Publiziert am: 18.11.2022

Keine Staatskontrolle des Internets

DIGITALISIERUNG – Positive Freiheitsrechte sollen dafür sorgen, dass alle Bürger die gleichen Möglichkeiten zu einer freien Lebens-gestaltung erhalten. Doch die Behörden fassen den Begriff dieser in der Verfassung verankerten Rechte immer weiter. Das führt zu Staatswachstum und zu Regulierungen in Bereichen, in denen das gar nicht nötig wäre – zum Beispiel im digitalen Raum.

Der Bund sucht nach neuen Möglichkeiten, seine Dienstleistungen im digitalen Zeitalter anzubieten. Die digitale Transformation verändert die Funktionsweise von Gesellschaft und Wirtschaft und sollte zwangsläufig dazu führen, dass eine Vielzahl von Prozessen optimiert wird. Dies ist eine Chance für die Unternehmen sowie für die Akteure der Gesellschaft. Aber was macht der Staat in dieser ganzen Bewegung? Wird er effizienter werden, indem er besser angepasste Dienstleistungen anbietet, die vor allem weniger Ausgaben erfordern?

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Digitalisierung zur Optimierung bestehender Dienstleistungen oder zur Vereinfachung der staatlichen Strukturen fĂĽhren kann. Dies aber nur, falls der entsprechende Wille bei der Bundesverwaltung vorhanden ist.

Ein kurzer Blick in die Geschichte zeigt, dass der Trend jedoch in Richtung Staatswachstum geht. Der Staat wird von der Gesellschaft geschaffen, die sich in einer Art Vertrag dazu bereit erklärt, bestimmte Freiheiten aufzugeben und sie einer Institution zu übergeben, um die Macht über die Verwaltung des Landes zu besitzen. In dieser Logik muss es Leitplanken geben, die verhindern, dass sich der Staat zu viel Macht anmasst. Dazu gehören individuelle Rechte mit einem negativen Status, die die Verfassung garantieren muss, um die Macht des Staates zu begrenzen, oder auch wirtschaftliche Freiheiten, die bedeuten, dass der Staat nicht in einen Markt eingreifen darf. Er muss zuvor feststellen können, ob ein Marktversagen vorliegt.

Umkehr im Jahr 2000

Die Ă„nderung der Schweizerischen Bundesverfassung im Jahr 2000 kehrte die klassische Funktionsweise der individuellen Rechte oder der wirtschaftlichen Freiheiten jedoch um. Nun ist es der Staat, der eingreifen muss, um Rechte mit positivem Status zu verteidigen. Und jedes Mal, wenn der Staat etwas entdeckt, das es zu verteidigen gilt, kann er eingreifen.

Zum Beispiel, indem er einen Raum mit zuverlässigen Daten sicherstellt. Das bedeutet, dass der Staat seinen digitalen öffentlichen Dienst ausbauen muss. Das zu verteidigende Recht ist die digitale Selbstbestimmung. Der Bundesrat unterstreicht in einem im Oktober veröffentlichten Bericht über den digitalen Wandel die Bedeutung von Daten als potenzielle Schlüsselressourcen der digitalen Gesellschaft.

Der Bundesrat argumentiert im Bericht mit drei Problemen, mit denen er sein Eingreifen rechtfertigt. «Erstens sind Daten in immer mehr Sektoren bei einigen wenigen Akteuren konzentriert.» Diese hätten keinen Anreiz, die Daten zu teilen. Zweitens gebe es öffentliche und private Akteure, die ihr Datenpotenzial nicht nutzen wollten oder könnten. Und schliesslich drittens: Bei einem wachsenden Anteil der Bevölkerung lasse sich ein Misstrauen gegenüber der Nutzung von Daten feststellen.

Zielt auf viele Bereiche

Der staatliche Eingriff in den digitalen Raum hat gerade erst begonnen, und er zielt auf viele Bereiche ab. Zum Beispiel auf den Medienbereich, wo die vom Bundesgesetz über Radio und Fernsehen vorgeschriebenen Informationen des Service public immer weniger Menschen interessieren. Oder auf den Bereich Telekommunikation, um das Wachstum der Datenübertragung zu unterstützen, aber auch auf die Bereiche Post, Energie und Mobilität.

Unter Energie soll es darum gehen, alle Verbrauchsdaten abrufen zu können, um den Klimaschutz zu fördern. Der Eingriff im Bereich Mobilität zielt darauf ab, alle Mobilitätsdaten zu zentralisieren. Bei der Mobilität will der Bund die Datennutzung bereits an sich ziehen. Dazu hat er die Nationale Mobilitätsdateninfrastruktur (MODI) geschaffen.

Kontrolle als Ziel

Vorbild wird sicherlich die Europäische Union mit ihren drei grossen Rechtsakten – dem Digital Markets Act, dem Digital Services Act und dem Data Governance Act – sein. Das Ziel besteht darin, die Kontrolle über das Internet zu erlangen oder Überwacher dort zu installieren.

«Der Eingriff im Bereich Mobilität zielt darauf ab, alle Mobilitätsdaten zu zentralisieren.»

Der Bundesrat kommt in seinem Bericht zum Schluss, dass die Digitalisierung eine Herausforderung für die Demokratie darstelle, und sie eines staatlichen Eingriffs bedürfe, sei dies ein verbesserter Schutz gegen Diskriminierung, der Meinungs- und Informationsfreiheit, der Privatsphäre (Datenschutz)oder etwa der Wirtschaftsfreiheit oder von Verfahrensgarantien. Es stellt sich dabei eine dringende Frage: Wann kehrt in der Schweiz die Verteidigung der individuellen Rechte und der wirtschaftlichen Freiheiten gegen staatliche Eingriffe zurück?

Mikael Huber,

Ressortleiter sgv

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