundesrats richten sich die Hoffnungen zunehmend auf das Testen, das Impfen und das Tracing von Kontakten. Doch auch hier: Enttäuschungen allüberall. Die Covid-App ist und bleibt ein Flop, die gross angekündigte Impfaktion verläuft im internationalen Vergleich im Schneckentempo, und beim Testen werden privaten Initiativen vom zuständigen Bundesamt für Gesundheit (BAG) Steine in den Weg gelegt, wo immer es geht. «Leider werden wir durch das Bundesamt für Gesundheit daran gehindert, die Teststrategie des Bundesrates umzusetzen», schreibt Unternehmer Matthias Gehring Ende März an BAG-Chefin Anne Lévy. Der Chef der Swiss Licht AG in Niederbüren (SG), Lichtplaner mit guten Kontakten nach China, wollte Corona-Selbsttests importieren – und wird vom BAG daran gehindert. Eine Validierung durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) – es ist als Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel eine Oberbehörde im Geschäftsbereich des deutschen Bundesministeriums für Gesundheit und damit der Schweizer Zulassungs- und Aufsichtsbehörde Swissmedic in Sachen «Flughöhe» vergleichbar – reiche nicht aus. «Die Listung durch PEI ist nicht mit unseren definierten Mindestkriterien konform und kann daher nicht anerkannt werden», beschied ein Mitglied des «Teams Covid-19» des BAG dem innovativen Unternehmer – nota bene anonym.

Wir lernen: Der Bundesrat hat eine Teststrategie, und das zuständige Amt tut alles Mögliche, um diese zu unterlaufen. Und, einmal mehr – und zwar mitten in der grössten Krise der vergangenen Jahrzehnte – die Musterschülerattitüde: Die Schweiz setzt eine höhere Messlatte an simple Tests als das benachbarte Ausland. «Wir können das besser», so die Message. «Swiss finish» pur.

Immer wieder das gleiche Bild

Ein ähnliches Bild zeigte sich schon Anfang März, als der Unternehmer und Arzt Thomas Krech aufzeigte, wie die Schweiz mittels Massentests innert acht Tagen den Weg aus dem Lockdown finden könnte. Von EDI-Chef und Bundesrat Alain Berset kam ein schroffes Njet, und BAGChefepidemiologe Patrick Mathys meinte kurz und knapp: «Es ist eine Illusion zu glauben, dass man alle positiven Fälle aufdecken kann, wenn zu einem Zeitpunkt alle Menschen getestet werden.» Wie gut die vom BAG selber empfohlenen «Lösungen» funktionieren, wurde letztmals anhand des Datendebakels beim vom Bund unterstützten digitalen Impfbüchlein meine-impfungen.ch klar: nämlich gar nicht.

«Inakzeptable Antwort»

Zurück zu Unternehmer Gehring: «Irritiert und mit grossem Befremden» habe man vom Schriftwechsel Kenntnis genommen, schreiben sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler und sein Stellvertreter Henrique Schneider zuhanden der BAG-Direktorin. In der anonymen, inakzeptablen Antwort werde «die Arroganz des BAG deutlich». – Mit Blick auf das BAG sagt Gesundheitsökonom Willy Oggier im Interview mit der sgz: «Krisen bringen in der Regel stärker zum Ausdruck, was bisher schon nicht funktioniert hat.» En

www.sgv-usam.ch

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