Publiziert am: 01.07.2022

Dunkle Wolken ziehen auf

BVG-REFORM – Die sozialpolitische Kommission des Ständerats muss bei der BVG-Reform nochmals über die Bücher. Die Zeichen mehren sich, dass die Reform erneut scheitern könnte.

Zurück auf Feld 1? Nicht ganz. Aber zumindest zurück in die vorberatende Kommission. Der Ständerat zeigte sich bei der BVG-Revision unbefriedigt von den getätigten Vorarbeiten und schickte die Vorlage nochmals zurück in die Kommission.

Unwürdige Flickerei

Gut so. Denn so, wie hier gearbeitet wurde, geht es wirklich nicht. Begonnen hat es damit, dass die Kommission die Vorlage des Nationalrats trotz jährlicher Mehrkosten von drei Milliarden Franken als zu knausrig erachtete. Eine seltsame Koalition aus Linken, Grünen und Freisinnigen bastelte sich eine neue Vorlage und verabschiedete diese, ohne zu wissen, was das Ganze kosten würde. Als zutage trat, dass rein die Massnahmen für die Übergangsgeneration fast dreimal so teuer zu stehen kommen würden als beim Nationalrat, erschraken die Freisinnigen und distanzierten sich von dem, was sie kurz verbrochen hatten. In Windeseile wurde eine moderatere Fassung zusammengeflickt, die aber immer noch viel zu teuer ist. Dieses Gebastel war dem Ständerat nicht geheuer. Die Kommission muss nochmals über die Bücher.

Erst ein Reformanlauf geglückt

Das BVG zu reformieren, ist enorm schwierig. In der mittlerweile 40-jährigen Geschichte dieses Sozialwerks hat bisher erst ein Reformanlaufreüssiert. Speziell schwierig sind BVG-Reformen, weil nur wenige Stimmberechtigte die Mechanismen der beruflichen Vorsorge wirklich verstehen und daher anfällig auf polemische Attacken sind. Korrekturen beim BVG haben sehr direkte Auswirkungen auf unsere späteren Renten, was misstrauisch macht. Und meist stehen auch viel zu hohe Erwartungen im Raum, die entweder enttäuscht werden oder dann aber viel zu hohe Mehrkosten zur Folge haben.

Der jetzige Reformversuch startete bereits sehr unglücklich, indem sich die Spitze des Arbeitgeberverbandes auf ein Projekt der Gewerkschaften einliess, das enorm teure, lohnprozentfinanzierte Umverteilungen nach dem Giesskannenprinzip verlangte. Wie nicht anders zu erwarten war, fiel diese Vorlage in der Vernehmlassung durch. Trotzdem hielt der Bundesrat am Ansatz der Rentenzuschläge fest. Das mit der abenteuerlichen Begründung, dass es sonst keine Vorschläge gebe, die sowohl links als auch rechts auf eine gewisse Zustimmung stiessen.

Unrealistische Erwartungen

Speziell schwierig sind BVG-Reformen wegen der viel zu hohen Erwartungen unterschiedlichster Kreise. So sollen am liebsten alle Renten – sicher aber die der Frauen und der Teilzeitbeschäftigten – erhöht werden. Die Linke will generell viel mehr Umverteilung. Bund und Kantone wollen die Ergänzungsleistungen entlasten. Das Ganze soll administrativ einfacher und transparenter werden, und die Beitragszahler sollen nicht übermässig stärker belastet werden. All diese Erwartungen lassen sich schlicht nicht unter einen Hut bringen, sodass am Schluss alle irgendwie enttäuscht sein werden. Schlechte Voraussetzungen für eine Volksabstimmung!

Problematisch ist auch die lange Wirkungsdauer von BVG-Korrekturen. Viele Massnahmen zeigen nur bei jenen Versicherten ihre volle Wirkung, bei denen sie den ganzen Sparprozess über – also während vierzig Jahren – zur Anwendung gelangten. Wer sich der Illusion hingibt, man könne im BVG an gewissen Schrauben drehen, und das wirke sich dann bereits am Tag danach positiv auf die eigene Rente aus, wird enttäuscht. Erschwerend kommt hinzu, dass der fehlende BVG-Teuerungsausgleich in der öffentlichen Diskussion wohl bald schon als viel störender erachtet werden dürfte als der zu hohe Mindestumwandlungssatz, der der eigentliche Treiber der Reformbestrebungen ist.

Unter keinem guten Stern

Die laufende BVG-Reform steht wahrlich unter keinem guten Stern. Die Stimmen häufen sich, die meinen, dass der Status Quo besser sei als all die Reformvorschläge, die im Parlament beraten werden. Dem zu entgegnen ist gar nicht so einfach.

Kurt Gfeller, Vizedirektor sgv

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