Publiziert am: 18.08.2020

Eine trügerische Vorlage

VATERSCHAFTSURLAUB Teuer und in Anbetracht der Corona-Wirtschaftskrise unverantwortlich: Unternehmer und Parlamentarier aus CVP, FDP und SVP sowie der sgv und GastroSuisse warnten an einer Medienkonferenz vor dem Vaterschaftsurlaub. Es drohe Arbeitsplatzverlust, Überforderung der Sozialwerke und der Verlust der elterlichen Verantwortung.

«Unser Land steckt mitten in der schwersten Rezession seit bald 50 Jahren», rief Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv am Dienstag vor den Medien in Bern die aktuelle Wirtschaftslage in Erinnerung. «Der Staat muss einschneidende Sparmassnahmen ins Auge fassen. Die Sicherung der bestehenden Sozialwerke wird uns gewaltige Opfer abverlangen», ist sich Bigler sicher. «Den Sozialstaat weiter aufzublähen ist daher keine Option.»

Mit der Änderung des Erwerbsersatzgesetzes (es ist der indirekte Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub – zum Nutzen der ganzen Familie») soll ein zweiwöchiger Vaterschaftsurlaub eingeführt werden. Er kann innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt des Kindes bezogen werden. Die Entschädigung erfolgt über die EO und ist gleich wie beim Mutterschaftsurlaub: Entschädigt werden 80 Prozent des Erwerbs­einkommens, höchstens aber 196 Franken pro Tag. Gegen die Vorlage wurde das Referendum ergriffen.

Eigenverantwortung dauert mehr als zwei Wochen

Die direkten Kosten des Vaterschaftsurlaubs sind mit 230 Millionen Franken beziffert. sgv-Direktor Bigler wies aber auf die indirekten Mehrkosten hin, die auch viele KMU empfindlich treffen würden. 500 bis 900 Millionen Franken betragen diese indirekten Mehrkosten gemäss einer vom Bund in Auftrag gegebenen Studie. «Wir stimmen also einem Sozialausbau zu, der bis zu einer Milliarde Franken jährlich kostet.» Bigler betonte, dass gerade für die KMU nebst den Mehrausgaben auch die zusätzlichen Absenzen ein Problem seien. Etwas überspitzt gesagt seien Klein- und Kleinstbetriebe darauf angewiesen, dass sie ihre Mitarbeitenden gelegentlich auch am Arbeitsplatz sähen und nicht nur auf den Lohnformularen.

Dennoch dürften gerade die Kosten nicht aus den Augen gelassen werden, warnte Ständerat Josef Dittli (FDP/UR). «Die für sich alleine marginal erscheinende Anhebung der Lohnabzüge ist trügerisch, denn sie reiht sich ein in eine Anzahl von bereits beschlossenen Massnahmen und Gesetzesprojekte, welche die Lohnkosten ebenfalls verteuern.» Die schleichende Erhöhung der Lohnkosten hält Dittli für Gift für die exportierende KMU-Wirtschaft, da ihre Konkurrenzfähigkeit dadurch beschädigt werde.

Einer der es wissen muss ist Michele Moor (CVP/TI). Der dreifache Vater und Unternehmer sagt, dass ein Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen das Verantwortungsbewusstsein der Väter gegenüber seinen Kindern nicht etwa stärke, sondern gar das Gegenteil bewirke: «Ein staatlich finanzierter Vaterschaftsurlaub untergräbt die elterliche Verantwortung und baut diese ab.» Es sei jedoch wichtig, dass sich Väter eigenverantwortlich um ihre Kinder kümmerten. «Und dies nicht zwei Wochen, sondern mindestens 18 bis 20 Jahre lang.»

Drohen bald 30 Wochen Elternzeit?

«Wir müssen es deutlich sagen: Die Geburt eines Kindes löst beim Vater keinen gesetzlichen Erwerbsausfall aus, den es mit einer Sozialversicherung zu kompensieren gälte», sagte der designierte FDP-Nationalrat Peter Schilliger. Der Luzerner Unternehmer wies auf die grenzenlose Anspruchshaltung der Befürworter hin: «Mit einem Volksentscheid für zwei Wochen Vaterschaftsurlaub sind sie nicht zufrieden. Mit Hilfe einer Volksinitiative für 30 Wochen Elternzeit werden sie auf dem parlamentarischen Weg 20 Wochen Elternzeit durchdrücken.»

Doch KMU könnten schon diesen Vaterschaftsurlaub weder organisatorisch noch finanziell stemmen. Zu diesem Schluss kommt Casimir Platzer, Präsident von GastroSuisse. Die Corona-Krise habe die Problematik noch verschärft. «Rund ein Drittel des Jahresumsatzes in der Gastronomie ist verloren. Unser Ziel ist es, Arbeitsplätze zu sichern. Jeder weitere Anstieg von Sozialkosten trägt zum Abbau von Arbeitsplätzen bei.»

Junge, fitte Männer finanzieren

Die Zürcher SVP-Gemeinderätin Susanne Brunner warnte vor einer Zweckentfremdung der Sozialversicherungen: «Wir stehen vor dem Sündenfall. Erstmals soll mit einer Sozialversicherung nicht etwa Armut oder eine existentielle Notlage aufgefangen werden, sondern junge, gesunde, fitte Männer möchten finanziert werden. Die Mittel werden uns dort fehlen, wo sich der Sozialstaat um die Schwachen kümmern sollte.» Mit einem Nein würde der Sozialstaat daher geschützt.

Der Vaterschaftsurlaub sei ein klassisches Element der gelebten Sozialpartnerschaft, findet Nationalrätin Diana Gutjahr (SVP/TG). Ein staatlicher Eingriff sei daher Fehl am Platz und für KMU-Betriebe desaströs. «Lassen wir die Diskussion betreffend Arbeits- und Lohnbedingungen deshalb dort, wo sie am besten entschieden werden, nämlich bei den Arbeitgebern und Sozialpartnern.» Aussagen wie ‘das Bizeli kann ein KMU schon noch tragen’ zeigen laut Gutjahr lediglich, «dass man deren Aufwände und finanziellen Möglichkeiten verkennt und weit weg von der Realität politisiert.»

Anhand des Abstimmungssujets zeigte das Komitee, worum es am 27. September geht: Gewerkschaften und Befürworter des Vaterschaftsurlaubs würden als Lohndiebe auftreten und allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit dem Griff in ihr Portemonnaie mehr von ihrem Lohn wegnehmen. Mit dem Nein zum Vaterschaftsurlaub habe es das Stimmvolk in der Hand, dies zu verhindern.

uhl

www.lohnabzuege-nein.ch

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