Publiziert am: 04.11.2022

«Gemeinsam sind wir stark»

FLORIST.CH – Die Branche setzt mit der neuen Berufsbildungsreform, einem Nachhaltigkeitslabel sowie wirkungsvollen Marketingauftritten neue Impulse. Das Kunsthandwerk Floristik erlebt einen neuen Innovationsschub dank neuen Absatzwegen und Werbepfaden. Fachkräftemangel und Energiekrise sind grosse Herausforderungen, welche die «grüne Gilde» zu meistern hat.

Der Schweizerische Floristenverband hat seit dem 21. April 2022 ein neues Gesicht an der Spitze – den neuen Geschäftsleiter Thomas Meier. Mit viel Elan und einer grossen Prioritätenliste hat er sein neues Amt gestartet. Dazu gehören unter anderem, die Wertschöpfung in der Branche zu erhöhen, die Nachhaltigkeit zu verbessern und die Berufsbildung attraktiver zu gestalten. «Dies alles geht aber nur, wenn wir in der Branche alle am selben Strick ziehen. Dies bedingt, dass wir mehr miteinander in den Dialog treten, uns gemeinsam lösungsorientiert austauschen», so Meier. «Wichtige Bedingung dafür ist die Mitgliedschaft in unserem Verband – denn nur gemeinsam können wir im Konkurrenzumfeld bestehen», doppelt Meier nach. Für ihn gehören Blumen seit jeher zum Leben. «Sie verschönern mir und meinen Lieben den Alltag, sei es mit einem Blumenstrauss, den ich meiner Frau spontan nach Hause bringe, oder auch sonst bei wichtigen Momenten.» Der 53-Jährige erlebt tagtäglich viele motivierte Floristinnen und Floristen, die mit viel Herzblut für ihren Beruf leben. «Es freut mich ausserordentlich, ein Teil der grünen Branche zu sein.»

Gemäss einer Branchenumfrage haben viele Betriebe ihren Umsatz in den letzten Jahren erhöhen können, allerdings bei gleichbleibender Marge. «Tendenziell heisst dies also: mehr Arbeit für gleich viel Ertrag. Hier wünsche ich mir manchmal etwas mehr Wertschätzung von Herrn und Frau Schweizer für unser Gewerbe», stellt Meier fest. «Die Arbeit unserer Mitglieder ist wertvoll und darf ihren Preis haben. Denn jeder Blumenstrauss aus dem Fachgeschäft ist ein Einzelstück, das von ausgebildeten Fachleuten mit viel Liebe zum Detail zusammengestellt wird.»

Die Branche hat in den letzten Jahren auch dank der Pandemie einen Wandel durchgemacht: So hat Corona nicht nur eine Steigerung des Umsatzes – in der zweiten Welle blieben die Geschäfte offen – gebracht, sondern sorgte auch für die Aufpolierung des Images. «Vielen Menschen wurde wieder vermehrt bewusst, wie wichtig persönliche Beziehungen sind, und sie haben diese Wertschätzung zu ihren Lieben mit Blumen ausgedrückt und damit die Bedeutung der Blumen in ein neues Licht gerückt.»

Auf dem Nachhaltigkeitskurs

Ein wichtiges Thema in der Branche ist die Nachhaltigkeit. Max Havelaar lebt den Nachhaltigkeitsgedanken seit vielen Jahren vorbildlich und hat in der Branche eine Vorreiterrolle übernommen. Mit dem Trend Slowflowers hat der Ruf nach Nachhaltigkeit auch das Blumenbeet erreicht: So setzen viele Betriebe auf saisonale, nachhaltig produzierte Schnittblumen aus der Region. Die Slowflowers-Bewegung hat bereits 120 Mitglieder aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Auch im Grosshandel wird die Energieeffizienz umgesetzt: Die Blumenbörsen Schweiz heizen und kühlen ihre Gebäude mit Grundwasser-Wärmepumpen. Im Herbst 2021 wurde an den Standorten in Wangen und Rothrist eine Photovoltaik-Anlage in Betrieb genommen und die Beleuchtung auf LED umgestellt. «Im Grosshandel sind immer mehr biologisch oder torffrei angebaute Produkte erhältlich», so Meier. Weitere Nachhaltigkeits-Trends sind Trockenblumen im Winter oder die Reduktion der Verpackung usw.

Nicht nur in der Qualität als Träger des Qualitätslabels will der Verband ein Vorbild sein, sondern auch in der Nachhaltigkeit. «Zurzeit bauen wir mit der Branche ein Nachhaltigkeitslabel auf. Voraussichtlich im Mai 2023 werden wir ein entsprechendes Projekt ausgearbeitet haben», freut sich Meier und er sagt – an die Politik gerichtet: «Wir gehen das Thema Nachhaltigkeit aus eigener Initiative an und benötigen keine weiteren gesetzlichen Einschränkungen beim Import und Verkauf von Pflanzen.»

Zum Kapitel Herausforderung gehört auch die Energiekrise. Die grüne Branche ist davon stark betroffen, im Besonderen die Produktion. «Die hohen Energiepreise führen dazu, dass einige Pflanzenproduzenten ihre Produktion diesen Winter einstellen könnten.» Bereits im letzten März hatten einige Betriebe aufgrund der hohen Gaspreise ihre Produktion eingestellt. «Es ist schwierig, kurzfristig zu reagieren», so Meier. Die Schweiz hat ihre Hausaufgaben gemacht. «Der Grosshandel hat in den letzten Jahren in nachhaltige Energie investiert – das zahlt sich nun aus.»

Attraktivere Berufslehre

Als Organisation der Arbeitswelt OdA für die Grundbildung zu Florist/-in EFZ und EBA hat sich der Verband eine zukunftsorientierte Lehre auf die Fahne geschrieben. Daher steckt florist.ch momentan mitten in der Berufsbildungsreform der Grundbildung. «Unsere Berufslehre muss attraktiver werden. Mit der Berufsbildungsreform hoffen wir, noch mehr Lernende für diesen schönen Beruf zu gewinnen und so auch den Fachkräftemangel zu bekämpfen», betont Meier. Die Revision ist auf Kurs. Das Berufsbild, der Bildungsplan und die Bildungsverordnung sind abgeschlossen. Geplant ist, den ersten revidierten Lehrgang im August 2024 zu starten. Diesen Sommer haben rund 220 Lernende ihre EFZ- oder EBA-Lehre erfolgreich abgeschlossen. Seit einigen Jahren ist die Zahl der Lernenden stabil, was ein Achtungserfolg ist – aber noch lange nicht reicht. Erfolgreich unterwegs waren die Schweizer Floristinnen an den WorldSkills 2022 in Helsinki, wo die Gossauerin Jasmin Wüthrich die Silbermedaille geholt hat.

Floristik ist für viele eine Herzensangelegenheit. Ein aktuelles Thema ist daher der Einstieg als Zweit- oder Drittberuf. «Wir bieten zwar über die Migros Klubschulen einen entsprechenden Lehrgang an, dieser beinhaltet aber nur den theoretischen Teil. Wir wollen eine umfassende Quereinsteiger-Ausbildung mit Praxis bis hin zu einer verkürzten EFZ-Quereinsteigerlehre ermöglichen», erklärt Meier.

Neue Märkte und Nischen

Auf politischer Ebene sind die liberalen Ladenöffnungszeiten ein wichtiges Thema für die Branche: «Blumen sind ein Frischeprodukt und wer am Sonntag seine Liebsten mit einem blumigen Mitbringsel überraschen möchte, sollte einen frischen Blumenstrauss im Fachgeschäft kaufen können.» Und wie sieht das Zukunftspotenzial der Branche aus? «Unser Metier lebt und sucht neue Pfade», stellt Meier fest. «Innovative Floristinnen und Floristen dringen auch in den Dienstleistungsbereich vor – sei es mit Eventaufträgen oder Gestaltungsaufträgen für Wohnungen usw.» Eine neue Nische ist auch der digitale Markt: «Hier sind in den letzten Jahren einige ganz neue Geschäftsmodelle entstanden. Wir müssen hier am Ball bleiben.»

Corinne Remund

www.florist.ch

DAS MACHT FLORIST.CH

Sag es mit Blumen – seit über 100 Jahren

Seit 100 Jahren setzt sich der Schweizerische Floristenverband als gemeinnütziger Verein für das gedeihliche Wachstum des schweizerischen Blumenhandels ein. Der ursprünglich reine Arbeitgeberverband hat sich mittlerweile zum Branchenverband entwickelt. Seinen Ursprung fand er im Dezember 1920, als er unter dem Namen «Verband Schweizerischer Blumengeschäftsinhaber» in der Kronenhalle Zürich gegründet wurde. Im Laufe der Jahre kamen diverse Sektionen dazu, 1971 die Tessiner Sektion als letzte.

Zu den Kernaufgaben des Verbandes gehört die Aus- und Weiterbildung des Nachwuchses. Diese beinhaltet die Grundbildung als Organisation der Arbeitswelt OdA mit Überbetrieblichen Kursen, Qualifikationsverfahren QV und höhere Berufsbildung wie auch Weiterbildungskurse, Seminare, Tagungen usw. sowie die Teilnahme an nationalen und internationalen Berufswettbewerben. Eine wichtige Dienstleistung ist ferner eine gute Information und Kommunikation. So gibt der Verband das einzige Schweizer Fachmagazin für Floristik, den «FLORIST», heraus – und dies seit über 100 Jahren. Die Mitglieder werden zudem mittels regelmässiger Newsletter sowie via Website und soziale Medien wie Facebook und Instagram umfassend über Verband und Branche informiert. Das Dienstleistungsportfolio von florist.ch ist gut ausgebaut und auf die Mitglieder angepasst. Die Palette der Dienstleistungen reicht von Lohnempfehlungen über die AHV- und Pensionskassen bis hin zu Musterverträgen, Einkaufskonditionen, Vergünstigungen.

Bestens vernetzt

Der engagierte Verband tauscht sich regelmässig innerhalb der Branche aus und ist auch bestens vernetzt mit anderen Verbänden, Organisationen und Institutionen. Ebenso engagiert er sich auf politischer Ebene. Der Verband hat rund 950 Mitglieder. Dau gehören 475 Aktivmitglieder, Blumen- und Fachgeschäfte – alles KMU mit unter 20 Mitarbeitenden bis zu grösseren Betrieben. Eine zweite Kategorie sind die 380 Berufsmitglieder – also angestellte Floristinnen und Floristen sowie ehemalige Floristinnen und Floristen, die dem Verband treu geblieben sind. Als Partnermitglieder gelten Branchenpartner wie Zulieferer, Dienstleistungserbringer usw. Die Branche generiert einen jährlichen Umsatz von 600 Millionen Franken für Fachhandel Floristik, Gartencenter und Dorfgärtnereien, davon werden rund 250 Millionen Franken mit Blumen, Pflanzen und Dekoartikeln erwirtschaftet. Die gesamte Branche beschäftigt inklusive Teilzeitangestellte circa 6000 Personen. CR

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