Publiziert am: 22.05.2015

«Es ist eine neue Steuer!»

BILLAG-VORLAGE – Entgegen der Empfehlung seiner Bundesrätin Doris Leuthard spricht sich der welsche CVP-Politiker Pierre Kohler gegen das neue Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) aus.

Schweizerische Gewerbezeitung: Wie beurteilen Sie als Romand die Billag-Vorlage?

n Pierre Kohler: Zuerst muss ich festhalten, dass das System schon immer kompliziert war und es auch bleibt. Ich kann nicht verstehen, warum es eine Billag braucht, um eine Gebühr einzukassieren. In Wirklichkeit müsste es so funktionieren, dass der Bund in seinem Budget eine gewisse Kreditsumme aufführt, die er der SRG, den Lokalradios und den Privatfernsehsendern gewährt. So hätte man einen Budgetrahmen, und die Bezahlung würde via Steuern erfolgen. Das wäre viel einfacher, und eine zusätzliche Rechnung könnte so vermieden werden. Es wäre ein ganz anderes System, als das zurzeit geltende oder das neu vorgeschlagene. Ich denke, wir müssen Richtung Zertifizierung von Verwaltungsverfahren gehen. Und weil es sich um eine neue Steuer handelt, soll sie auch als solche erhoben werden.

«Diese Revision des Radio- und Fernsehgesetzes muss unbedingt abgelehnt werden.»

Sie sind also grundsätzlich gegen die Art der Gebührenerhebung durch die Billag?

n  Genau! Natürlich muss der Service public auf die eine oder andere Weise bezahlt werden. Tatsächlich hat es sich dabei schon immer um eine Steuer gehandelt, doch diese Wahrheit wurde gut kaschiert. Hinzu kommt, dass das Parlament, also die Volksvertreter, nichts mehr dazu zu sagen haben. Für die SRG, die eher Rationalisierungsmassnahmen ergreifen müsste, ist das wie ein Ruhekissen.

«Was unberechtigt genommen wurde, muss zurückgegeben werden!»

Wie schätzen Sie die Lage für Unternehmen ein?

n  Ich finde es inakzeptabel, dass KMU zur Kasse gebeten werden, obwohl bereits alle ihre Mitarbeitenden die Gebühr bezahlen. Zudem glaube ich nicht, dass in Betrieben Fernsehen geschaut oder Radio gehört wird. Möglicherweise findet man aber Zuschauer und Zuhörer in den Behörden.

Was halten Sie von der Abstimmungskampagne, die einen Monat vor dem Urnengang am 14. Juni heftig gefĂĽhrt wird?

n  Mit dem kürzlich gefällten Bundesgerichtsurteil hat sie noch mehr an Schwung gewonnen. Ich stelle fest, dass die Bevölkerung und die Unternehmen während vielen Jahren getäuscht wurden. Man hat die Mehrwertsteuer (MWSt) auf etwas erhoben, wo das nicht hätte der Fall sein dürfen. Für mich ist das ein negativer Höhepunkt – Erhebung der MWSt auf einer Steuer. Denn diese Gebühr ist eine Steuer; man muss die Dinge beim Namen nennen, was sie sind! Heute sieht man, dass die Schweizerinnen und Schweizer in der Regel zu viel bezahlt haben, und dass sie zu Unrecht auch noch diese MWSt berappen mussten.

«Es hat sich dabei SCHON IMMER um eine Steuer gehandelt, diese tatsache wurde bloss gut kaschiert.»

Was geschieht Ihres Erachtens in der Frage dieser MWSt im Falle einer Annahme der Gesetzesre­vision?

n  Das Problem zeichnet sich bereits ab: gemäss dem vorgeschlagenen neuen Gesetz ist vorgesehen, dass die MWSt weiterhin bezahlt werden müsste. Damit wird zugleich eine juristische Knacknuss geschaffen. Es müsste entschieden werden, ob die MWSt auf dieser Gebühr noch erhoben werden dürfte oder nicht – und sie dürfte nicht. Deshalb ist die vorgeschlagene Lösung ein Flickwerk. An dem Punkt, wo wir heute angelangt sind, ist die beste Art, die Dinge wieder ins Lot zu bringen, die Zurückweisung des Ganzen. Deshalb muss die Revision des Radio- und Fernsehgesetzes unbedingt abgelehnt werden.

Sind Sie der Meinung, diese zu Unrecht erhobenen MWSt-Beträge müssten zurückbezahlt werden?

n  Aber sicher! Diese Steuer wurde fälschlicherweise erhoben, und was unberechtigt genommen wurde, muss zurückgegeben werden. Das ist obligatorisch; ich hoffe, der Staat spielt nicht den Betrüger.

Mit welchen Argumenten könnten die Westschweizer Unternehmer und die Bevölkerung der Romandie überzeugt werden?

n  Der Service public ist wahrscheinlich notwendig, doch er muss mittels einer normalen Steuer finanziert werden und nicht durch eine Gebühr oder eine Abgabe. Heute bezahlen die Romands dasselbe wie die Deutschschweizer, doch sie erhalten mit Sicherheit weniger gute Dienstleistungen als letztere. Mit meiner Lösung wären Schiedssprüche auf Ebene der eidgenössischen Räte möglich, und die Parla­men­tarier hätten etwas dazu zu sagen. Heute ist das nicht der Fall, und das ist inakzeptabel. Darum muss man NEIN zur Billag-Mediensteuer stimmen!

Interview: François Othenin-Girard

 

ZUR PERSON

Früh eine politische 
Karriere absolviert

Pierre Kohler arbeitet als Anwalt. Der welsche CVP-Mann hat eine aktive politische Laufbahn hinter sich. Er war unter anderem vom 1993 bis 2002 Regierungsrat im Kanton Jura und stand dem Umweltdepartement vor. Zudem politisierte er von 2003 bis 2007 im Nationalrat. Seit 2009 ist er Stadtpräsident von Delémont. Kohler ist verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt in Delémont.

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