Publiziert am: 05.03.2021

Gastgewerbe hilft sich selbst

SICHERUNG DER BERUFSABSCHLÜSSE – Gerade für Lernende der Gastrobranche stellt die Corona-Krise eine besondere Herausforderung dar. Trotz Corona-bedingter Einschränkungen sollen sie ihre Ausbildung abschliessen können. Dazu hat die Berner Hotellerie und Gastronomie zusammen mit dem Kanton ein Projekt auf die Beine gestellt, das seit Anfang Jahr erfolgreich läuft.

Die Geschäfte und Läden sind wieder offen, doch die Gastronomiebetriebe bleiben vorläufig noch geschlossen. Das schränkt die betriebliche Bildung ein. Dazu Christine Davatz, sgv-Vizedirektorin und Bildungsverantwortliche: «Es ist zentral für unsere KMU und die Wirtschaft, dass die Jugendlichen trotz der Pandemie die praktischen Seiten ihrer künftigen Berufe ausgiebig üben können. Sie sollten dieselben Chancen wie zu normalen Zeiten haben, um sich auf ein Qualifikationsverfahren vorzubereiten und dann eine erfolgreiche Lehrabschlussprüfung abzulegen.» Diese Meinung teilen auch das Mittelschul- und Berufsbildungsamt Kanton Bern sowie Hotel + Gastro formation Bern. Deshalb haben sie im Januar ein innovatives Projekt lanciert. «Wir konnten am 14. Januar mit der ersten Gruppe starten», freut sich Matthias Achtnich, Geschäftsleiter Hotel+ Gastro formation Bern.

So herrscht seit Mitte Januar in Küche und Restaurant des 4-Sterne-Hotels Novotel Bern Expo und im Restaurant Caledonia von Sport­gastro AG wieder Betrieb. Seit dem 4. Februar sind auch Restaurant- und Kochbereiche am zweiten Standort – im Hotel Bären in Langenthal – wieder zum Leben erwacht. Die Lernenden kommen in 3-Tages-Blöcken in Fünfergruppen regelmässig in die Praxistage. «Dort werden die Lernenden von erfahrenen und qualifizierten Berufsbildnern, welche sich zurzeit in Kurzarbeit befinden, angeleitet. Diese Praxistage finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt», erklärt Achtnich. «Die Lernenden im Bereich Küche kochen für ihre Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Berufsgruppen und die Berufsbildner. Die Lernenden aus dem Restaurantbereich servieren und bedienen die anderen.» Seit dieser Woche finden in allen Berufsbereichen tageweise Probeläufe für die Abschlussprüfungen statt.

Sobald die Betriebe wieder geöffnet haben, können die Lernenden ihre Arbeit wieder aufnehmen. «In dieser Zeit haben wir die Nachholwochen für Lernende geplant, um die Berufsbildner in den Betrieben in der Ausbildung zu entlasten», so Achtnich. Mittlerweilen haben sich 170 Lernende in den Berufsbereichen Restaurant, Küche, Hotellerie sowie Hotelkommunikation angemeldet. «Die Jugendlichen nehmen das Angebot gerne an und sind motiviert, nun blockweise arbeiten zu können, um die Routine in den Arbeitsabläufen zu behalten und sich auf die Prüfungen vorbereiten zu können», freut sich Achtnich. Entsprechend erfreulich sind auch die Rückmeldungen der Lehrbetriebe, wie beispielsweise: «Hotel + Gastro formation bewegt alle Hebel, um diese Kurse möglich zu machen. Dafür haben sie einen Orden verdient. Die Situation für die jungen Menschen wie auch für uns alle ist nicht einfach.» Das Projekt wird übrigens zu 80 Prozent mit Geldern des Bundes finanziert, die restlichen 20 Prozent teilen sich der Kanton Bern und die gastgewerblichen Verbände.

GastroAargau hilft

Mittlerweile sind dem Berner Pionierprojekt weitere Kanton wie Luzern, Aargau, Solothurn, Freiburg, Neuenburg und Zürich gefolgt (vgl. Seite 10). So hat die Geschäftsstelle von GastroAargau in Rekordzeit ein Konzept mit vier Ausbildungsstandorten auf die Beine gestellt. In den Kantonen Aargau und Solothurn sind täglich rund 50 Lernende in Kursen im Einsatz – dies zwei bis vier Tage, je nach Lehrjahr. «Ziel ist, dass wir alle Lernenden zusätzlichen schulen können, bis der Lockdown vorbei ist», betont Bruno Lustenberger, Präsident GastroAargau. Und der Präsident der Berufsbildungskommission GastroSuisse streicht die grosse Bedeutung dieses Projekts hervor: «Den Lernenden fehlt fast ein Jahr Ausbildung. Die meisten Betriebe waren über Monate geschlossen oder nur teilweise geöffnet. Insbesondere die Lernenden, die vor der Lehrabschlussprüfung stehen, haben grössere Defizite und würden ohne eine zusätzliche Ausbildung die Prüfung kaum bestehen.» Das Echo aus den Betrieben ist überwältigend. Auch in den Kantonen Aargau und Solothurn wird das Projekt zu 80 Prozent durch den Bund und zu 10 Prozent durch den Kanton finanziert, 10 Prozent übernimmt der Verband, sprich GastroAargau und die Hotel + Gastro formation, die für die praktische Ausbildung verantwortlich ist.

Praxistage in der Fitnessbranche

Auch in der Fitnessbranche werden ausserordentliche Praxistage für das Qualifikationsverfahren 2021 durchgeführt. Sie sind auf Initiative der sgv-Berufsfachfrau Christine Davatz sowie dreier Chefexperten des Schweizerischen Fitness- und Gesundheitscenter-Verbandes (SFGV) entstanden. Dabei trainieren 160 Lernende der Branche für ihre Abschlussprüfung im Mai 2021. «Wir sind auf Erfolgskurs und können mit diesen ausserordentlichen Praxistagen das Niveau der Lehrabschlussprüfungen halten», freut sich Irene Berger, Chefexpertin und Fachfrau Bewegungs- und Gesundheitsförderung EFZ.

Corinne Remund

www.gastroformationbern.ch

www.gastroaargau.ch

www.sfgv.ch

NEXT GENERATION 2021

Virtuelle Showactsals Arbeitsprozess

Aufgrund des Verbots von Grossveranstaltungen leidet auch die berufliche Grundbildung der Lernenden im Beruf «Veranstaltungsfachfrau/-mann EFZ». Der Schweizer Verband technischer Bühnen- und Veranstaltungsberufe (svtb-astt) hat deshalb gemeinsam mit dem Partnerverband artos und den Lehrbetrieben sowie der Unterstützung von Bund und Kantonen ein Projekt ins Leben gerufen, das diese Lücken schliessen soll – das Swiss Education Showcase «Next Generation 2021».Dazu wurden oder werden neun Grossveranstaltungen in der ganzen Schweiz und in Liechtenstein durch die Lernenden mit Hilfe ihrer Lehrbetriebe durchgeführt. Bekannte Schweizer Künstler sind beim Projekt mit dabei und werden auf der grossen Bühne rocken – professionell inszeniert vom talentierten Branchennachwuchs. CR

www.nextgeneration2021

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