Publiziert am: 01.07.2022

Geben und Nehmen für beide Seiten

VEREINBARKEIT VON FAMILIE UND BERUF – Der Fachkräftemangel grassiert. Willkommene zusätzliche Fachkräfte sind die gut ausgebildeten jungen Frauen, die aufgrund ihrer familiären Verpflichtungen nur in eingeschränktem Masse arbeiten. Hier stehen auch die Unternehmen mit flexiblen Arbeitsmodellen in der Pflicht – die Praxis zeigt, es funktioniert gut.

Die Frauen in der Schweiz sind immer besser ausgebildet, allerdings schöpfen sie ihr Erwerbspotenzial schlecht aus. «Diejenigen Frauen, die erwerbstätig sind, gehen mehrheitlich einer Teilzeitbeschäftigung nach. Dies hat zur Folge, dass die gesamte Lohnsumme der Frauen tiefer ist als diejenige der Männer und ihre Karrierechancen eingeschränkter, weil für anspruchsvolle Tätigkeiten immer noch mehrheitlich ein 100-Prozent-Pensum vorausgesetzt wird», stellt sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler fest. Doch in den meisten Branchen grassiert der Fachkräftemangel, und die Wirtschaft lechzt nach qualifizierten Arbeitskräften. «Es gibt mehr als genug Arbeit, um gerade die gut bis sehr gut qualifizierten Frauen noch stärker ins Erwerbsleben einzubinden. Doch dafür müssen entsprechende Anreize gestärkt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefördert werden», betont der Gewerbedirektor.

Flexibel und gut organisiert – dann läufts rund

Doch wie wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Unternehmen praktiziert und umgesetzt? Teilzeitstellen und flexible Arbeitszeiten gehören beim St. Galler Unternehmen «Die Manufaktur GmbH – deine Schneiderei», das fast ausschliesslich weibliche Angestellte beschäftigt, zum normalen Arbeitsalltag: «Seit jeher sind wir uns gewohnt, flexible Arbeitszeitmodelle anzubieten, sonst hätten wir gar keine Mitarbeiterinnen mehr», stellen die beiden Geschäftsführerinnen Karin Bischoff und Kathrin Baumberger fest. «Wir legen grundsätzlich fest, wer an welchen Tagen und Halbtagen vor Ort ist. Wichtig ist für uns, dass der Laden zu den kommunizierten Öffnungszeiten besetzt ist und alles rund läuft.»

Das Team des feinen Schneider-Imperiums, das Massbekleidung für Damen und Herren sowie eigensinnige Kostümbilder kreiert, ist bestens aufeinander eingespielt – wenn eine Kollegin wegen einem kranken Kind oder dergleichen ausfällt, springt jemand anderes ein. «Es ist immer ein Geben und Nehmen», so Bischoff. Je nach Aufgabenbereich können die Frauen ihre Arbeitszeit flexibel einteilen und auch von zu Hause aus arbeiten. «Wir Arbeitgeberinnen achten darauf, dass wir mindestens eine Mitarbeiterin im Team haben, welche die ganze Woche vor Ort ist, um so Kontinuität zu gewährleisten.» Für das erfolgreiche Duo haben moderne Arbeitsmodelle jedoch Vor- und Nachteile: «Wir müssen einerseits die einzelnen Einsätze gut organisieren und die Mitarbeiterinformationen müssen fliessen, andererseits haben wir mit Teilzeitarbeitenden auch Ressourcen, wenn wir kurzfristig mehr Kapazität benötigen.»

Mehr Administration – dafür zufriedene Mitarbeitende

Teilzeitstellen sind in der Lüönd Transport AG in Ibach/SZ noch Neuland. Rita und Franz Lüönd führen das Transportunternehmen seit fast 30 Jahren in der vierten Generation. Als Disponentin in der Firma, die den Chauffeuren ihre Aufträge zuteilt, hat die Präsidentin der KMU Frauen Schwyz das Zepter fest in der Hand. Sie hat ihren Mann denn auch davon überzeugt, im letzten Jahr reduzierte Pensen bei zwei Mitarbeitenden einzuführen. Initiiert wurde dieser Schritt durch einen werdenden Vater, der seine Arbeitszeit auf 80 Prozent reduzierte, um seiner Frau den Berufseinstieg nach der Geburt zu ermöglichen. «Ich finde diese Idee grossartig», so Rita Lüönd. «Flexible Arbeitsmodelle bedingen zwar mehr Aufwand in der Administration, doch heute müssen Arbeitgeber flexibler sein», ist die engagierte Unternehmerin überzeugt. «Denn zufriedene Mitarbeitende leisten bessere Arbeit und bleiben dem Unternehmen länger treu.» Zudem konnte das KMU so eine neue Vollzeitstelle schaffen – alles in allem ein nachhaltiges Projekt.

Moderne Arbeitsmodelle mit Teilzeitpensen ist auch für Andrea Schelbert der richtige Weg im Unternehmeralltag. Die Schwyzer KMU-Frau führt mit ihrem Mann Heinz die Interbitzin + Kälin AG in Ibach/SZ. Im Elektrobetrieb arbeiten von den 45 Mitarbeitenden fünf Männer Teilzeit. «Dieses Modell hat sich bei uns in der Firma bereits bestens etabliert. Wir haben sogar einen Projektleiter, der 70 Prozent arbeitet», so Schelbert. Als Unternehmerin und selbst Mutter hat sie grosses Verständnis für flexible Arbeitsmodelle. «Heute geht es nicht mehr anders – auch nicht im Handwerksbetrieb. Die Mitarbeitenden sind unser Kapital und es ist wichtig, auf ihre Bedürfnisse einzugehen und gegenseitig Kompromisse zu machen, um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein und nachhaltig und zukunftsorientiert wirtschaften zu können.»

Corinne Remund

der SGV fordert:

• dass Familienpolitik weiterhin Sache der Kantone und Gemeinden bleibt, da diese viel bedarfsgerechter unterstützen und fördern können.

• dass auf den Einsatz weiterer Bundesgelder für familienpolitische Programme verzichtet wird.

• dass stärkere steuerliche Anreize mittels höherer Kind-Drittbetreuungsabzüge geschaffen werden.

• dass alle Hindernisse bei der Flexibilisierung der Arbeitszeiten beseitigt werden.

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