Publiziert am: 21.01.2022

Freiwillige Regelung sichert alle ab

Krankentaggeldversicherung – Die geltende Regelung, die insbesondere auf sozialpartnerschaftlichen Lösungen beruht, hat sich trotz allem grundsätzlich bewährt. Alle Forderungen nach einem «echten» Obligatorium wurden bisher abgewiesen.

Wird ein Mitarbeitender ohne Verschulden wegen Krankheit arbeitsunfähig, hat er Anspruch auf Lohnfortzahlung. Je nach Dauer des Arbeitsverhältnisses und Dienstjahren muss der Arbeitgeber über eine «angemessene längere Zeit» den Lohn weiter bezahlen. Das fordert das Obligationenrecht in Artikel 324a. Was «angemessen» bedeutet, richtet sich nach der Berner, Basler oder Zürcher Skala.

Via KVG oder VVG abdecken

Der Arbeitgeber kann seine Lohnfortzahlungspflicht über eine Versicherung abdecken. Die freiwillige Krankentaggeldversicherung kann entweder über das Krankenversicherungsgesetz (KVG) oder über das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) versichert werden. Über das Sozialversicherungsgesetz KVG wird die Versicherung bei den Krankenkassen abgeschlossen. Über einen privaten Versicherungsvertrag kann dies der Arbeitgeber auch bei einer Versicherungsgesellschaft tun. Auch Krankenkassen können Verträge nach VVG abschliessen.

Taggeldversicherungen nach KVG müssen besondere Regeln der Sozialversicherung beachten. So besteht zum Beispiel eine Aufnahmepflicht, die versicherten Risiken und die Mindestdauer der Leistungen sind vorgeschrieben, es gilt das Gleichbehandlungsgebot, Recht auf Freizügigkeit, und weitere Regeln.

Demgegenüber gilt bei den privaten Versicherungsverträgen nach VVG die Vertragsfreiheit. Es gibt zum Beispiel keine Aufnahmepflicht, Versicherungsvorbehalte können angebracht, Krankheitsrisiken ausgeschlossen, Höhe und Dauer der Leistungen frei vereinbart werden.

Freiwillig — de facto Obligatorium

Die Taggeldversicherung sowohl nach KVG wie VVG wird freiwillig abgeschlossen. Im Gegensatz zur Invaliden- (IVG), Unfall- (UVG) oder Arbeitslosenversicherung (ALVG) ist die Versicherung nicht obligatorisch. Da der Abschluss einer Taggeldversicherung meistens in Gesamtarbeitsverträgen sozialpartnerschaftlich geregelt wird, und auch die Pensionskassen in ihren Reglementen nach BVG eine Krankentaggeldversicherung einfordern, wirkt die freiwillige Versicherung de facto wie ein Obligatorium.

«Wegen der Komplexität der Versicherung nach KVG werden nur selten solche Verträge abgeschlossen.»

Wegen der Komplexität der Versicherung nach KVG werden nur selten solche Verträge abgeschlossen. Demgegenüber bietet die private Versicherung nach VVG mehr Flexibilität, sodass heute etwa 90 Prozent der Prämiensumme auf diese entfallen. Kommt hinzu, dass die Koordination zwischen der Taggeldversicherung und den Sozialversicherungen IV, ALV und UV in der Praxis bestens funktioniert.

«Grundsätzlich bewährt»

Seit Inkraftsetzung des KVG 1996 versuchen Parlamentarier von Links bis Mitte mit Vorstössen, ein Obligatorium der Krankentaggeldversicherung zu erreichen. In Beantwortung der Interpellationen und Postulate hat der Bundesrat stets darauf hingewiesen, dass die Einführung eines Obligatoriums nicht nötig sei. In den letzten über 20 Jahren wurden denn auch sämtliche Motionen, auch die jüngste des Jahres 2021, vom Bundesrat abgewiesen. Er verweist dabei stets auf seinen Bericht 2009. Dort steht geschrieben, dass das Bestehen von zwei unterschiedlichen Gesetzen zur Taggeldversicherung zwar nicht ideal sei. Es stehe jedoch fest, «dass die Mehrheit der unselbstständig Erwerbstätigen für den Erwerbsausfall bei Krankheit weitgehend gedeckt ist. Der Rückgang der Taggeldversicherung nach KVG ist nicht wirklich besorgniserregend, da er tendenziell durch die Taggeldversicherung nach VVG aufgefangen wird. Die geltende Regelung, die insbesondere auf sozialpartnerschaftlichen Lösungen beruht, hat sich trotz allem grundsätzlich bewährt.»

Werner C. Hug

zahlen des bfs

7 Milliarden Franken

Gemäss einer Untersuchung des Bundesamtes für Statistik (BfS) wurden in der Schweiz 2016 etwa 7 Milliarden Franken an Leistungen von den Taggeldversicherern ausgerichtet. Wegen der Vielfalt der vertraglichen Regelungen in den privaten Verträgen ist eine exakte Ermittlung der Leistungen nicht möglich.

Das BfS hat denn auch aufgrund einer international anerkannten Methode diese Schätzung erstellt. Danach macht der bezahlte Krankheitsurlaub einen Anteil von rund vier Prozent der gesamten Sozialausgaben aus. International gesehen rangiert die Schweiz unter den Ländern Europas damit im oberen Viertel. Nur Deutschland, die Niederlanden, Schweden und Norwegen leisten mehr.WCH

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