Publiziert am: 25.01.2019

Die Mär vom Landverschleiss

ZERSIEDELUNGSINITIATIVE – Der ehemalige Zürcher SVP-Nationalrat Hans Rutschmann lehnt die radikale Initiative der Jungen Grünen ebenso ab wie der Berner BDP-Nationalrat Hans Grunder.

«Pro Sekunde wird in der Schweiz ein Quadratmeter Land verbaut.» Seit ich mich mit Politik und Raumplanung befasse, höre ich diesen Satz bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten. Einmal in die Welt gesetzt, wird er bei Diskussionen um die Raum- und Richtplanung oder bei Anpassungen an die Bau- und Zonenordnung von den Medien und Links/Grün regelmässig zitiert. Der Satz tönt auch immer gut in Podiumsdiskussionen – aus dem Mund der Bauverhinderer.

Längst überholte Behauptung

Der Satz eignet sich auch vorzüglich für die Lancierung von Initiativen zur Verhinderung von Bauvorhaben und bei der Abstimmungspropaganda für immer neue, zusätzliche Vorschriften im Bau- und Planungsbereich. Zugegeben: Der Satz kann einem Angst einflössen. Immer mehr Leute brauchen mehr Wohnraum. Und irgendwann ist dann die ganze Schweiz zubetoniert. Mit dieser Angst hantiert auch das Initiativkomitee zur Zersiedelungsinitiative.

Die Behauptung, «jede Sekunde wird ein Quadratmeter Land verbaut», ist aber längst überholt und hat mit der Realität nichts zu tun.

Nur ein Viertel für Häuser und Co.

Die gesamte Siedlungsfläche nahm zwischen 1997 und 2009 um insgesamt 0,69 Quadratmeter pro Sekunde zu. Es lohnt sich aber auch, die 0,69 Quadratmeter Landverbrauch genauer zu betrachten. Die eigentliche Gebäude- und Verkehrsfläche nahm nämlich «nur» um ungefähr 0,25 Quadratmeter pro Sekunde zu. Damit verbrauchen wir für neue Häuser und Strassen also nur etwa einen Viertel dessen, was immer noch munter behauptet wird. Der grosse Rest wird für Erholungs- und Grünanlagen oder den Gebäudeumschwung verbraucht. Bei Hausgärten, Parkanlagen oder einer Liegewiese bei Schwimmbädern kann man aber definitiv nicht von einem «Zubetonieren der Landschaft» sprechen.

Rund 7,5 Prozent Siedlungsfläche

Gemäss dem Bundesbüchlein zur Zersiedelungs-Initiative stieg die Bauzonenfläche bis 2012 stetig an. Seither setzte aber eine Trendwende ein. So blieb die Gesamtfläche der Bauzonen konstant, obwohl die Bevölkerung von 7,4 Millionen auf 8 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner wuchs. Sodann beträgt die gesamte Siedlungsfläche in der Schweiz ungefähr 7,5 Prozent. Dabei von einer Zubetonierung der Schweiz zu sprechen, ist also gewagt.

Selbstverständlich müssen wir mit dem Boden haushälterisch umgehen. Was aber tatsächlich auch geschieht. Mit der Verschärfung des Raumplanungsgesetzes 2013 wurde dafür die gesetzliche Grundlage geschaffen. So sollen die Siedlungs­entwicklung nach innen gefördert und zu grosse Bauzonen reduziert werden.

Dass die bauliche Verdichtung tatsächlich stattfindet, ist an zahlreichen Überbauungen in den letzten Jahren deutlich sichtbar. Ein absoluter Einzonungsstopp, wie ihn die Zersiedelungsinitiative fordert, ist aber unrealistisch. Gemäss Prognosen soll die Schweiz bis zum Jahr 2050 bis zu 10 Millionen Einwohner zählen. Da würde ein Einfrieren der Bauzonenfläche zu einer Verknappung und damit Verteuerung des Wohnens führen. Die Zersiedelungs-Initiative ist aus diesen Gründen klar abzulehnen.

Hans Rutschmann, alt Nationalrat SVP/ZH, ehem. Präsident KGV Zürich

www.zsi-nein.ch

DAS NEIN DER BDP

«Der Tourismus käme faktisch zum Erliegen»

Der Berner BDP-Nationalrat Hans Grunder (Bild) zu den Gründen, weshalb seine Partei die Zersiedelungsinitiative zur Ablehnung empfiehlt.

Schweizerische Gewerbezeitung: Weshalb lehnt die BDP die Zersiedelungs-Initiative ab?

Hans Grunder: Die Initiative ist gut gemeint und hat einen verführerischen Titel, erreicht aber das pure Gegenteil. Die BDP hat sich stark für die Raumplanungsrevision I eingesetzt, und mit dieser Revision sind die richtigen Instrumente geschaffen worden, um die Zersiedelung wirksam zu stoppen. Bis Ende April müssen alle Kantone ihre Richtpläne beim Bund einreichen. In diesen Richtplänen werden die heutigen Bauzonen zum Teil massiv reduziert. Werden nun bei einer Annahme der Initiative am 10. Februar die Bauzonen eingefroren, was die Initiative verlangt, würde genau diese Massnahmen zunichte gemacht.

Was würde eine Annahme der Initia­tive für Berg- und Randregionen bedeuten?

Mit der Annahme der Initiative würde den Kantonen und insbesondere den Gemeinden schlicht jeder Planungsspielraum genommen. Es würden nicht nur die heutigen Bauzonen eingefroren, faktisch würde in Bezug auf die Gestaltung der Zonengrössen das Planen verboten. Für Berg- und Randregionen würde dies bedeuten, dass jegliche, auch nur minimale Entwicklung verunmöglicht würde. Die Folgen wären fatal und würden zwangsläufig zur Entvölkerung dieser Gebiete führen, der Tourismus käme faktisch zum Erliegen.

Was bedeutet die Initiative für den Föderalismus?

Die Initiative verlangt eine Umlagerung des heute rechtmässig eingezonten Baulandes. Analog des Waldgesetzes dürfte nur noch Bauland eingezont werden, wenn an einem anderen Ort die gleiche Baulandfläche ausgezont würde. Dies würde bedeuten, dass zum Beispiel Bauland aus einer Walliser Gemeinde in die Stadt Zürich transferiert werden müsste. Die Planungshoheit ist aber Sache der Kantone respektive der Gemeinden. Wollte man also die Initiative umsetzen, müsste man die heutige Planungshoheit den Gemeinden und Kantonen entziehen und vollständig dem Bund übertragen. Damit würde man unser bewährtes föderalistisches System in einem sehr wichtigen Bereich mit Füssen treten.

Interview: En

www.bdp.info

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