Publiziert am: 13.08.2021

«Kostet viel Geld und Nerven»

REGULIERUNG – Nationalrätin Sandra Sollberger (SVP/BL) kämpft seit Jahren an der Seite des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv gegen unnötige Regulierungen und deren Folgekosten. Die Malermeisterin ist in ihrem Unternehmeralltag direkt betroffen und weiss, wo der Schuh drückt:

Schweizerische Gewerbezeitung: Sie haben einmal gesagt: «Gesetze werden am Schreibtisch erschaffen.» Was heisst das konkret für Ihren unternehmerischen Alltag als Malermeisterin?

Sandra Sollberger: Im unternehmerischen Alltag merkt man sehr rasch, welche Gesetze und Regulierungen nur von Schreibtischtätern erschaffen wurden oder wo eben auch die Praxis einbezogen wurde. Natürlich soll es generell möglichst wenige Regulierungen geben, die das Unternehmertum behindern. Diese kosten viel Geld und Nerven und lösen einfach viel zu viel Papieraufwand aus.

«Wir müssen alles daran setzen, dass die Regulierungs­flut nicht Überhand nimmt.»

Mit dem Unternehmensent-lastungsgesetz (Umsetzung der Motion 16.3388) wollen Sie den bürokratischen Leerlauf stoppen. Wie kann das gelingen?

Man darf sich keinen Illusionen hingeben. Ein solches Gesetz wird den Regulierungseifer nicht komplett stoppen. Wir müssen aber alles daran setzen, dass die Regulierungsflut nicht Überhand nimmt. Es gilt einerseits die Kostenfol-gen von neuen Regulierungen klarer auszuweisen. Die Verwaltung, welche diese Regulierungen ausarbeitet, muss transparenter sagen, was es kostet und sie muss zwingend prüfen, ob es insbesondere für KMU administrative Vereinfachungen gibt. Zudem werden auch ­bestehende Regulierungen regelmässig überprüft. Dies und die vermehrt elektronische Verwaltungsabwicklung soll zu konkre-ten Entlastungen bei den Betrieben führen.

Was sagen Sie zum Gegenargument, dass Sie Bürokratie mit Bürokratie bekämpfen wollen?

Mein Vorstoss fordert keine neue Behörde. Die Verwaltung wird verpflichtet, transparenter zu sein und sich an gewisse Regulierungsgrundsätze zu halten. Dies wurde bereits in gewissen Kantonen erprobt und entspricht einer verbindlicheren und erweiterten Formu-lierung der bereits bestehenden Verordnung über die Koordination der Politik des Bundes zugunsten der kleinen und mittleren Unternehmen.

Gerade die von Ihnen angesprochenen KMU wehren sich vehement gegen jede Form von neuen Regulierun-gen. Warum werden sie stets härter getroffen als die Gross-konzerne?

Für KMU ist es vergleichsweise kostspieliger sich Anwälte und Regulierungsspezialisten anzuschaffen oder einzukaufen. Kleine Regulierungen schlagen bei KMU viel schneller aufs Gemüt, weil die Auswirkungen viel direkter spürbar sind. Wir kämpfen faktisch um jeden Franken und jede Stunde. Da können wir keine zusätzlichen Hürden und regulatorische Probleme brauchen.

Ebenfalls in der Vernehm-lassung befindet sich die vom sgv konzipierte und von den bürgerlichen Parteien lancierte Regulierungskostenbremse. Wie soll diese funktionieren?

Die Regulierungskostenbremse funktioniert gleich wie die Schuldenbremse. Wenn eine bestimmte Zahl von Firmen belastet oder ein Mindestbetrag an Regulierungskosten verursacht werden, braucht diese Regulierung im Parlament eine qualifizierte Mehrheit. Der Bundesrat schlägt in der Vernehmlassungsvorlage ein Schwellenwert von 10 000 Unternehmen und einen Mindestbetrag von 100 Millionen Franken vor.

Bundesrat und sgv haben ein Sparpotenzial von 10 Milliarden Franken bei bestehenden Regu­lierungen identifiziert. Warum reicht es nicht aus, diese bestehenden Kosten zu reduzieren?

Nicht nur die bestehenden Kosten sind ein Problem, sondern auch die stetig wachsende Zahl an Vorgaben und Verboten, die wiederum Kosten auslösen. Deshalb braucht es nicht nur eine Überprüfung der bestehenden Regulierungen, sondern auch bremsende Massnahmen bei neuen Regulationen. Hierfür benötigt es einen Strauss an Mass­nahmen, die auf unterschiedlichen Ebenen wirken.

«Wir kämpfen faktisch um jeden Franken und jede Stunde.»

Welche Chancen zur administrativen Entlastung sehen Sie in der Digitalisierung?

Die Digitalisierung hat dabei ein grosses Potenzial. Aber nur wenn die Verwaltung auch nutzerfreundliche und praxisbezogene Lösungen anbietet. Lösungen müssen daher zusammen mit den betroffenen Unternehmen entwickelt werden und unter Einbezug der Privatwirtschaft, um nicht immer hinter der Zeit zu sein. Die Lösungen müssen dem Alltag der aktuellen Unternehmenswelt entsprechen.

Interview: Adrian Uhlmann

regulierungskosten

Mit der Resolution von Lugano hat der Schweizerische Gewerbeverband das Thema Regulierungskosten schon im Jahr 2010 auf die politische Agenda gesetzt. Seither sind im Parlament über 50 Vorstösse dazu eingereicht und überwiesen worden. Mit dem Unternehmensentlastungsgesetz (Umsetzung der Motion 16.3388 von Sandra Sollberger) und der Regulierungskostenbremse (Motion FDP-Liberale Fraktion, 16.3360) kommt nun endlich Schwung in die Sache.

Regulierungskosten machen etwa 10 Prozent des Schweizer Brutto­inlandprodukts aus. Das sind jährlich gegen 70 Milliarden Franken, welche das Wachstum der Wirtschaft hemmen. Davon liessen sich über 10 Milliarden Franken einsparen. Das Unternehmensentlastungsgesetz und die Regulierungskostenbremse befinden sich noch bis am 18. August in der Vernehmlassung.uhl

ZUR PERSON

Sandra Sollberger (47) ist Eidg. dipl. Malermeisterin und seit 2015 für die SVP Baselland im Nationalrat. Die Unternehmerin besitzt ein eigenes Malergeschäft mit Sitz in Bubendorf BL. Zudem ist sie seit 2018 im Zentralvorstand des Schweizerischen Maler- und Gipserunternehmerverbandes SMGV.

www.sandrasollberger.ch

Weiterführende Artikel

Meist Gelesen