Publiziert am: 20.09.2019

EDITORIAL

Grosse brauchen KMU – auch in der Politik

KMU haben gegenüber den Grossunternehmen die Nase vorn. Das gilt sowohl in der Berufsbildung als auch bei der Integration der Frauen. Das gilt für die Innovation als auch in der Milizarbeit. Gerade deswegen brauchen Grossunternehmen KMU – sowohl wirtschaftlich als auch in der Politik.

Es bestehen viele Missverständnisse zum Verhältnis von Grossunternehmen und KMU. Sie entstehen, wenn die Vielfalt der Wirtschaft verkannt wird und stattdessen alle Grossunternehmen und alle KMU auf Klischeetypen reduziert werden. Dazu gehören die üblichen Vorurteile, dass nur Grossunternehmen international tätig seien, dass nur sie echte Innovationen tätigen könnten und dass nur sie progressiv seien und den Arbeitnehmenden mehr als das gesetzlich Verlangte geben. Im Gegensatz dazu werden KMU-Stereotypen bewirtschaftet: Sie seien nur auf die Binnenwirtschaft fokussiert – als ob die Binnenwirtschaft der zwanziggrössten Volkswirtschaft der Welt unbedeutend wäre –, altbacken, wenig mitarbeiterfreundlich und wenig innovativ.

Diese vermeintlichen Gegensätze sind kons­truiert – und sie sind gänzlich unwahr. Sie werden meist aus Unkenntnis kolportiert und aufgebauscht. Sie sind Stereotype und stimmen nicht einmal im Ansatz. Wie könnten sie auch? Es ist höchst unwahrscheinlich, dass sich die über 550 000 Schweizer KMU über den gleichen Leisten ziehen liessen.

KMU und Grossunternehmen arbeiten miteinander. In der Politik gibt es jedoch einen bedenklichen Trend im Verhältnis von Grossunternehmen und KMU in der Schweiz. Erstere versuchen immer wieder, sich mittels Regulierung zu behaupten. Sie suchen die Legitimierung ihrer Geschäftsmodelle in neuer Regulierung. Als ob das an sich nicht schon bedenklich genug wäre, versuchen Grossunternehmen vermehrt, mit Regulierung KMU vom Markt zu verdrängen.

Dieser Trend ist in der Schweiz zwar noch nicht dominierend, aber es gibt ihn. Vor allem ab 2012 nahm er markant zu. Grossunternehmen und ihre Verbände setzten sich öffentlich ein, um mit einer Revision des Aktienrechts die 114 000 KMU-Aktiengesellschaften stärker zu regulieren. Grossbanken wollten tatsächlich mit zwei neuen Gesetzen die unabhängige Vermögensverwaltung derart verteuern, dass diese Finanz-KMU aus dem Markt geschieden wären. Doch Grossunternehmen brauchen die KMU – vor allem in der Politik. Sie sind nämlich auf die Unterstützung der KMU-Politikerinnen und Politiker angewiesen, um ihre Freiheit zu behalten.

Einige Beispiele gefällig? Die 1:12-Initiative hätte KMU kaum betroffen; trotzdem stiegen KMU-Politikerinnen und Politiker in den Ring, sie abzuwehren. Als die Initiative gegen die Masseneinwanderung angenommen wurde, waren es KMU-Politikerinnen und Politiker, die ihre Umsetzung wirtschaftsfreundlich konzipierten. Und auch die Konzernverantwortungsinitiative wird ohne KMU nicht zu bodigen sein.

Im Rahmen der guten Ordnungspolitik sind KMU-Vertreterinnen und Vertreter gerne bereit, für Wirtschaftsfreiheit zu kämpfen. Aber sie verlangen auch Gegenrecht. Grossunternehmen sollen sich in Zukunft auf die Seite der KMU stellen, statt mit den Linken zu kooptieren und nur egoistisch zu handeln. Grossunternehmen sollten nicht vergessen: Sie brauchen die KMU – wirtschaftlich und politisch.

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