Publiziert am: 08.02.2019

Die Meinung

Einheit der Wirtschaft

Eines der heissesten Dossiers auf dem politischen Parkett ist momentan zweifellos das institutionelle Rahmenabkommen (InstA). Erwartungsgemäss fallen die Stellungnahmen sehr unterschiedlich aus. Auch der Vorstand des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv hat an seiner Sitzung von letzter Woche eine erste Auslegeordnung gemacht (vgl. Bericht auf Seite 1). Und wenig erstaunlich, die Meinungen in der Wirtschaft gehen auseinander. Ist die scheinbar fehlende «Einheit der Wirtschaft», wie gewisse Medienschaffende behaupten, tatsächlich ein Problem?

Vorgeprescht war Swissmem. Schon vor Weihnachten, gerademal eine halbe Woche nach Publikation des Vertragstextes, gab deren Präsident zu Protokoll, der Vertragsentwurf zu einem InstA sei – wortwörtlich – «massgeschneidert». Anders ausgedrückt, der Vorschlag der EU ist so gut, dass kein Yota am Text geändert werden muss. Jeder Buchstabe sitzt, tailor-made, genau zugeschneidert auf die Bedürfnisse der Schweiz. Der neue Direktor Swissmem relativierte diese Aussage seines Präsidenten schon einen Monat später bereits wieder, indem er «eine Rechtssicherheit herstellende Klärung bezüglich der Unionsbürgerrichtlinie und der Steuerhoheit der Schweiz» verlangte. Also doch nicht massgeschneidert…?

Anders economiesuisse, die «Ja, aber» sagt. Auch sie fordert Nachbesserungen bei den flankierenden Massnahmen, der Unionsbürgerrichtlinie und den staatlichen Beihilfen. Damit nimmt der Verband dieselben Bedenken auf, die auch in der Vorstands- und Gewerbekammersitzung des sgv angesprochen wurden. In der Debatte kamen zwei Dinge zum Ausdruck. Einerseits ist der Marktzugang zur EU und damit ein Rahmenabkommen wichtig und zielführend. Andererseits muss eine sorgfältige Kosten-Nutzen-Abwägung erfolgen. Richtigerweise hat der Vorstand des sgv indessen darauf verzichtet, zum heutigen Zeitpunkt eine Position zu beschliessen.

Die Erklärung liegt auf der Hand. Der Konsultationsprozess steht erst bevor und wird neue Überlegungen in die Diskussion einbringen. Zentral ist, in dieser Diskussion nicht bereits in den «Kampagnenmodus» zu verfallen. Zum heutigen Zeitpunkt geht es nicht um die Frage, InstA ja oder nein. Vielmehr wurde uns seitens EU einseitig ein Vertragstext präsentiert, den wir – immer gemäss Diktion der EU – zu akzeptieren hätten. Analysiert man nun die verschiedenen Stellungnahmen der Wirt-schaftsverbände im Detail, so fällt eines auf: Alle Stakeholder in der Wirtschaft monieren Mängel am Entwurf. Inhaltlich sind die angesprochenen Probleme mehr oder weniger deckungsgleich. Wie man sich dazu stellt, ist hingegen im «wording» unterschiedlich. Aber: Alle fordern Verbesserungsbedarf.

Können wir also angesichts dieser Ausgangslage von «fehlender Einheit der Wirtschaft» sprechen? Wohl kaum. Die Konsultation muss klären, wie mit den vom Bundesrat definierten «roten Linien» umzugehen ist und welche Verbesserungspunkte in den weiteren Gesprächen mit Brüssel aufzunehmen sind. Ebenso muss die Schweiz die Weiterverhandlungen um das InstA als Chance verstehen. Parallel zu den Weiterverhandlungen fordert der sgv deshalb ebenso, den eigenen Binnenmarkt zu stärken und die internationale Präsenz auszubauen.

Und zum Schluss noch dies: Auch wenn es dem einen oder anderen Wirtschaftsvertreter schwerfallen dürfte – das Primat liegt nicht einzig bei den Wirtschaftsinteressen. Wirtschaft und Gesellschaft und deren Interessen sind eine Einheit. Das Wohl des Volkes ist deshalb in die Überlegungen miteinzubeziehen, und das Stimmvolk hat in dieser Frage bekanntlich das letzte Wort.

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