Publiziert am: 11.08.2017

Gegen heutige Rentner und Frauen

AHV-Reform – Die unfaire Scheinreform schafft viele Verlierer: Dazu gehören nebst der jungen Generation, welche die Zeche zahlt, die bisherigen Rentner sowie die Frauen. Sie sollen länger arbeiten, während ihr «Opfer» gleich wieder verprasst wird.

Die geplante AHV-Reform, worüber die Stimmberechtigten am 24. September zu befinden haben, ist überhaupt nicht so ausgereift, wie sie verkauft wird. Die Vorlage hat zahlreiche Schwachstellen. Eines der grössten Mankos ist die Diskriminierung der bisherigen Rentner. Es sollen nämlich nur Neurentner (Personen, deren AHV-Rente ab dem 1. Januar 2018 neu entstehen) in den Genuss der 
70 Franken Zusatzrente und des höheren Ehepaarplafonds kommen. Alle bisherigen Rentner sollen leer ausgehen – mehr noch: Sie werden sogar mit höheren Steuern bestraft. Denn sie bezahlen bei gleichbleibendem Einkommen auch noch höhere Mehr­wert­steuern. Doch damit nicht genug: Versicherten, die über das Rentenalter hinaus erwerbstätig bleiben, wird auch noch der Rentenfreibetrag gestrichen. Fazit: Die Politk schafft mit der Altersreform 2020 Zweit-Klass-Rentner, die mit tieferen Zweit-Klass-Renten abgespiesen werden sollen.

Höhere Lohnbeiträge nötig

Zu einer solchen «willkürlichen Zweiteilung des Schweizervolkes im vorgerückten Alter» kann der Aargauer SVP-Nationalrat Maximilian Reimann nur Nein sagen: «Diese Lösung grenzt für mich förmlich an die von der Bundesverfassung als illegal deklarierte Diskriminierung von Alters wegen.» Allerdings macht sich der 75-Jährige auch grosse Sorgen, wer denn schliesslich die Zeche für diese Reform einschliesslich höherer AHV-Rente bezahlt. Gemäss Reimann reichen die jährlichen Milliarden­zuschüsse aus der zu erhöhenden Mehrwertsteuer sowie die zusätzlichen Einkünfte aufgrund des angehobenen Rentenalters der Frauen bei weitem nicht aus. «Die Rechnung geht nicht auf, die beiden geplanten Finanzierungsmassnahmen genügen nicht», sagt Reimann. «Höhere Lohnbeiträge werden unentbehrlich sein. Dies betrifft insbesondere die junge Generation, die ein Leben lang höhere Abgaben zu entrichten hat», ist der Aargauer überzeugt.

 

Nur mehr Probleme

Für den ehemaligen Zürcher SVP- Nationalrat Toni Bortoluzzi liegt eine AHV-Revision mit Ausbauschritten, wie es die Vorsorge 2020 vorsieht, völlig quer in der Sozialversicherungslandschaft. Nach der abgelehnten «AHV-Plus»-Initiative der Linken erwartet der ehemalige SVP-Politiker einen Vorschlag, der inklusive struktureller Korrekturen und unvermeidlicher neuer Einnahmen die Erhaltung der bestehenden Renten zum Ziel hat. «Es ist sozialpolitisch unnötig, mit der Giesskanne die Renten zu erhöhen. Und was noch stärker ins Gewicht fällt: damit die Zukunftstauglichkeit der Altersvorsorge zu gefährden», stellt der 70-Jährige fest. Damit werde die demografische Schere nicht geschlossen und das Problem werde in wenigen Jahren noch akuter sein. «Die Vorlage ist allein aus Sicht der gesamten sozialen Sicherheit unseres Landes abzulehnen. Eine Ablehnung ist das kleinere Übel. Sie löst vorläufig keine Probleme, aber sie verhindert noch viel grössere, die sich mit einem Ja ergeben werden», bringt es Bortoluzzi auf den Punkt.

«die REchNung geht nicht auf. Die geplanten Finanzierungsmassnahmen reichen nicht aus.»

Die geplante AHV-Reform stösst nicht nur in der Politik, sondern auch in der Wirtschaft auf Widerstand: Für Jürg Müller, Geschäftsführer und Mitinhaber der Firma Thun Glas- und Metallbau AG, ist Kontinuität wichtig, um erfolgreich zu bleiben. So hat der bereits ältere Unternehmer seine Nachfolgeregelung rechtzeitig an die Hand genommen. Genau diese Kontinuität und Weitsicht vermisst Müller jedoch beim geplanten Ausbau der AHV. «Das Giesskannenprinzip im Sinne von ‹jeder bekommt einen Zustupf› ist ganz sicher der falsche Weg. Das kann nicht gutgehen», ist Müller überzeugt. «Daraus resultieren noch grössere finanzielle Belastungen für KMU, Stellen werden abgebaut, die Unternehmen generieren weniger Wertschöpfung und Produktionsstandorte werden in Billiglohnländer verlegt.» Aber auch aus Sicht eines älteren Menschen ist die AHV-Reform für Müller «ein Betrug an allen bisherigen Rentnern». Die Scheinreform degradiere «alle bisherigen Pensionierten zu Zweit-Klass-Rentnern, die sich mit tiefen Zweit-Klass-Renten zufriedengeben müssen», sagt Müller.

Auf dem Buckel der Frauen

Nebst den bisherigen Rentnern gehören aber auch die Frauen zu den Verlierern dieser unverantwortlichen Bastelei. Mit der AHV-Reform soll nämlich das Frauen­rentenalter ab 2018 in vier Schritten auf 65 Jahre erhöht werden. Mit diesem Schritt werden die AHV-Finanzen immerhin um 1,32 Milliarden Franken entlastet. Doch statt die AHV damit nachhaltig zu sanieren, wird dieses «Opfer der Frauen» von rund 1,4 Milliarden Franken eingesetzt, um die AHV nach dem Giesskannen­prinzip auszubauen. Für die Mitglieder der KMU-Frauen Schweiz wird diese AHV-Reform ungerechterweise auf dem Buckel der Frauen ausgetragen. «Ich bin als KMU-Frau bereit, künftig länger zu arbeiten und meinen Beitrag an die Sanierung der AHV zu leisten. Wenn aber mein Beitrag mit der geplanten AHV-Reform gleich wieder unsolidarisch ausgegeben wird, fühle ich mich betrogen», sagt Marianne Meister, Unternehmerin und Präsidentin des Kantonal-Solothurnischen Gewerbe­verbands Solothurn kgv.

Schluss mit mehr Steuern

Diese Meinung teilt auch Ursula Schürmann, KMU-Frau der Sektion Luzern. Auch sie spricht die Schwachstellen der geplanten Reform an: «Diese Rentenreform unterstütze ich nicht, weil zu deren Finanzierung einerseits – und einmal mehr– die Mehrwertsteuer erhöht werden soll und andererseits eine generelle Rentenerhöhung vorgesehen ist.» Sylvia 
Flückiger akzeptiert als engagierte KMU-Frau, dass Frauen bis 65 Jahre arbeiten sollen. «Ich bin bereit, damit einen wertvollen Beitrag zur Sicherung der AHV zu leisten», betont die Aargauer SVP-Nationalrätin. Das sgv-Vorstandsmitglider toleriert jedoch nicht, «dass diese grossartige Leistung von uns Frauen gleich wieder verpufft, indem die AHV ausgebaut wird». Und sie ärgert sich weiter: 
«70 Franken im Giesskannenprinzip werden gleich wieder für Neurentner ausgegeben.» Für die Unternehmerin ist dies ein Nullsummenspiel, nur um die Wählergunst zu stärken. «Aus meiner KMU-Sicht ist jetzt Schluss mit mehr Steuern und Abgaben – wir müssen die ganze Energie für den Erhalt der Arbeitsplätze aufwenden», sagt Flückiger. CR

 

 

 

Soziale Medien

Videos mit Politikern 

Sieben national bekannte Politikerinnen und Politiker machen mit Theater­aktionen und Videos auf unkonventionelle Art auf die ungerechte AHV- Reform aufmerksam. Die Videos der Strassentheater können ab sofort in den sozialen Medien (www.facebook.com/soungerecht) angeschaut werden.

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