Publiziert am: 20.02.2015

Jahrelange Rechtsunsicherheit

VERJÄHRUNGSRECHT – Nach dem Nationalrat berät nun der Ständerat die Vorlage. Sie bringt ­gewichtige Nachteile für Gewerbetreibende und ist deshalb abzulehnen.

Zentrale Revisionspunkte des Verjährungsrechts sind die Verlängerung der relativen Verjährungsfrist von einem auf drei Jahre für Ansprüche aus Delikts- oder Bereicherungsrecht sowie die Einführung einer besonderen absoluten Verjährungsfrist von dreis­sig Jahren bei Personenschäden.

Der heute geltende Art. 128 OR enthält einen abschliessenden Katalog vertraglicher Forderungen, die bereits nach fünf Jahren verjähren und nicht erst nach zehn Jahren. Darunter fallen unter anderem Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern. Mit der beantragten ersatzlosen Streichung von Art. 128 OR würde neu die Verjährungsfrist generell zehn Jahre betragen, wie das für alle Forderungen gilt, wenn das Bundeszivilrecht nicht etwas anderes bestimmt.

Keine Verjährungsfristen von bis zu 30 Jahren

Jeder einzelne Krankheits- oder Todesfall aus «unerlaubter Handlung» ist von einer besonderen Tragik. Es stellt sich aber dennoch die Frage, inwiefern Verjährungsfristen von bis zu 30 Jahren für potenziell haftende Unternehmen überhaupt zumutbar sind. Jahre oder gar Jahrzehnte nach einem Schadensereignis wird die Beweiserbringung schwierig und die Rekonstruktion des Sachverhalts fraglich. Die Aufbewahrung und Dokumentation der Unterlagen verursachen Mehrkosten, ebenso wie die Sicherstellung der Haltbarkeit von Papierakten und die Lesefähigkeit elektronischer Daten in einem sich stark wandelnden technologischen Umfeld. Eine Ausdehnung der ­Verjährungsfristen wird höhere Versicherungsprämien zur Folge haben, wobei sich die Frage stellt, ob Betriebshaftpflichtversicherungen solch gros­se Zeiträume überhaupt abdecken und zu welchen Kosten.

Nationalrat noch für 20 Jahre

Der Nationalrat will Asbestopfer und andere Opfer von gesundheitlichen Spät- und Langzeitschäden besser stellen. Er hat sich entschieden, dass Spätschäden an Menschen erst nach 20 Jahren verjähren sollen statt wie heute nach 10 Jahren. Der Bundesrat schlug 30 Jahre vor. Anträge von rot-grüner Seite, dass das neue Recht auch für jene Fälle gelten soll, die nach altem Recht bereits verjährt sind, scheiterten. Damit ist zumindest die Rückwirkung vom Tisch. Sie hätte zu erheblicher Rechtsunsicherheit geführt.

Arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen

Viele arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen finden erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses statt. Betroffen sind Ansprüche wie Überstunden- und Überzeitentschädigungen, Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit, Kinderzulagen, Ferienlohn, Lohn während Arbeitgeberverzug, Ansprüche auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit oder auf Ansprüche aus dem Sozialplan etc.

«OB VERSICHERUNGEN SOLCHE RISIKEN ÜBERHAUPT ABDECKEN, IST FRAGLICH.»

Die vom Bundesrat beantragte Streichung der Verjährungsfrist von fünf Jahren für Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis führt dazu, dass Unternehmer und Arbeitgeber für allfällige Nachforderungen – zum Beispiel aus Überstunden – Rückstellungen vornehmen müssen, die über ihre finanziellen Möglichkeiten hinausgehen. Die zehnjährige Dokumentationspflicht führt in Branchen mit vielen befristeten Arbeitsverhältnissen (wie z.B. die Hotellerie) zu einem Kostenschub. Immerhin hat auch hier der Nationalrat einen Riegel geschoben. Die Verjährungsfrist bei Miet- und Lohnforderungen hat er nicht ausgedehnt.

Ständerat ist gefordert

Gefordert ist jetzt der Ständerat. Zwar hat der Nationalrat die Vorlage punktuell entschärft, doch der Schweizerische Gewerbeverband sgv lehnt die von ihm beschlossene Verjährungsfrist von 20 Jahren ab und empfiehlt deshalb, die ganze Vorlage abzulehnen.Kl

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