Publiziert am: 17.06.2022

Effizienz statt Bürokratie

ENERGIEPREISE – Der Gewerbeverband verlangt vom Bundesrat tatsächlich umsetzbare Vorschläge für die sichere Versorgung der Schweiz mit elektrischem Strom. Transportgewerbe, Energieverteiler und Detailhändler sind durch die steigenden Preisen unterschiedlich gefordert.

Seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine sind die Energiepreise stark gestiegen. Benzin und Diesel, Kerosin, Erdöl und Gas werden von Woche zu Woche teurer – mit Auswirkungen auf Konsumenten ebenso wie auf die Wirtschaft. Die Politik überbietet sich mit Vorschlägen, wie dem Problem zu begegnen sei; mit mässigem Erfolg.

Der Schweizerische Gewerbeverband sgv ist – auch hier – skeptisch, wenn es um Eingriffe des Staates geht. «Es ist nicht die Aufgabe des Bundes, unternehmerische Risiken abzufedern», sagt der stellvertretende sgv-Direktor Henrique Schneider. Der sgv verlangt vom Bundesrat tatsächlich umsetzbare Vorschläge für die sichere Versorgung der Schweiz mit elektrischem Strom. Dazu gehört insbesondere der Abbau von regulatorischen Hemmnissen, um den Zubau von Strom-Produktionskapazitäten zu beschleunigen.

Und wie sieht es in den Branchen aus? Die Gewerbezeitung wollte von Mitgliedern des sgv wissen, wie sie von den steigenden Energiepreisen betroffen sind, wie sie das Problem anpacken – und was die Politik tun oder lassen soll, um mit der Situation erfolgreich umzugehen.

Höhere Preise mit einberechnen

«In der Kostenstruktur eines Transportunternehmens machen die Treibstoffpreise bis zu 25 Prozent aus», sagt Thierry Burkart, Präsident des Schweizerischen Nutzfahrzeugverbands ASTAG, Aargauer Ständerat und Präsident FDP Schweiz. Viele Firmen arbeiteten zwar mit sogenannten «Dieselfloatern», d. h. dass die vereinbarten Frachtpreise je nach Entwicklung der Dieselpreise monatlich oder sogar wöchentlich um einige Prozentpunkte angepasst werden können. «Insgesamt funktioniert dieser Mechanismus gut.» Vor allem für Transportunternehmen mit wenigen Kunden und entsprechend kleiner «Marktmacht» sei es aber nicht ganz einfach, die Preissteigerungen tatsächlich weiterzugeben.

Die ASTAG-Mitglieder täten ihr Möglichstes, um die Routenplanung weiter zu optimieren, Wege und damit Treibstoff einzusparen. «Der Druck, die Produktivität laufend zu erhöhen, war jedoch schon in der Vergangenheit sehr gross», stellt Burkart fest. Weiteren Effizienzsteigerungen seien damit gewisse Grenzen gesetzt. «Umso wichtiger ist es – was die ASTAG bei jeder Gelegenheit betont – die höheren Preise in die Transportleistungen einzurechnen.» Das Strassentransportgewerbe sei nicht in der Lage, die Kostensteigerungen allein zu tragen.

Offener, intensiver Wettbewerb

«Der Ölmarkt funktioniert sehr gut zwischen den Marktteilnehmern», hält Daniel Hofer fest. Der Präsident von Avenergy Suisse sagt, es herrsche ein «offener und intensiver Wettbewerb» unter den Anbietern von raffinierten Produkten wie Benzin, Diesel, Heizöl oder Kerosin. In diesem Marktumfeld brauche es keine staatliche Intervention. Der Rohölmarkt sei grundsätzlich ebenfalls ein freier Markt, allerdings werde die Preisgestaltung stark von den Produzentenländern wie beispielsweise der OPEC gesteuert. «Dagegen hat der schweizerische Staat keine wirksame Handhabe. Wir können letztlich nur die Steuern und Abgaben, die auf den Mineralölprodukten erhoben werden, beeinflussen.» Dabei denkt Hofer insbesondere an die Mineralölsteuer und die Mehrwertsteuer, die zusammen rund die Hälfte des Treibstoffpreises ausmachen. «Wollte man die Inflation bremsen und die Kaufkraft der Bevölkerung bestmöglich erhalten, könnte man die Mineralölsteuer senken und so den Konsumentinnen und Konsumenten Geld belassen, das sie anderweitig ausgeben könnten. Zudem würde dadurch die Transportlogistik weniger belastet, was sämtlichen Gütern des täglichen Bedarfs zugutekäme. Dies wiederum würde helfen, die Inflation einzudämmen.»

Die Anbieter von Mineralölprodukten müssten immer auf die Preisbewegungen in der globalen Öl-Wertschöpfungskette reagieren. Da die Preisbewegungen rasch durch die ganze Wertschöpfungskette bis zum Endverbraucher weitergegeben würden, seien sie keine besondere Herausforderung. Ein hohes Preisniveau verteuere jedoch die Finanzierung, weil mehr Kapital für den Einkauf benötigt werde. «Dies kann besonders kleinere Unternehmen in ihrer Weiterentwicklung behindern.»

Auf hohem Niveau eingependelt

Daniela Decurtins, Direktorin des Verbandes der Schweizerischen Gasindustrie (VSG), sagt: «An den europäischen Handelsmärkten stiegen die Erdgaspreise vom Frühjahr 2021 bis jetzt von 25 bis 30 Euro/MWh auf 70 bis 80 Euro/MWh. Nach der Invasion der Russen in die Ukraine stieg der Preis Ende Februar sogar weit über 200 Euro/MWh. Das hat dazu geführt, dass Gasversorger ihre Preise teilweise stark erhöhen mussten.» Inzwischen hätten sich die Preise auf einem hohen Niveau eingependelt. Sie seien jedoch aufgrund von möglichen Gaslieferstopps von Russland oder eines allfälligen Gasembargos der EU-Staaten sehr volatil. «Erfahrungen zeigen, dass es volkswirtschaftlich schädlich ist, wenn der Staat ins Preisgefüge eingreift», sagt Decurtins. Deshalb spreche sich die Schweizer Gaswirtschaft beispielsweise gegen eine Deckelung der Gaspreise aus. Die jetzigen Preise dürften das Tempo der Förderung der erneuerbaren Gase, insbesondere grünem Wasserstoff, beschleunigen, in der Schweiz wie auch in anderen Ländern Europas. «Diesen Aspekt darf man nicht ausser Acht lassen, wenn die Politik staatliche Eingriffe fordert und Preissignaleignoriert.» Grosse Erwartungen habe die Schweizer Gaswirtschaft an die Politik, um die Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Gase grundsätzlich zu verbessern. «Hier besteht ein grosses Handlungsfeld und viel Bedarf.»

Regulatorische Hürden abbauen

Für den Detailhandel sagt Dagmar Jenni, Direktorin der Swiss Retail Federation: «Die Schweizer Retailbranche ist von den steigenden Energiepreisen stark betroffen.» Im Segment «Möbel» hätten sich die monatlichen Kosten für Strom- und Heizkosten zum Teil vervierfacht. Die Preise für Getreide und Backwaren stiegen auch aufgrund der verteuerten Düngemittel, welche vornehmlich mit Gas produziert werden. Aluminium, Stahl, Holzfasern und Kunststoff wiederum würden derzeit überwiegend mit fossiler Energie produziert, was auch in diesen Bereichen zu steigenden Preisen führe. Dies wiederum führe auch zu einer Verteuerung von Verpackungen, Kühlanlagen, Backöfen und Ladenbaumaterial. Dazu komme eine zunehmende Knappheit bei Waren und Gütern. «In der Summe ist der Detailhandel mit höheren Einkaufspreisen für Handelsprodukte, höheren Logistik- und Transportkosten, höheren Heizkosten, höheren Betriebskosten und höheren Baupreisen konfrontiert.» Mit einer noch effizienteren Tourenplanung in der Logistik, einem Ausbau der Photovoltaikanlagen sowie der konsequenten, flächendeckende Umrüstung der Beleuchtung auf LED versuche die Branche, sich noch weiter zu optimieren.

Die Swiss Retail Federation sei der Ansicht, dass man grundsätzlich den freien Markt spielen lassen solle. Der Bund solle zudem rasch wirkungsvolle Massnahmen zur Sicherung der Energieversorgung ergreifen und gleichzeitig regulatorische Hürden wie etwa Bauauflagen im Hinblick auf den Einsatz von erneuerbaren Energien abbauen.En

positionspapier des sgvMehr Stromeffizienz – für alle

Für KMU ist Strom eine wichtige Ressource

«Eine sichere, günstige und treibhausgas-emissionsarme Versorgung der Schweiz mit elektrischem Strom ist ein zentrales Anliegen der KMU.» Diese Forderung hält ein aktuelles Positionspapier des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv fest. Doch: «Dieser Versorgungssicherheit steht ein sich erhöhendes Risiko einer Strommangellage gegenüber. Der sgv verlangt deshalb die rasche Einleitung von Massnahmen zur Reduktion dieses Risikos.» Vor allem seien die Stromproduktionsmöglichkeiten auszubauen und die Anreize für Stromeffizienz zu skalieren. Zudem seien auch Vorbereitungen für die Strommangel-lage zu treffen, indem Reserven gebildet und ein Notfallstab eingesetzt werde.

«Für KMU ist Strom eine wichtige Ressource», stellt der beim sgv fürs Thema Energieversorgung zuständige stv. Direktor Henrique Schneider fest. Die Erreichbarkeit der KMU, das Funktionieren ihrer Wertschöpfungsprozesse und der dazu gehörenden Infrastrukturen sowie die Umsetzung ihrer Bemühungen zur Senkung von Treibhausgasemissionen seien in hohem Masse mit elek-trischem Strom verbunden. «Dabei ist neben seiner Verfügbarkeit auch der Preis des Stroms wichtig», so Schneider weiter. Die Schweiz habe sich dabei am günstigsten Drittel der OECD zu orientieren. Schliesslich sei der treibhausgas-emissionsarme Schweizer Strommix ein Trumpf der Schweizer Klimapolitik. Sollte dieser aufgegeben werden, würden Unternehmen und Haushalte wegen des Emissionsausgleichs überproportional belastet.

Mehr Stromeffizienz – für alle

Bezüglich Stromeffizienz fordert das sgv-Positionspapier, dass die bestehenden Anreize attraktiver zu gestalten seien, indem etwa das Programm zur Erhöhung der Stromeffizienz allen Unternehmen zugänglich gemacht werden müsse.

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