Publiziert am: 24.01.2020

Der Patron und die Pflaumen

FLEXIBILISIERUNG IN DER PRAXIS – Bei einem Podium in Klosters diskutierten Firmengründer und -chefs darüber, wie man auch dank der Digitalisierung flexible Arbeitsformen in der Praxis umsetzt.

Der Wunsch nach flexibleren Arbeitsformen ist bei Arbeitnehmern wie auch bei Arbeitgebern gross. Wie setzt man dies in der Praxis um? Diesem Thema widmete sich ein Podium in Klosters unter der Leitung von NZZ-Journalist Michael Schönenberger. Zu einer ersten Konklusion gelangten die Podiumsteilnehmer rasch, nämlich dass Flexibilität nicht in allen Branchen das Gleiche bedeute. Dies betonte insbesondere Nicole Barandun, Präsidentin des Gewerbeverbands der Stadt Zürich. «Viele unserer Mitglieder wollen den Kundenkontakt nicht aus der Hand geben. Die Kunden schätzen es, wenn immer derselbe Mitarbeiter sich um sie kümmert.»

Etwas anders sieht das berufsbedingt bei Viktor Calabrò, Gründer von coople.com, einer On-Demand-Plattform für flexible Arbeit, aus. Er sieht den Wunsch nach mehr Flexibilität bei der Arbeit vor allem als Chance für den Arbeitsmarkt. «Wir können es uns nicht leisten, hochqualifizierte Arbeitnehmer zu Hause zu lassen, nur weil wir ihnen nicht die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit bieten.»

Kinder müssen begeistert werden

Hansruedi Schafflützel, CEO der Verpackungsherstellerfirma Wipf AG, erzählte von seinen Angestellten: «Bei uns denken die kreativen Leute nach der Arbeit weiter. Das wäre ja auch Arbeitszeit, die man aufschreiben müsste, egal wo sie sich gerade befinden.» Da hilft die klassische Stempeluhr definitiv nicht weiter. Auch für Nicole Herzog, Verwaltungsratspräsidentin bei Sherpany, Marktführer für Sitzungsmanagement-Software, ist nicht der Ort der Arbeit entscheidend, kann die Firma ihre Angestellten doch auf der ganzen Welt rekrutieren. Trotzdem sei es nicht einfach, Fachkräfte zu finden. «Ich glaube, es wurde schlicht unterschätzt, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt haben wird.» Sie sei aber nicht der Meinung, dass man per se etwas falsch gemacht habe in der Vergangenheit, sondern nun die Gelegenheit habe, neue Formen zu finden.

«Ich denke, wir haben sehr wohl etwas falsch gemacht», warf Bernhard Mollet von Oetterli Kaffee in die Runde ein. «Was meine Kinder in der Schule erleben, das kann nicht begeistern. Wenn der Lehrer eine Pflaume ist und nicht einmal eine PowerPoint-Präsentation starten kann, wie soll er dann die Kinder für die IT begeistern?» Gelächter im Publikum, doch Mollet meinte es ernst und fuhr sogleich fort: «Wir brauchen nicht einfach Pädagogen, wir brauchen Menschen, die unsere Kinder begeistern können. Und keine Pflaumen.» Applaus brandete auf. Schon zuvor hatte Mollet in seiner Rolle als umsichtiger KMU-Patron das Publikum verzückt, als er sagte: «Meine Leute können 30 Tage ohne mich arbeiten. Dann brauchen sie mich, weil sie ihren Lohn wollen. Ich aber kann nicht einen einzigen Tag ohne meine Angestellten arbeiten.»uhl

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