Publiziert am: 11.08.2017

Mitarbeiter kündigen ist Chefsache

KÜNDIGUNGEN – Eine Kündigung aussprechen: Vor dieser Aufgabe graut es den meisten 
KMU-Chefs. Denn sie können sich nicht hinter der Entscheidung einer Zentrale verstecken.

Viele Inhaber und Geschäftsführer von KMU wälzen sich nächtelang schlaflos in ihren Betten, bevor sie beschliessen: «Ich entlasse diesen Mitarbeiter.» Endlos überlegen sie «Soll ich oder soll ich nicht?», bevor sie zur Einsicht gelangen: An der Kündigung führt kein Weg vorbei.

Problem: Persönliche Beziehungen

Sogar ansonsten entschlussfreudigen Führungskräften fällt der Beschluss, sich von einem Mitarbeiter zu trennen, meist schwer. Denn er bedeutet auch, das Schicksal des Betroffenen mitzubestimmen. Gerade in KMU arbeiten Chef und Mitarbeiter enger zusammen als in Grossunternehmen. Es entstehen persönlichere Beziehungen. Beruht die Kündigung dann auf Verhaltens- oder Kompetenzdefiziten, ist meist auch die freundschaftliche Beziehung verloren. Denn der gekündigte Mitarbeiter sucht – auch aus Selbstschutz – die Ursache für die Kündigung in der Regel nicht bei sich selbst, sondern beim Chef.

Eigene Fehler eingestehen

KMU-Chefs fällt das Kündigen aber auch deshalb schwer, weil sie sich damit eigene Fehler eingestehen müssen. Zum Beispiel, dass sie den falschen Mitarbeiter eingestellt haben oder die Entwicklung des Geschäfts falsch eingeschätzt haben. Was denken die anderen Mitarbeiter von mir, wenn ich einen ihrer Kollegen entlasse?

Kollegen sehen Kündigung 
oft voraus

Solche Befürchtungen sind meist unbegründet. Denn gerade erfahrene Mitarbeiter haben einen sechsten Sinn dafür, was betrieblich notwendig ist – auch weil sie in KMU die meisten Geschäftsprozesse hautnah miterleben. Sie registrieren sehr wohl, dass ihr Kollege zwar nett, aber eben auch überfordert ist. Sie spüren, wann eine Kündigung «fällig» ist. «Wenn ich was zu sagen hätte, wäre der schon lang geflogen.» Sie erwarten von ihrem Vorgesetzten also geradezu Konsequenz.

Hier liegt das Hauptproblem. Bei den Mitarbeitern verdichtet sich das Gefühl, dass der Chef mit ungleichen Ellen misst: «Während er von uns ein professionelles Arbeiten fordert, lässt er beim Kollegen alle Nachlässigkeiten durchgehen.» Dies führt zu Unzufriedenheit unter den Mitarbeitern. Die Folge: Auch die Leistung der anderen Mitarbeiter sinkt.

Was passiert, wenn der 
Mitarbeiter doch bleibt?

Deshalb sollten sich Führungskräfte der Aufgabe, notwendige Kündigungen auszusprechen, stellen. Sie ist ein Teil ihrer Führungsaufgabe – niemand nimmt ihnen diese Last von den Schultern. Hilfreich ist es in solchen Situationen jedoch oft, mit einem unbeteiligten Dritten – zum Beispiel einem Coach – die Pros und Kontras abzuwägen. Oder sich zu fragen: Welche Konsequenzen hat es, wenn der Mitarbeiter bleibt? Für mich als Führungskraft? Für das Unternehmen? Für das Verhalten der Kollegen? Danach fällt es dem Vorgesetzten meist leichter, sich zu entscheiden.

Dr. Albrecht Müllerschön

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