Publiziert am: 13.05.2022

Finger weg von privaten Daten

Mobilitätsdaten – Digitale Daten sind geschaffener Reichtum, der Gegenstand von Transaktionen auf dem Markt sein muss. Das gilt auch für Mobilitätsdaten. Der Staat soll möglichst die Hände davon lassen.

Der Bund will ein neues Gesetz über die Infrastruktur von Mobilitätsdaten verabschieden. Dazu läuft derzeit die Vernehmlassung. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass die Verkehrsinfrastruktur überlastet ist und bis 2050 im Personenverkehr um 11 und im Güterverkehr um 31 Prozent zunehmen wird. Das folgende Argument besteht also darin, eine Lösung für das fortgeschrittene Problem der Überlastung der Verkehrsnetze vorzuschlagen. Die Lösung ist letztlich staatlich: Verstaatlichung von Mobilitätsdaten, um jegliches kommerzielle Interesse daran zu unterbinden.

Schiene, Strasse – und Daten

Aber warum sollte sich der Staat mit einem zusätzlichen Dossier befassen? Die Rhetorik ist einen Blick wert. Im erläuternden Bericht betonen die Behörden zu Recht, dass die Infrastrukturen von Schiene und Strasse von systemischer Bedeutung sind. «Systemrelevanz» ist ein Modebegriff, den man gerne verwendet, wenn es darum geht, entweder Unterstützung zu beantragen oder sich zusätzliche Kompetenzen anzueignen.

Hier sind jedoch nicht mehr nur Schiene und Strasse systemrelevant, sondern auch die damit verbundenen Mobilitätsdaten. «Neben Schiene und Strasse müssen Daten als dritte systemrelevante Infrastruktur betrachtet werden, um von einem funktionierenden Mobilitätssystem zu profitieren», heisst es dazu im Bericht des Bundesamts für Verkehr. Und weiter: «Mit dem vorliegenden Entwurf soll die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen werden, dass der Bund die in der Schweiz notwendige Dateninfrastruktur bereitstellt, um ein effizienteres Mobilitätssystem zu erhalten, mit dem Ziel, die Nutzung von Mobilitätsdaten zu optimieren und Mobilitätsangebote zu vernetzen.»

Was kommt da noch?

Es würde demnach genügen, einen Bereich für systemrelevant zu erklären, wie es mit den Grossbanken in der Krise von 2008 begonnen hatte, und die Bundesbehörden hätten in diesem Bereich quasi ein Mitspracherecht. In diesem Tempo könnten auch Finanzdaten, Konsumdaten, Bildungsdaten, Daten über unsere Kontakte und schliesslich– warum auch nicht? – Daten über unsere Meinungsfreiheit zu systemrelevanten Daten werden, mit den Folgen der Überwachung und vielleicht höchst unerfreulichen Fehlentwicklungen, die dies in einigen Ländern mit sich bringt.

Zuverlässiger, weil staatlich?

Der Schweizerische Gewerbeverband sgv setzt sich für eine digitale Transformation ein, die hauptsächlich in den Händen des Marktes bleibt. Es steht deshalb ausser Frage, dass der Bund sich das Recht anmasst, alle Daten über die Mobilität für sich zu beanspruchen. Im Gegenteil: Der Staat soll sich um die Rahmenbedingungen kümmern und nicht übermässig eingreifen. Es ist nicht das Problem, dass er nicht die Möglichkeit hat, Daten zu erwerben – er kann sie immer noch von privaten Unternehmen kaufen oder Daten von der Privatwirtschaft erheben lassen. Das störende Element besteht darin, dass der Staat die kommerziellen Interessen an Mobilitätsdaten vernichten will, indem er selbst eine nationale Infrastruktur für diese Daten vorschlägt, die angeblich zuverlässiger sein soll, weil sie staatlich ist.

Es ist klar, dass eine solche Zentralisierung der Mobilitätsdaten zunächst eine gewinnbringende Wette für die Mobilitätsunternehmen sein könnte. Diese könnten auf der Grundlage dieses Dienstes Zugang zu einer Vielzahl von Daten erhalten und ihre Dienstleistungen noch besser entwickeln, wird argumentiert. Ja, aber alle Daten bleiben in staatlicher Hand. Der sgv ist klar der Meinung, dass, wenn der Staat immer mehr interveniert, um sich als nationales Zentrum der Datennetze und der verschiedensten Informationen zu positionieren, alle Märkte der digitalen Zukunft völlig von der staatlichen Datenlieferung abhängig werden. Ein solches systemisches Risiko der Staatsabhängigkeit ist viel zu gross, als dass der Markt sich darauf einlassen und seine unternehmerische Freiheit verlieren sollte.

Digitale Daten sind geschaffener Reichtum, der Gegenstand von Transaktionen auf dem Markt sein muss. Der Markt kann auf die Nachfrage reagieren, während der Staat Gefahr läuft, auf diesen digitalen Daten eine echte und teilweise unnötige Bürokratie aufzubauen.

Mikael Huber, Ressortleiter sgv

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