Publiziert am: 12.08.2022

Die Meinung

Energieversorgung: Die Lage ist ernst

Die Schweiz steht vor einer Mangellage in ihrer Versorgung mit Energie. Das ist ein ernstes Problem. Und gerade deswegen ist der Dialog der Energieverantwortlichen mit der Wirtschaft umso wichtiger. Und umso dringender.

Seit mehreren Monaten – wenn nicht Jahren – zeichnet sich eine Energiemangellage in der Schweiz ab. Sie betrifft vor allem den elektrischen Strom, und dann auch noch das Gas. Beim Strom ist die Lage am kompliziertesten.

Denn einerseits steigt der Einsatz der Elektrizität kontinuierlich an. Mit Digitalisierung und der Substitution fossiler Energieträger – man denke an die Elektromobilität – wird man einfach mehr Strom brauchen. Gleichzeitig werden Produktionskapazitäten abgebaut.

Die Energiestrategie 2050 hat schlicht nicht den Zubau an Stromproduktion geliefert, den sie versprochen hat. Kernkraftwerke werden zunehmend abgeschaltet, Grosswasser- und Windkraftprojekte werden mit Einsprachen torpediert.

Seit Jahren macht der Schweizerische Gewerbeverband sgv politischen Druck für die Vereinfachung des Zubaus von Produktionskapazitäten für den elektrischen Strom. Als sich die Strommangellage zum ersten Mal konkret abzeichnete, im August 2021, forderte der grösste Dachverband der Schweizer Wirtschaft mehr Bemühungen für eine sichere Versorgung der Schweiz und eine Flexibilisierung des Betriebs der Speicherkraftwerke. Im April 2022 doppelte der sgv nach und verlangte die Abschaffung der Bewilligungspflicht für alle kleinere Projekte. Die Installation von Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen, Biogas sollte ein Entscheid der Haushalte und Betriebe sein. Der bürokratische Hürdenlauf ist kontraproduktiv und, wie die aktuelle Situation uns deutlich vor Augen führt, auch gefährlich. Der sgv fordert auch die Aussetzung der Einsprache-Möglichkeiten bei Grossprojekten der Wasser- und Windkraft. Solange die Ausbauziele der Energiestrategie 2050 nicht erfüllt sind, sollten bei den grossen Projekten keine Einsprachen möglich sein.

Man kommt nicht umhin, festzustellen, dass die Politik geschlafen hat. Diese und weitere Forderungen liegen seit Langem in den Verwaltungsstuben. Doch statt zu handeln, wurden sie als alarmistisch abgetan. Und inzwischen ist man so weit, dass man schon über Abschaltungen nachdenkt …

Was ist also zu tun, wenn die Mangellage eintrifft? Hier fordert der sgv eine Priorisierung der KMU bei der Versorgung mit elektrischem Strom. Die 99 Prozent der Wirtschaft sind das Rückgrat der Wertschöpfung. Es wäre falsch, dies in einer Mangellage aufs Spiel zu setzen.

Sollte es zu Engpässen kommen, fordert der sgv, dass mit den Branchen mittels Sparvereinbarungen gearbeitet wird. Es darf nicht zu einer aktivitätsbezogenen Regulierung kommen. Gerade bei der Mangellage ist die Wirksamkeit der Massnahmen zentral. Die Betriebe in den Branchen-Wertschöpfungsketten können am besten «bottom up»-Sparbeiträge eruieren.

Und nun zum Gas. Dort ist die Lage anders. Gas macht einen kleineren Anteil des Schweizer Energiemixes aus. Und bei Gas geht es um seine Beschaffung und Lagerung. Die Gasbranche arbeitet dafür unter Hochdruck und setzt – anders als die Strombranche – auf den Einbezug der Wirtschaft. Sollte es beim Gas zu einem Versorgungsengpass kommen, fordert der sgv auch hier die prioritäre Versorgung der KMU und die Zusammenarbeit mit den Branchen mittels Sparzielen. Die Positionen des sgv sind klar. Jetzt, da die Politik aufgewacht ist, kann man diese Forderungen in die Tat umsetzen.

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